Der Verdacht der Vorteilsannahme gegen einen Mitarbeiter im Dortmunder Jugendamt war bislang offensichtlich an der Politik vorbeigegangen. Die Ratsfraktionen erfuhren davon aus der Berichterstattung dieser Redaktion. Doch was die Konsequenzen betrifft, sind sich die Lokalpolitiker ziemlich einig.
Der tatverdächtige Mann aus der unteren Führungsebene des Jugendamtes soll Fördermittel für Kinder und Jugendliche in Form von hohen Provisionen in die eigene Tasche gelenkt haben. Er soll die Leitungen von Jugendeinrichtungen im vergangenen Jahr aufgefordert haben, diese bis dahin nicht ausgeschöpften Fördermittel zu beantragen und dafür Dinge in seinem Online-Shop zu bestellen, den er als Partner eines Direktvertriebs betreibt.
SPD: Erst mal keinen Kommentar
Für die SPD sagte Vize-Fraktionschef Olaf Schlienkamp: „Wir werden das erstmal nicht kommentieren.“ Nur so viel: Man erwarte die Aufklärung der Vorwürfe im Sinne der Verwaltung, aber auch im Sinne des Beschäftigten, sprich, dass dieser keinen Schaden nehme, sollten die Vorwürfe nicht stimmen.
Tatsächlich ist vieles ist noch unklar, unter anderem die Höhe des möglichen Schadens - und warum bei Polizei und Staatsanwaltschaft bis letzte Woche keine Anzeige vorlag.
Grüne: Vom Dienst freistellen
Für die Grünen, so Christoph Neumann, Fraktionssprecher und Mitglied im Rechnungsprüfungsausschuss, ist deshalb eine Bewertung zum jetzigen Zeitpunkt schwierig. „Nebentätigkeiten sind zwar erlaubt, dürfen aber nicht mit der Diensttätigkeit in Konflikt stehen“, so Neumann. Es sei aber gut, „dass die verwaltungsinternen Kontrollmechanismen anscheinend gewirkt haben und der Vorgang bemerkt worden ist und nun geprüft wird“.
Von der Verwaltung erwarten die Grünen, dass sie in der nächsten Sitzung des Rechnungsprüfungsausschusses „den gesamten Vorgang sowie notwendige Konsequenzen darstellt und erläutert“. In diesem Zusammenhang werde man sich auch die Regelungen der Nebentätigkeitsverordnung noch einmal vorstellen und auf eventuelle Lücken prüfen lassen. Neumann: „Bis zur endgültigen Klärung sollte der entsprechende Mitarbeiter vom Dienst freigestellt bleiben.“
CDU: Lückenlose Aufklärung
Auch die CDU-Fraktion erwartet „eine lückenlose Aufklärung“ der bekannt gewordenen Vorwürfe und einen Bericht der Verwaltung zu dem Fall in den zuständigen Ausschüssen für Kinder, Jugend und Familie sowie im Rechnungsprüfungsausschuss, sagt Fraktionschef Dr. Jendrik Suck: „Gerade vor dem Hintergrund des zurückliegenden Falls aus dem Jahr 2013 erwarten wir eine größtmögliche Sensibilität für entsprechende Vorwürfe innerhalb der Verwaltung. Sollte die Verwaltung nicht von sich aus die Politik entsprechend informieren, werden wir die Verwaltung zu einer entsprechenden Berichterstattung auffordern.“
FDP: Kein Kavaliersdelikt
Das will Antje Joest, für die Fraktion FDP/Bürgerliste in beiden zuständigen Ausschüssen, auf jeden Fall tun: „Städtisches Geld ist unser aller Geld – daher ist der vorliegende Fall kein Kavaliersdelikt.“ Der Fall müsse zur Anzeige gebracht werden, fordert sie. „Es ist gut, dass die internen Kontrollsysteme funktioniert haben. Doch warum haben die Leitungen der Einrichtungen die Vermengung von Amt und privaten Geschäften nicht sofort gemeldet? Wir brauchen eine Überprüfung der Prozesse und eine Sonderprüfung im Jugendamt.“ Ob es sich um ein kriminelles Vorgehen handelt, müsse die Staatsanwaltschaft herausarbeiten.
Linke+: Dienst- und Strafrecht
Wenn sich der Verdacht der Vorteilsannahme erhärte, so Utz Kowalewski, Fraktionschef von Linke+, „stehen dienst- und strafrechtliche Maßnahmen an.“
Die Fraktion: Filz wieder da
Olaf Schlösser, Vorsitzender von Die Fraktion der Satire-Partei „Die Partei“, kommentiert den Fall in seiner üblichen ironischen Art: „Hurra, der alte Filz ist wieder da! Neben Korruption in der EDG nun Vorteilsnahme, beziehungsweise Amigo-Affäre im Jugendamt.“ Das sei anscheinend „nur da möglich, wo jeder Cent Ausgabe mehrfach geprüft werden muss“. Sollte der Vorgang sich so bestätigen, frage man sich schon, „wieso eine einfache E-Mail mit einer Aufforderung reicht, um Bestellungen von Jugendeinrichtungen auszulösen“, verbunden mit der Frage: „Wie sicher ist der Spam-Filter?“
Für Schlösser das Schlimmste: „Dieses Geld wird den Kindern und Jugendlichen vorenthalten, also fehlen. Wie kann das akzeptabel für die Leitungen von Jugendeinrichtungen sein?“ Seine Fraktion fordert „eine schonungslose und lückenlose Aufklärung des Vorgangs mit allen rechtlichen Konsequenzen für die Beteiligten. Eventuell stinkt der Fisch schon vom Kopf her.“
AfD: Fehlende Anzeige irritiert
Nach Meinung von Heiner Garbe, Fraktionsvorsitzender der AfD, ist der Fall dienstrechtlich und strafrechtlich zu verfolgen, wenn sich die schwerwiegenden Vorwürfe erhärten sollten und der eingetretene Schaden abgeschätzt werden könne. Es sei allerdings irritierend, dass der Fall bereits lange bekannt war, aber bisher weder ein aussagekräftiges Prüfergebnis noch eine Anzeige vorliegen.“
Wie schon für die Grünen ergibt sich auch für die AfD in dem Gesamtzusammenhang die grundsätzliche Frage, wie sich die Genehmigungen für Nebentätigkeiten in den einzelnen Ämtern entwickelt haben. Garbe: „Grundsätzlich dürfen sicher keine Nebentätigkeiten genehmigt werden, bei der die Nebentätigkeiten in fachlicher Nähe zu der jeweiligen Beschäftigung bei der Stadtverwaltung stehen.“
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