Seit bereits 18 Jahren kämpft Monika Hohmann als Sprecherin des Mieterbeirats für die Rechte der vielen Vonovia-Mieter in ihrem Stadtteil Westerfilde. Jetzt hat die 73-Jährige selbst von dem Wohnungsunternehmen ein Schreiben mit Mietforderungen erhalten, das sie fassungslos macht. 84,17 Euro mehr Miete sollte sie ab April monatlich mehr bezahlen - mitunter wegen kurioser Zuschläge. Von einigen hat Vonovia inzwischen wieder Abstand genommen.
„Ich wohne seit 1980 in dieser Wohnung und soll plötzlich für den Waschmaschinenanschluss und -stellplatz im Bad extra bezahlen. Und auch ein ‚aufwändig gestaltetes Wohnumfeld‘, wie es heißt, wird jetzt berechnet. Dabei war das Wohnumfeld hier vorher desolat. Eine Verschönerung war nach 50 Jahren auch dringend nötig“, sagt Monika Hohmann.
Sie zeigt einen Brief von Vonovia mit den Informationen zur anstehenden Mietanpassung. „Uns ist es wichtig, dass sie gerne bei uns wohnen. Deshalb gehen wir mit Mietanpassungen behutsam um“, heißt es da zu Beginn. Dann aber werden unter anderem noch Zuschläge für ein modernisiertes Bad, für manuell bedienbare Rollläden und für eine offene Küche aufgeführt. Die Miete sollte damit für Monika Hohmann um 0,78 Cent pro Quadratmeter von 6,29 Euro auf 7,07 Euro steigen. „Die Badsanierung hat größtenteils die Pflegeversicherung bezahlt, die Rollläden wurden nach einem Einbruch von der Versicherung bezahlt und eine offene Küche habe ich gar nicht. Diese Fantasiezuschläge lasse ich mir nicht bieten“, sagte Monika Hohmann sofort und machte gegenüber Vonovia deutlich, dass sie die notwendige Zustimmungserklärung für die Mieterhöhung nicht unterschreiben werde.
Vonovia entschuldigt sich
Vonovia reagierte inzwischen. Die Zuschläge für die Baderneuerung, die Rollläden und die offene Küche wurden wieder gestrichen. „Wir (...) bitten dieses Versehen zu entschuldigen“, erklärte das Wohnungsunternehmen, das mit rund 20.000 Wohnungen der größte Vermieter in Dortmund ist. Die Erhöhung der monatlichen Grundmiete betrage nur noch 70,43 Euro im Monat. Der Quadratmeterpreis liege damit nicht mehr bei 7,07 Euro, sondern bei 6,71 Euro.

„Auch diese Miete liegt immer noch über der ortsüblichen Vergleichsmiete von 6,30 Euro“, sagt Markus Roeser vom Mieterverein Dortmund, den Monika Hohmann über die neuen Mietforderungen von Vonovia informiert hat. Dem Mieterverein liegen bereits etliche Beschwerden vor. „Der Aufschrei ist groß und wird gerade immer größer“, sagt Markus Roeser. So groß, dass der Mieterverein demnächst in Sonderveranstaltungen seine Mitglieder informieren und ihnen die notwendigen mietrechtlichen Tipps geben möchte.

„In sehr vielen dem Mieterverein vorliegenden Mieterhöhungen nimmt Vonovia zusätzlich zu den bereits im Mietspiegel vorhandenen Zuschlägen unplausible und nicht nachvollziehbare Einordnungen oberhalb des Mittelwerts vor. So soll ein Mieter in der südlichen Innenstadt im Neubau (Baujahr 2017) für einen Handtuchheizkörper 0,25 €/m² (knapp 14 €/Monat) mehr zahlen“, sagt der wohnungspolitische Sprecher Markus Roeser. Zuschläge für einen Waschmaschinenanschluss oder einen Handtuchheizkörper in Höhe von jeweils bis zu 10 Euro im Monat tauchten mehrfach auf. „Dabei“, so Markus Roeser, „kosten ein Wasseranschluss etwa 120 und ein Handtuchheizkörper etwa 300 Euro. Dafür Zuschläge von bis zu 10 Euro im Monat zu verlangen, halten wir für rechtlich fragwürdig.“
Vonovia führt Mietspiegel an
In Huckarde soll Vonovia in einer dem Mieterverein bekannten Mietanpassung einen Zuschlag in Höhe von 9 Cent pro Quadratmeter für einen „Bevorzugten Stadtteil“ verlangen. Dies decke sich nicht mit einer Erhebung für den Mietspiegel, an dem Vonovia ja selbst mitarbeite. Die Erhebung sehe Zuschläge wegen der Lage beispielsweise für die Innenstadt, aber nicht für Huckarde vor, sagt Markus Roeser. Und Rechtsanwalt Martin Grebe vom Mieterverein stellt fest: „Wir haben einen Vergleich mit Zuschlägen vorgenommen, die der Mietspiegel vorsieht. Diese stützen sich auf die Erhebung und Auswertung der tatsächlichen Mieten. Dieser Vergleich zeigt, dass sehr viele der von Vonovia verlangten neuen Zuschläge nicht plausibel sind.“
Vonovia widerspricht. „Wir unterstützen den Mietspiegel in Dortmund, der auch Zu- und Abschläge vorsieht und haben gemeinsam mit Vertretern von Stadt und Mieterverein an seiner Erstellung mitgearbeitet. Er ist unser Maßstab für die Ermittlung der Miethöhe bei Vonovia“, teilt das Unternehmen auf Anfrage unserer Redaktion mit. Weiter heißt es zu den Mieterhöhungsankündigungen, die „in einem Teil unserer Dortmunder Wohnungen verschickt“ wurden: „Zur Anwendung des Mietspiegels gehören weitere Regelungen, die dabei helfen, einzelne Wohnungen individuell zu bewerten. Dabei können im Übrigen auch Wertminderungen herauskommen. Es kommt hierbei auch vor, dass Mieterinnen und Mieter für ein Merkmal viele Jahre keine Zuschläge zahlen mussten. Damit ist der Zuschlag aber nicht falsch.“ Man freue sich, wenn Mieter den Kontakt zu Vonovia suchen. „Wir tauschen uns gern mit unseren Mietern aus und freuen uns, wenn der Mieterverein die Anfragen bündelt.“
So entspannt geht man beim Mieterverein nicht mit der Geschäftspraxis von Vonovia um. Man fordert dringend dazu auf, davon abzurücken. „Das führt nur zu Unsicherheit auf beiden Seiten, weil Mieter auch Substandards in ihren Wohnungen anführen können. Es kann zu Hunderten Verfahren kommen. Deshalb sagen wir zu Vonovia: Lasst das!“, sagt Markus Roeser und ergänzt: „Der Mietspiegel ist eigentlich dafür gedacht, Gerichtsverfahren und Streit um die angemessene Miete zu verhindern. Vonovia provoziert Unsicherheit, um die Erlöse zu steigern.“
Vonovia „braucht Geld“
Dr. Maximilian Fuhrmann vom Deutschen Mieterbund erklärt die „Fantasiezuschläge“ damit, dass Vonovia in einer wirtschaftlich schwierigen Lage sei. „Das liegt an der Übernahme der Deutschen Wohnen. Das hat den Verschuldungsgrad von Vonovia in die Höhe getrieben. Aktuell liegt er bei 46 Prozent. Vonovia braucht also Geld. Dafür werden Wohnwert steigernde Dinge erfunden. Schon 2023 hat Vonovia die höchste Mietsteigerung in der Geschichte des Konzerns vorgenommen.“

Der Mieterverein empfiehlt, die Mieterhöhung von Vonovia gründlich zu überprüfen. „Dafür haben Mieterinnen und Mieter zwei Monate Zeit. Einmal zugestimmt, kann dies auch bei einer falschen Mieterhöhung nicht mehr korrigiert werden. Den zusätzlichen Einordnungen in die Mietpreisspanne sollte qualifiziert widersprochen werden. Möglich wäre auch, dass es Gründe gibt, dass sogar Abschläge denkbar wären. Wir empfehlen hierfür eine rechtliche Beratung“, erläutert Martin Grebe. Grundsätzlich verweist der Mietrechtsexperte zum Beispiel auf die Kappungsgrenze. „Es gilt die Grenze von noch 20 Prozent, um die die Mieten in Dortmund innerhalb von drei Jahren maximal erhöht werden dürfen.“
Monika Hohmann, die von ihrer Rente demnächst 525,06 Euro statt bisher 454,63 Euro Miete zahlen soll, will, obwohl sie in über 40 Jahren mit Vonovia „immer ganz gut klargekommen“ ist, weiter gegen diese Mieterhöhung kämpfen. Sie sagt mit Blick auf die Zuschläge etwa für den Waschmaschinenanschluss oder das Wohnumfeld: „Solche Fantasierechnungen ärgern mich. Ich werde mir weitere Schritte vorbehalten. Notfalls gehe ich vor Gericht.“
Eine Sammelklage aller betroffenen Mieter sei leider nicht möglich, erklärt Experte Martin Grebe: „Mieter müssen aktiv einer Mieterhöhung zustimmen. Tut ein Mieter das nicht, muss er sich verklagen lassen.“
Infos und Beratung beim Mieterverein Dortmund
- Mitglieder des Mietervereins, die ihre Mieterhöhung überprüfen lassen möchten, senden ihre Mieterhöhung und ihren Mietvertrag in Kopie per Post oder E-Mail (pdf) an info@mvdo.de oder geben die Unterlagen in der Geschäftsstelle, Kampstraße 4, in der Dortmunder Innenstadt ab. Dann erfolgt eine Rückmeldung zum weiteren Vorgehen.
- Eine Beratung ist auch für Neumitglieder des Mietervereins sofort möglich.
- Der neue Mietspiegel und der Ratgeber „Mieterhöhung“ sind kostenlos in der Geschäftsstelle, Kampstraße 4, 44137 Dortmund, erhältlich und abrufbar unter: http://www.mietspiegel-dortmund.de