1968 wurde das Freizeitzentrum West am Neuen Graben 167 eröffnet. 2009 wurde das Gebäude abgerissen. © Dan Laryea

Fotos zeigen 50 Jahre FZW

Vom Jugendzentrum zur Konzerthalle

Das FZW ist heute ein bedeutender Ort für Live-Musik in Dortmund. Vor 50 Jahren war es vor allem ein Treffpunkt für Jugendliche. In diesem halben Jahrhundert hat sich viel geändert. Nur eines nicht: Das FZW war immer Vorreiter.

Dortmund

, 19.03.2018 / Lesedauer: 7 min

Auf seinem Handy hat Paul Baranowski ein Foto von dem Flyer, der vor 50 Jahren die Eröffnung des neuen Freizeitzentrums West (FZW) ankündigte. Als „Haus der offenen Tür“ wurde sie betitelt, diese neue Einrichtung des Jugendamts der Stadt Dortmund.

Es war ein Mittwoch, der 17. Januar 1968, so steht es in schnörkellosen Lettern auf weißem Grund, als das Freizeitzentrum West am Neuen Graben 167 an die Bevölkerung übergeben wurde.

Dieser Flyer kündigte die Eröffnung des FZW 1968 an. © Jana Klüh

Zwei Tage später war die Eröffnung für Kinder und Jugendliche. Paul Baranowski kam zehn Jahre später dazu. Er blieb bis zum Schluss. Dem Schluss am Neuen Graben.

"Ein Kinder der 68er"

„Das FZW“, sagt er, „war ein Kind der 68er“. Einer Zeit, in der Kinder mehr denn je gegen ihre Eltern rebellierten, in der sie Vieles sein wollten, aber nicht wie Mama und Papa. Es entstanden viele Jugendzentren, Zufluchtsorte für die jungen Menschen.

In Dortmund baute die Stadt dieses Zentrum am Neuen Graben / Ecke Kuithanstraße am Rande des Kreuzviertels. Damals war es längst nicht so ein szeniges Viertel wie heute, hier wohnten Arbeiter, Angestellte.

Viele Experimente

„Es war ein Luxus-Freizeitzentrum“, sagt Paul Baranowski. Es gab eine Kegelbahn, ein Mini-Kino, einen Minigolfplatz. Jugendliche konnten hier Kickern, Kurse besuchen, Freunde treffen.

Das Eingangsschild des FZW. © Stephan Schütze

Das Jugendamt betreute die Einrichtung. „Die Pädagogen haben damals sehr viel experimentiert“, sagt Baranowski. Aber es habe immer wieder Gruppen gegeben, die Probleme machten, die ins FZW kamen, aber sich nicht eingliedern wollten. Als er 1978 zum FZW kam, stand das Haus unter Polizeischutz.

Ein Neuanfang

Paul Baranowski und sein Team entschieden sich für einen Neuanfang. „Wir haben Schritt für Schritt das FZW zu einem Kulturzentrum umfunktioniert“, sagt Baranowski. Lokale Bands gaben erste kleine Konzerte. Tagsüber gab’s Kinderangebote, abends Live-Musik.

Junge Bands konnten im FZW proben und auftreten. © Stephan Schütze

Und auch wenn manche versuchten, mit Eiern die Konzerte zu verhindern: Nach und nach gingen die Probleme. Das FZW wurde zu einem Veranstaltungsort, der über Dortmund hinaus Bekanntheit erlangen sollte.

Das erste Festival

Wir haben damals gemerkt, dass traditionelle Arbeit im Jugendheim nicht mehr das ist, was noch gefragt ist“, sagt Uli Schmitz, der erste Booker im FZW.

1983 stieg Manfred Tari als Programmplaner mit ein, organisierte Konzerte. Im Dezember 1984 lief das erste Festival: No Dance. Zwei Tage, 5 DM Eintritt. Die Short Romans traten auf, The Beauty Concerts, Freunde der Nacht, Die Mimmi‘s.

Das staubige Dortmund

Ein halbes Jahr später feierte die Reihe Dusty Dortmund Premiere. „Wir wollten sie eigentlich Dirty Dortmund nennen“, sagt Manfred Tari und lacht. Aus dem dreckigen Dortmund wurde das staubige Dortmund. Das FZW war ja schließlich immer noch eine Jugendeinrichtung. Diese Konzerte brachten Alternative, Punkrock und New Wave ins FZW. „Das sind Pionierzeiten gewesen“, sagt Tari heute.

Es wurde mächtig abgerockt. © Uli Schmitz

Es muss in dieser Zeit gewesen sein, als Carsten Helmich zum ersten Mal im FZW auflegte. Seine Schwester, erzählt Helmich, habe hinter der Theke gearbeitet. So erfuhr er von den Konzerten, ging mit seinem Freund Ingo Sänger dorthin. Als das Elektro-Wave-Projekt The Invincible Spirit zu Gast war, durften die beiden vorher Musik mit Kassetten machen. „Das war toll. Wir waren echt stolz“, sagt Helmich.

Absage an Nirvana

Manfred Tari blieb bis 1989 im FZW. Er holte viele Bands an den Neuen Graben. Nur eine nicht. „Ich habe damals Nirvana abgelehnt“, sagt Tari. Warum genau, das wisse er heute nicht mehr. „Irgendwas war“, sagt er. „Zu teuer oder sie haben mir nicht gefallen.“

1988 gründete sich der Verein für unabhängige Kultur (VUK), der im FZW von da an die allermeisten Konzerte veranstaltete. „Ein Konstrukt, um sich von den den Zwängen der Stadt frei zu strampeln“, sagt Uli Schmitz.

Denn die Stadt habe immer ein Auge auf die Einrichtung am Neuen Graben gehabt, es war ja schließlich ihre eigene.

Eine Chance für junge Bands

Der VUK war zugleich Anlaufstelle für junge Bands, die Auftrittsmöglichkeiten suchten. „Wir haben etliche Tapes gesichtet“, sagt Uli Schmitz. War eine Band gut, durfte sie im FZW auftreten.

Das FZW war in vielen Dingen Vorreiter. Mitte der 80er stieg das erste Open Air der Stadt: Heißzeit. „Ich hab mir damals den Arsch abgefroren, weil ich auf der Bühne pennen mussten, weil wir nicht an eine Nachtwache gedacht haben“, sagt Manfred Tari. „Wir haben das Geschäft von der Pike auf gelernt.“ Später folgte der Westend-Sommer, bei dem Seeed, Gentleman und Ferris MC dabei waren.

Beim Westend-Sommer wurde im angrenzenden Tremonia-Park gefeiert. © RN-Archiv

Ein legendäres Manowar-Konzert

Als der Hardcore modern wurde, traten hier Sternstundenbands der harten Musik auf, Surgery und Helmet zum Beispiel. Als der deutsche Hip-Hop groß wurde, kam zum Beispiel Die Firma. Mitte der 90er spielte die Metal-Band Manowar ein Konzert vor 1000 Leuten. MTV übertrug.

Und auch der Fußball – wir sind hier in Dortmund – spielte eine Rolle: „Wir waren die ersten, die auf Großbildleinwand Fußball gezeigt haben“, sagt Baranowski. Jürgen Kohler feierte hier seine Abschiedsparty.

Die Keimzelle des Juicy Beats

Es war 1995, als Carsten Helmich vom Studium in Trier zurück nach Dortmund kam. „Über ein paar Ecken habe ich gehört, dass jemand für den Clubbereich im FZW gesucht wurde.“ Aus der alten Teestube sollte eine Disco werden.

Carsten Helmich legte im Club Trinidad auf und machte später auch die Programmplanung. © Stephan Schütze

Im Januar 1996 eröffnete der Club Trinidad. Helmich legte auf, House. Der erste Abend war ausverkauft. Weil der Club keine Lüftung hatte, musste er im Sommer schließen. Also verlegte Helmich seine Party nach draußen, unter das Sonnensegel im Westfalenpark. Es war der Beginn des Juicy-Beats-Festivals.

Die Heimat der Subkultur

Das FZW, sagt Paul Baranowski, sei die Heimat der Subkultur gewesen. „Es war eine Marke, die Bands wollten hier unbedingt spielen“, sagt Uli Schmitz. „Die Innovation stand immer im Vordergrund.“

Die Chefs 2006 hinter der Theke: Paul Baranowski (r.) war FZW-Leiter, Volker Gänz sein Stellvertreter. © Aloys Reminghorst

Die Konzerte und Partys, die wachsende Bedeutung des FZW, das gefiel nicht allen. Viele Nachbarn beschwerten sich über Ruhestörungen. Schließlich lag das FZW mitten in einem Wohnviertel. Zudem war das einst so moderne Gebäude baufällig geworden. 2006, kurz vor der WM, wurde die Schankerlaubnis kurzzeitig wegen baulicher Mängel entzogen.

Die Suche nach einem neuen Standort

In den 2000ern begann die Suche nach einem neuen Standort. Sie sollte sehr lange dauern. Etliche Orte waren im Gespräch – bis man auf ein ehemaliges Autohaus an der Ritterstraße, im Schatten des U-Turms stieß. Zunächst hatte dieses umgebaut werden sollen, dann entschied sich die Stadt für einen Neubau.

Die Bauarbeiten zum neuen FZW. © Dan Laryea

2008 begannen die Bauarbeiten. Ende Februar 2009, 41 Jahre nach der Eröffnung, feierte das alte FZW drei Tage lang Abschied – mit einem Metal-Festival und einem "300:10"-Festival, bei dem zehn Bands aus dem Raum Dortmund auftraten. Am letzten Abend, bevor der Vorhang am Neuen Graben für immer fiel, spielte unter anderem die Punk-Rock-Band Muff Potter.

Die Neueröffnung

Sieben Monate später, am 11. September, stand sie wieder auf der Bühne des FZW. Dieses Mal allerdings an der Ritterstraße. Zur Eröffnung des neuen Standorts. 

Das neue FZW liegt im Schatten des U-Turms an der Ritterstraße. © Dieter Menne

Das neue FZW, mehr ein Zweckbau als ein Schmuckstück, hat Platz für 1300 Gäste in der großen Halle, 300 im Club. Dazu die große Bar und ein Biergarten. Am alten Standort passten nur 400 Leute rein. Dort rollten ebenfalls die Bagger an. Das alte FZW-Gebäude wurde abgerissen. Der Spar- und Bauverein baute dort seniorengerechte Wohnungen.

Schwierige Zeiten

Mehr als 10.000 Besucher kamen in den ersten vier Wochen nach der Eröffnung in das neue FZW. Bands wie Culcha Candela, One Republic und Fanta Vier (letzte gleich drei Tage) treten in der neunen Konzerthalle auf.

Dieser Inhalt kann hier nicht dargestellt werden. Bitte besuchen Sie unsere Website um den vollständigen Artikel zu lesen.

Doch ab Anfang 2010 kamen trotzdem schwierige Zeiten. Es gab unter anderem Ärger wegen einer zu teuren Licht- und Tonanlage und Streit um die inhaltliche Ausrichtung und die Jugendkulturarbeit. Die Stadt wollte sich aus dem FZW zurückziehen, die AWO übernahm bereits 2005 die Trägerschaft. Es wurde aber nicht lange etwas daraus. 2010 löste sich auch der Verein für unabhängige Kultur auf. Irgendwann entschied man sich für die Privatisierung.

Die Panurama GmbH, die auch die Gastronomie im U-Turm macht, stieg Anfang 2011 ein. Der Großteil des Personals wurde damals übernommen. Heute hat das FZW vier Festangestellte im Programmbereich und zwei in der Gastronomie, dazu viele Aushilfen.

Der drittbeste Club Deutschlands

Nach einem Jahr der Ungewissheit etablierte sich das FZW, das jetzt nicht mehr Freizeitzentrum West hieß, sondern nur FZW, wieder zu einem der wichtigsten Konzertorte der Region. 2016 haben die Leser des Musikmagazins „Musikexpress“ das FZW zum drittbesten Club Deutschlands gewählt.

Dieser Inhalt kann hier nicht dargestellt werden. Bitte besuchen Sie unsere Website um den vollständigen Artikel zu lesen.

Cro, Kraftklub, Andreas Bourani, Marteria, Mark Forster, die Beatsteaks, Lena Meyer-Landrut, Phoenix, Casper – sie alle waren seitdem hier, bevor sie die großen Hallen füllten. "Wir leisten hier die Vorarbeit", sagt Programmplaner Volker May.

Weiterhin Sprungbrett für junge Bands

Gleichzeitig haben junge Bands hier nach wie vor eine Plattform. Das liegt dem Team um Volker May sehr am Herzen. So ist das FZW unter anderem Teil des von der EU geförderten Live-Europe-Programms, bei dem junge europäische Bands auftreten. Knapp 300 Termine stehen insgesamt jedes Jahr im FZW-Kalender.

Das FZW 2018: Vor Konzerten stehen die Besucher Schlange an der Ritterstraße. © Dieter Menne

Und so einige legendäre Konzerte sind auch in den vergleichsweise kurzen neun Jahren am neuen Standort gefeiert worden. Volker May erinnert sich zum Beispiel an den Auftritt der Stoner-Rock-Band Kyuss Lives im August 2011. "Die Band sollte nicht ganz unproblematisch sein", sagt May. "Aber das war sie gar nicht. Es war eine unglaubliche Energie auf der Bühne und eines der besten Konzerte, die ich hier gesehen habe."

Spannende Formate

Zur Einslive-Party "Eine Nacht in Dortmund" kamen 2012 Gossip und The Hives. Es sei schön zu sehen, wie sich einige Bands über die Jahre entwickeln, sagt Booker Uli Künneke. Die Band Russian Circles etwa habe ganz klein im FZW-Club angefangen, "heute machen sie die Halle gut voll."

Das Way-Back-When-Festival hat sich im FZW etabliert. © Oliver Schaper

Formate wie die Indie-Night, bei der jeweils drei ganz junge Bands auftreten, sind sehr spannend. "Die Leute kennen die Bands nicht, aber sie kommen trotzdem, weil sie das Konzept gut finden", sagt Felix Japes, der ebenfalls zum Programmplaner-Team gehört. Festivals wie das Way Back When, Youth Brigade, Spastic Fantastic und Reggaeville haben sich über Jahre etabliert. Seit der Eröffnung der Phoenixhalle in Hörde veranstaltet das FZW auch dort Konzerte. Denn dort ist Platz für fast dreimal so viele Gäste wie an der Ritterstraße.

"Immer besser werden"

Das Niveau halten, weiterhin so viele verschiedene Konzerte anbieten können, das sind die Pläne, die Volker May und sein Team für die Zukunft haben.

Dieser Inhalt kann hier nicht dargestellt werden. Bitte besuchen Sie unsere Website um den vollständigen Artikel zu lesen.

"Wir wollen immer besser werden", sagt er. "Jahrelang sind die Leute es gewohnt gewesen, nach Köln zu fahren, um ein Konzert zu sehen." Das sollen sie, wenn es nach ihm geht, nicht mehr müssen.

Ein Treffpunkt der Jugend

Ein Jugendzentrum ist das FZW 50 Jahre nach der Eröffnung nicht mehr. Das Jugendamt unterstützt aber weiterhin Veranstaltungen, wie den Poetry-Slam und das Bierschinken- und Etepetete-Festival. Und ein Treffpunkt für junge Menschen ist es nach wie vor. Jugendkultur, sagt Paul Baranowski, ende doch schließlich nicht mit dem 18. Geburtstag.

Vielen Dank für Ihr Interesse an einem Artikel unseres Premium-Angebots. Bitte registrieren Sie sich kurz kostenfrei, um ihn vollständig lesen zu können.

Jetzt kostenfrei registrieren

Einfach Zugang freischalten und weiterlesen

Werden auch Sie RN+ Mitglied!

Entdecken Sie jetzt das Abo, das zu Ihnen passt. Jederzeit kündbar. Inklusive Newsletter.

Bitte bestätigen Sie Ihre Registrierung

Bitte bestätigen Sie Ihre Registrierung durch Klick auf den Link in der E-Mail, um weiterlesen zu können.
Prüfen Sie ggf. auch Ihren Spam-Ordner.

E-Mail erneut senden

Einfach Zugang freischalten und weiterlesen

Werden auch Sie RN+ Mitglied!

Entdecken Sie jetzt das Abo, das zu Ihnen passt. Jederzeit kündbar. Inklusive Newsletter.

Sie sind bereits RN+ Abonnent?
Jetzt einloggen