Vio (26) will mehr als eine „Freundschaft Plus“ Was kann sie jetzt tun, Birthe Kottmann?

Von Birthe Kottmann
Vio (26) will mehr als eine „Freundschaft Plus“: Was kann sie jetzt tun, Birthe Kottmann?
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Vio ist 26 Jahre alt und seit circa zwei Jahren in einer „Freundschaft Plus“ mit einer Frau. Diese Frau hat neben Vio manchmal noch andere Partnerinnen. Vio ist jedoch schon lange Zeit sehr verliebt in sie und wünscht sich eine feste Beziehung und das Bekenntnis zu einer monogamen Partnerschaft. Die andere Frau kann und will sich aber zurzeit nicht darauf einlassen.

Ein Phänomen, das ich häufiger erleben: Viele Alleinstehende und Singles, die in meine Praxis kommen, haben das Thema, dass zum Beispiel eine „Freundschaft Plus“ oder eine Affäre nicht in etwas Festes, etwas Exklusives übergeht. Diese Menschen, begleite ich immer in dem Prozess, die eigenen Bedürfnisse besser kennenzulernen, und vor allem: auch eigene die Grenzen zu spüren!

Meistens ist es so, dass sich Menschen, die lange in einer solchen Konstellation bleiben, mit dem (oft geheimen) Wunsch, dieser lockere Schwebezustand möge sich ändern, in einer permanenten „Überanpassung“ dem oder der anderen gegenüber befinden.

„Was würden Sie ihrer besten Freundin raten?“

Der Prozess, in dem ich Vio begleite, hat das Ziel, dass sie mehr bei sich bleibt, und ihre Bedürfnisse und Wünsche zuallererst besser spürt und allmählich lernt, das der anderen Frau gegenüber auch zu kommunizieren. Diese Veränderung begleite ich immer wieder durch Fragen wie: „Was würden Sie ihrer besten Freundin in dieser Situation raten?“

Oder: „Wenn sie ihre eigene Beraterin wären, was würden Sie sich dann selbst raten?“ Diesen Prozess führe ich häufig in der Praxis mit einem Stuhlwechsel durch. Das heißt Vio setzt sich in der Rolle ihrer eigenen Beraterin auf einen anderen Stuhl (oder meinen, wenn sie mag) und gibt sich selbst von Außen den Impuls, den sie vielleicht ohne den Positions- und Rollenwechsel gar nicht gespürt hätte.

Raus aus dem Hamsterrad

Diese Übung ist sehr hilfreich, da sie so gedanklich „aus dem Hamsterrad heraustreten“ kann, und hier die angemessene (!) Botschaft des Verhaltens bekommt, die sie emotional verstrickt gar nicht so spüren oder wahrnehmen kann. So lässt sich die Information des Verstandes auf einmal klar abrufen! Und manchmal braucht es genau solch eine Klarheit, um gut für sich sorgen und einstehen zu können.

Vio ist derzeit noch mitten in ihrem Prozess, schafft es aber bereits gelegentlich, sich besser abzugrenzen und nicht alles mitzumachen, was ihre Freundschaft-Plus-Partnerin sich wünscht.

In der letzten Sitzung berichtete sie, dass sie der Frau nun endlich gesagt habe, dass sie sich eine feste und monogame Beziehung wünscht. Ich bin gespannt, wie es sich zwischen den beiden weiter entwickelt. Denn: Ist erst einmal ausgesprochen, was das Bedürfnis eines Menschen ist, ist es meistens schwierig, den Status Quo noch lange aufrechtzuerhalten.

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Birthe Kottmann ist systemische Einzel,- Paar- und Familientherapeutin in freier Praxis in Dortmund. Der Schwerpunkt ihrer therapeutischen Arbeit liegt darin, Menschen dabei zu begleiten, ihre Muster und Prägungen zu verstehen, zu reflektieren und sich dann so entwickeln, dass sie erkennen, was ihre eigenen Bedürfnisse, Wünsche und vor allem ihre eigenen Grenzen sind. Dabei zeigen sich häufig frühe Bindungs- und Entwicklungsthemen, die uns zu dem Menschen machen, der oder die wir heute sind. In ihrer Kolumne gibt sie Alleinstehenden und Singles Tipps, wie man mit Einsamkeit, Stress erzeugenden und übergriffigen Kommentaren und den Erwartungen der Gesellschaft, nun endlich doch den oder die Richtige zu finden, umgeht. Mehr Infos und Kontakt unter www.birthekottmann.de. Alle Folgen unserer Kolumne „Beziehungsweise“ finden Sie hier.