Ein Jahr Leben in Dortmund Geschlossene Geschäfte am Sonntag waren für sie eine Überraschung

Familie aus der Ukraine lebt seit einem Jahr in Dortmund: So haben sie sich eingelebt
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Seit dem 7. März 2022 ist Anna Shevchenko (45) mit ihren Kindern Olexandra (20) und Arina (7), sowie ihrer Zwillingsschwester Iryna (45) und ihrer Mutter Maryna Yudina (69) in Dortmund. Anfangs wohnten sie bei ihrer Bekannten Olga Winkler. Diese ist selbst in den 1990er-Jahren aus der Ukraine nach Dortmund ausgewandert. Seit Juli letzten Jahres haben Anna und ihre zwei Töchter jedoch eine eigene Wohnung in Scharnhorst. Auf drei Zimmern lebt die kleine Familie zusammen.

Anna und ihre Schwester Iryna tun viel, um sich in Deutschland zu integrieren. „Die beiden Frauen haben vor kurzem die Sprachprüfung für ihren Deutschkurs abgelegt und warten jetzt auf die Ergebnisse“, erzählt Winkler. Sie dient den Zwillingsschwestern aktuell noch als Dolmetscherin. Auch wenn beide bereits die deutsche Sprache zumindest im Alltag schon gut verstehen. Die Sprachkurse sind laut Winkler extrem wichtig für die Frauen. „Sie wollen beide arbeiten gehen. Beide haben in der Ukraine eine Ausbildung zur Krankenschwester gemacht. Doch auf dem Arbeitsamt wurde beiden geraten, erst mal den Sprachkurs zu absolvieren, um sich dann auf dem Arbeitsmarkt umzusehen“, sagt Winkler.

Doch dafür muss eben erst mal die Sprache grundlegend gelernt werden. „Es ist ja utopisch zu glauben, dass man nach einem Jahr Sprachkurs die Sprache so beherrscht. Auch als Krankenschwester muss man eben erstmal die Sprache beherrschen“, erzählt Winkler.

Männer sind in Ukraine geblieben

Und so müssen die Frauen zumindest noch auf ihre Ergebnisse der Sprachprüfung warten, bis sie womöglich wieder dem Job nachgehen können, den sie in der Heimat gelernt haben. In dieser Heimat geblieben sind auch die Männer von Anna und Iryna sowie der Freund der 20-jährigen Olexandra. Sie telefonieren jeden Tag mit ihren Liebsten in der Heimat.

Die Männer leben in der Ostukraine. „Es gibt keine Arbeit, es gibt kein Geld und man muss jeden Tag mit einem Fliegeralarm rechnen. Wenn die Infrastruktur beschädigt wird, kann es sein, dass man drei oder vier Tage keinen Strom hat“, erzählt Anna auf ukrainisch. Olga übersetzt für sie. Doch die Männer haben nach einem Jahr gelernt, kreativ zu werden. „Wenn es mal keinen Strom gibt, dann erzeugen sie Strom über das Auto“, ergänzt Iryna ebenfalls in ihrer Muttersprache.

Unterschiede zur Heimat

Wann sie zurück in ihre Heimat und zu ihren Männern können, das wissen sie nicht. „Jeder dachte, dass der Krieg nach einem Jahr vorbei sein würde“, übersetzt Winkler für die beiden Schwestern. Doch so lange leben sie sich in Dortmund ein. Auch wenn hier vieles anders läuft als in der Heimat. „Man wird hier sehr schnell sozial unterstützt. Die Leute, die hier nicht viel haben werden vom Staat aufgefangen“, erzählt Winkler. Auch die Sicherheit spiele eine Rolle. „Man fühlt ich hier sicherer und sozial unterstützt“, übersetzt Winkler für die Zwillinge. Auch für die benötigte Operation und anschließende Reha, die die Mutter der beiden Frauen hier bekommen hat, seien sie sehr dankbar.

Das Haus, in dem die Familie wohnte, ist mittlerweile den Angriffen der russischen Armee zum Opfer gefallen.
Das Haus, in dem die Familie wohnte, ist mittlerweile den Angriffen der russischen Armee zum Opfer gefallen. © Privat

Doch es gibt laut Olga Winkler auch Dinge, die in der Ukraine vor dem Krieg besser liefen als in Deutschland. In der Ukraine gebe es deutlich mehr Ärzte, und man müsse nicht so lange auf einen Termin warten. Auch das Nachtleben und die Geselligkeit seien in der Ukraine deutlich präsenter. „Wenn man in der Ukraine abends rausgeht, dann hört man in den Cafés Livemusik und unterhält sich mit Fremden. Hier weiß man nicht, wohin man abends gehen soll. Es ist alles ein wenig düster und in sich geschlossen“, sagt sie. Auch die geschlossenen Sonntage seien für die Frauen aus der Ukraine ein Schock gewesen. „Sonntags ist hier komplett tote Hose. In der Ukraine gibt es so was nicht, da sind die Geschäfte sogar nachts geöffnet“, sagt Winkler.

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