Vanessa (hinten, l.) und Anna Ruch (r.) vom Pflegedienst Vital Concept24 nehmen mit offenen Armen gestrandete Ukrainerinnen auf.

© Beate Dönnewald

Zuflucht für Gestrandete: Anna Ruch leistet unglaubliche Ukraine-Hilfe

rnUkraine-Krieg

Anna Ruch hat ein großes Herz und bereits vier gestrandete Ukrainerinnen bei sich aufgenommen. „Nebenbei“ organisiert sie mit ihrem Pflegedienst-Team einen gigantischen Hilfstransport.

Mengede

, 03.03.2022, 05:55 Uhr

Von Großherzigkeit zu schreiben, ist an dieser Stelle weder übertrieben noch pathetisch. Denn was Anna Ruch und ihr Pflegedienst-Team aus Dortmund-Mengede in diesen Tagen für die ukrainischen Kriegsopfer leisten, verdient größten Respekt.

„Wir versuchen, so viele Menschen wie möglich in Sicherheit zu bringen“, sagt ihre Tochter Vanessa Ruch, die zum Team des Pflegedienstes „Vital Concept24“ gehört. Vier gestrandete Ukrainerinnen haben sie bereits bei sich aufgenommen. Ganz unbürokratisch, ohne Frage zu stellen. Die Frauen leben in der Wohnung, die zur Firma an der Mengeder Straße gehört. Sie bekommen hier Essen, Kleidung, Trost und Wärme.

„Das sind wir den Menschen schuldig“

„Wenn nötig, stellen wir auch unsere privaten Wohnungen zur Verfügung“, sagt Anna Ruch. „Uns geht es gut, das sind wir den Menschen schuldig“, sagt sie mit Tränen in den Augen.

Ihre aktuellen Schützlinge sind Halina (56), Alla (65), Svetlana (53) und Lidiia (55). Auf ganz unterschiedlichen Wegen sind sie nach Mengede gekommen. Die einen sind vor der russischen Armee in ihrem Land geflüchtet, die anderen konnten wegen des Kriegsausbruchs nicht mehr zurück in die Heimat.

Alla (65) hat große Angst um die Familie ihres Sohnes in Kiew.

Alla (65) hat große Angst um die Familie ihres Sohnes in Kiew. © Beate Dönnewald

Halina (56) ist erst am Mittwochmorgen (2.3.) aus Kiew in Dortmund angekommen. Eine zweitägige Busfahrt liegt hinter hier. Sie ist müde, Erschöpfung und Angst sind ihr ins Gesicht geschrieben. Nur wenige Habseligkeiten konnte sie mitnehmen. Abgesehen von ihren Papieren hat die 56-Jährige nicht viel mehr, als sie an ihrem Körper trägt. „Wir suchen gleich Kleidung für dich“, sagt Anna Ruch und legt den Arm um Halina.

Die 56-Jährige musste ihre Tochter in Kiew zurücklassen. Die 30-Jährige will für ihr Land kämpfen und kocht für die ukrainischen Soldaten. Halina telefoniert so oft es geht mit ihr. „Meine Tochter schläft im Keller. Die Supermärkte in Kiew sind mittlerweile geschlossen“, erzählt sie. Wann sie ihre Tochter wiedersehen wird, ist ungewiss. „Mein Bus war der letzte, der es noch aus Kiew geschafft hat“, berichtet die Physiotherapeutin.

Schlafendes Kind in der Badewanne

Anna Ruch muss sich immer wieder die Tränen aus den Augen wischen, während sie den Frauen zuhört. Als Alla ihr Fotos auf dem Handy zeigt, kann die 50-Jährige ihre Emotionen kaum zurückhalten. Denn eines der Bilder zeigt ein Kind, das in einer Badewanne schläft.

Allas Enkelkind schläft in Kiew in einer Badewanne. Die Familie schützt sich in einem fensterlosen Badezimmer vor den Angriffen der Russen.

Allas Enkelkind schläft in Kiew in einer Badewanne. Die Familie schützt sich in einem fensterlosen Badezimmer vor den Angriffen der Russen. © privat

Es ist Allas Enkelsohn, der sich mit seinen Eltern im fensterlosen Badezimmer vor den Angriffen der Russen schützt. Das ganze Leben der Familie spielt sich hier ab. Hier malt der Sechsjährige, hier informiert sich die Familie mithilfe eines Laptops (der auf der Toilette steht) über die aktuelle Lage in der Ukraine.

Alla war an dem Tag, als die russischen Truppen in die Ukraine einmarschierten, eigentlich auf dem Weg zurück in die Heimat. Denn ihr Einsatz als Betreuerin war beendet. Weil die Firma, die sie vermittelt hatte, ihr nicht helfen konnte, sprang Ania Ruch ein. Zumindest um die Verlängerung des Visums kümmert sich die Vermittlungsfirma.

Lidiia, die nach einem beendeten Arbeitsverhältnis aus Hannover nach Mengede gekommen ist, schildert ihre Geschichte mithilfe eines Übersetzungsprogramms. „Ich mache mir große Sorgen um meine Kinder. In unserer Region gibt es zwei Kernkraftwerke, die Angst vor einem Atomkrieg ist groß“, steht auf dem Handy-Display.

Auch Svetlana, die am Tag des Kriegsausbruchs ebenfalls schon auf dem Heimweg war, zeigt auf ihr Tablet: „Es gibt viele Verwundete. Wir brauchen Erste-Hilfe-Medikamente“ ist darauf zu lesen.

Anna Ruch (l., hier mit Helferin Joanna Walo) ist von der Spendenbereitschaft der Menschen überwältigt. Am Freitag startet ihr Hilfstransport nach Polen.

Anna Ruch (l., hier mit Helferin Joanna Walo) ist von der Spendenbereitschaft der Menschen überwältigt. Am Freitag startet ihr Hilfstransport nach Polen. © Beate Dönnewald

Hilfstransport nach Polen

Sie ist dankbar, dass Anna Ruch mit ihrem Team einen Hilfstransport nach Polen organisiert. Die Spenden sollen nicht nur die geschätzt 400.000 Flüchtlinge dort erreichen, sondern nach Möglichkeit auch über die Grenze in die Ukraine gelangen.

Anna Ruch ist fassungslos angesichts der großen Resonanz auf ihren Spendenaufruf. Ein Transport ist bereits unterwegs, weitere werden sich am Freitag auf den Weg machen.

Hier kann gespendet werden

  • Der Pflegedienst Vital Concept 24, Mengeder Straße 681, nimmt weiterhin Spenden entgegen.
  • Benötigt werden vor allem Hygieneartikel, haltbare Lebensmittel, Babynahrung, Windeln, Medikamente und Verbandsmaterial. Kleidung wird nicht mehr angenommen.
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