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Tull-Villa am Phoenix-See wird zwangsversteigert
Besondere Immobilie
Die Villa neben der Hörder Burg hätte ein Schmuckstück am Phoenix-See sein können und Juwel der Werksgeschichte. Stattdessen entwickelt sie sich zum Schandfleck. Jetzt wird sie versteigert.
Zu einer traurigen Geschichte wird ein nächstes Kapitel geschrieben: Die Tull-Villa am Hörder Burgplatz geht in die Zwangsversteigerung. Die nach dem ehemaligen Werksdirektor der Hermannshütte Ludwig Tull benannte Villa wurde zunächst als Wohnhaus und später bis zur Schließung des Werks als Verwaltungsgebäude genutzt.
Die Gastro-Kette Bar Celona und eine private Musikschule sollten in den geschichtsträchtigen Bau von vermutlich 1869/70 einziehen. Bereits 2015 wurde für den entsprechenden Umbau und die Erweiterung eine Baugenehmigung erteilt.
Für das Café entstand ein aufwendiger halbrunder Anbau mit großer Glasfront, der über den Rohbau-Zustand aber nie hinauskam. Die Bar Celona hat sich längst aus dem Vorhaben herausgezogen.

Hinter dem Bauzaun sammelt sich einiges an Müll, die Fassade bröckelt. © Susanne Riese
Seit 2017 geht es an der ehemaligen Direktoren-Villa nicht mehr voran, sondern nur noch bergab. Hinter dem Bauzaun verfällt das Gebäude zusehends, Scheiben sind zerschlagen, Müll sammelt sich an, die Fassade bröckelt.
Hintergrund sind Streitigkeiten unter den Gesellschaftern, juristische Auseinandersetzungen und das Insolvenzverfahren des Internationalen Konservatoriums, das ein entscheidender Bestandteil des Konzepts war.
„Ein Abbruch der Tull-Villa ist unzulässig“
Das vom Amtsgericht beauftragte Gutachten über den Marktwert der Villa vom Dortmunder Sachverständigenbüro Catrin Rust weist von der Gesamtfläche von rund 1400 Quadratmetern (bei einer Nutzfläche von 1334 qm) 184 für das Konservatorium aus, also nicht einmal 14 Prozent. Insgesamt 410 Quadratmeter sind für Büros vorgesehen und 743 für die Gastronomie.

Auf der Rückseite sind Fenster zerstört, Tauben haben das Gebäude erobert. © Susanne Riese
Das Haus ist Bestandteil des Bodendenkmals Hörder Burg und unterliegt deshalb dem Denkmalschutzgesetz. Und noch eine Beschränkung ist festgehalten: Das Gebäude soll in jedem Fall für den Betrieb eines Konservatoriums inklusive Nebeneinrichtungen genutzt werden.
Weitere Teile können als Café-Restaurant, als Ladenlokal oder als Instrumenten-Werkstatt dienen. „Ein Abbruch der Tull-Villa oder eine Änderung der vereinbarten Nutzungsart ist unzulässig“, heißt es in dem Gutachten. Andere Nutzungen seien nur mit Zustimmung erlaubt.
Verkehrswert für Versteigerung liegt bei 2 Millionen Euro
Wie eng diese sogenannte „beschränkte persönliche Dienstbarkeit“ gesehen wird, kann das zuständige Amtsgericht Dortmund derzeit nicht sagen. „Erst wenn die genauen Versteigerungsbedingungen feststehen, und zwar im Versteigerungstermin am 15.9.2020 mit Verkündung des sogenannten geringsten Gebotes, steht fest, ob der Erwerber in seiner Nutzung des Grundstückes eingeschränkt ist oder nicht“, teilt dazu Sprecher Jan Schwengers mit.
Es sei auch denkbar, dass der Erwerber ein bereinigtes Grundbuch ohne jedwede Last und Nutzungsbeschränkung erhält. „Dies hängt – wie gesagt – vom weiteren Verlauf des Versteigerungsverfahrens ab und kann vorab nicht gesagt werden.“
Die Vermietbarkeit schätzt die Gutachterin aufgrund der exponierten Lage als gut ein und bescheinigt dem Objekt Wertsteigerungspotenzial. Rund 24.900 Euro monatliche Miete veranschlagt die Aufstellung in dem umfangreichen Gutachten.
Die Kosten für die Fertigstellung allerdings sind dort auch erheblich. Sie werden auf rund 2.614.000 Euro geschätzt. Der Verkehrswert für die Zwangsversteigerung am 15. September liegt bei 2.100.000 Euro.
Seit 2001 in der Redaktion Dortmund, mit Interesse für Menschen und ihre Geschichten und einem Faible für Kultur und Wissenschaft. Hat einen Magister in Kunstgeschichte und Germanistik und lebt in Dortmund.
