Klaus Wegener beobachtet Wahl in der Türkei Warum viele Deutsch-Türken für Erdogan sind

Türkei-Wahl: Präsident der Auslandsgesellschaft erklärt, warum viele Deutsch-Türken für Erdogan sind
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Die Türkei hat gewählt. Für Sonntag (14.5.) waren etwa 64 Millionen wahlberechtigte Türkinnen und Türken dazu aufgerufen, ihre Stimme abzugeben. Auch in NRW sind viele Menschen mit türkischem Pass wahlberechtigt gewesen. In Dortmund sind es mehr als 20.000, die bis zum 9. Mai ihre Stimme abgeben konnten.

Neben den Parlamentswahlen wurde auch über das Amt des Ministerpräsidenten abgestimmt. Im Vorfeld ist ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen dem Amtsinhaber Recep Tayyip Erdogan (AKP) und dem Oppositionskandidaten Kemal Kilicdaroglu von der sozialdemokratischen CHP erwartet worden. Verlässliche Prognosen oder ein Ergebnis waren zum Redaktionsschluss dieses Artikels noch nicht verfügbar.

Wahllokale schlossen am Nachmittag

Um 16 Uhr deutscher Zeit wurden die Wahllokale in der Türkei geschlossen. Kurz danach haben wir mit Klaus Wegener gesprochen. Der Präsident der Dortmunder Auslandsgesellschaft beobachtet die Wahl und ist seit Samstagabend in Istanbul, der bevölkerungsreichsten Stadt der Türkei.

Bis zu diesem Zeitpunkt habe er eine erstaunlich ruhige Stimmung in der Stadt erlebt, sagte Wegener. Zwar hätten an jeder Ecke Polizeibeamte gestanden, aber an zentralen Orten wie dem Taksim-Platz und dem Gezi-Park sei die Stimmung zwischen Erdogan-Anhängern und Gegnern friedlich gewesen. Beide Orte waren in der Vergangenheit schon Schauplätze gewaltsamer Auseinandersetzungen gewesen.

Auch in den Wahllokalen sei die Stimmung friedlich gewesen, berichtete Wegener: „Wie bei einer Bundestagswahl.“ Vor Ort seien viele Wahlbeobachter gewesen, sodass er eine größere Manipulation der Wahl für unwahrscheinlich halte.

Hohe Zustimmung für Erdogan im Ausland

Nach Angaben der türkischen Wahlkommission lag die Beteiligung der Menschen mit türkischem Pass in Deutschland bei 51 Prozent. In der Türkei selbst wurden in den vergangenen Jahren Werte über 80 Prozent erreicht. Auch in diesem Jahr zeichnete sich eine hohe Wahlbeteiligung ab.

Mit 65 Prozent der Stimmen habe Erdogan bei der Wahl 2018 in Dortmund sein stärkstes Ergebnis im Ausland geholt, sagte Wegener. Erdogans Anhänger hatten damals den Wahlsieg auf dem Borsigplatz gefeiert.

„Erdogan hat viel für die Auslandstürken getan“, erklärte Wegener die hohen Zustimmungswerte. „Er hat den Auslandstürken immer klargemacht, dass sie zum türkischen Volk gehören, auch wenn sie irgendwo auf der Welt leben.“

Außerdem habe er über den in Deutschland umstrittenen Moschee-Verein Ditib erreicht, dass in Deutschland Moscheen gebaut werden und sich muslimische Gemeinden bilden. „Das haben ihm die in Deutschland lebenden Türken gedankt“, sagte Klaus Wegener.

Inflation als Wahlkampf-Schwerpunkt

„In Dortmund habe ich von Konflikten im Vorfeld nichts mitbekommen, aber die Auslandstürken sind wie die in der Türkei lebenden Menschen natürlich total polarisiert.“ Es gebe zwei Lager, sagte der Präsident der Auslandsgesellschaft: für Erdogan und gegen ihn. „Die Türkei ist sicherlich, wenn Erdogan wiedergewählt werden sollte, auf dem Weg in eine Autokratie, vielleicht sogar in eine Diktatur. Das befürchten jedenfalls viele“, sagt Wegener.

Ein riesiges Wahlkampfthema sei die Inflation gewesen, die in der Türkei aktuell 84 Prozent betrage. Die Opposition spricht sogar von einem dreistelligen Prozent-Wert. Auch Klaus Wegener hatte vor der Abreise Probleme mit der Währung, sagte er. Die Banken hätten ihm keine türkischen Lira ausgegeben, weil ihr Wert so schnell falle.