Immer mehr Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in den USA denken darüber nach, das Land zu verlassen – viele haben diesen Schritt bereits gemacht. Gründe dafür sind unter anderem die zunehmende politische Polarisierung, Sorgen über demokratische Rückschritte und Einschränkungen der Wissenschaftsfreiheit. Republikanische Politiker wie Donald Trump und J.D. Vance bezeichnen Universitäten öffentlich als „feindliche Institutionen“ und fordern Mittelkürzungen sowie mehr politische Kontrolle.
Das sorgt für Verunsicherung – besonders unter Lehrenden und Forschenden, die um ihre akademische Freiheit fürchten. Viele von ihnen suchen nach Alternativen im Ausland. Auch die Technische Universität Dortmund beobachtet diese Entwicklung aufmerksam. Wir haben nachgefragt, welche Auswirkungen die politische Situation in den USA auf die Forschung und Lehre an der TU Dortmund haben könnte.
Momentane Entwarnung
In einer Stellungnahme heißt es: „Die Kooperationen und Austauschprogramme, die die TU Dortmund mit Hochschulen und Forschungseinrichtungen in den USA unterhält, laufen unverändert weiter. Durch die Internationalisierungsstrategie zielt die Universität bereits seit 2022 darauf, verstärkt internationale Studierende und Forschende zu rekrutieren, u. a. durch den Ausbau englischsprachiger Master-Studiengänge und Welcome Services. Inwiefern diese Angebote nun vermehrt aus den USA nachgefragt werden, bleibt abzuwarten“.
Die USA seien für die TU Dortmund ein wichtiger Forschungspartner und fast jeder zweiter Dozent habe „eine wichtige (Durchlauf-)Station in ihrer wissenschaftlichen Karriere“ in den Vereinigten Staaten verbracht, so die TU-Pressesprecherin.
Angst, nicht zurück ins Land zu kommen
Sandra Danneil, Postdoktorandin für amerikanische Studien an der TU Dortmund, spürt erste Auswirkungen der politischen Situation der USA in ihrer eigenen Zusammenarbeit mit US-amerikanischen Kolleginnen. Gemeinsam mit einer amerikanischen und einer französischen Autorin hat sie ein Buch geschrieben, welches in drei Sprachen publiziert wurde und im Juli in Deutschland vorgestellt werden soll. Für diese Buchpräsentation sollten Karen J. Head und Anne-Françoise Le Lostec nach Deutschland einreisen. Beide Autorinnen leben und arbeiten in den Vereinigten Staaten und haben Angst, dass sie bei ihrer Rückkehr nicht zurück in die USA einreisen können. Danneil findet das „eigentlich kaum zu glauben und tragisch“.
Die Postdoktorandin sieht die zunehmende politische Polarisierung und Einschränkungen der Wissenschaftsfreiheit in den USA kritisch, bewundert aber auch die Protestaktionen: „Was ich beobachte ist, dass die Elite-Unis in den USA sich von der politischen Masse abheben und ihren Unabhängigkeits- und Demokratieanspruch nutzen. Für mich sind sie die wichtigsten Institutionen, die sich gegen Trumps Politik wehrt. Aber an der TU muss ich mich auch fragen: Werden uns auch in der Zukunft Mittel gekürzt oder gestrichen? Inwiefern kann ich als Dozentin noch öffentlich kritische Postionen einnehmen?“.
Bewerbungen von US-amerikanischen Forschenden und Dozierenden seien bisher nicht zu beobachten. Das läge aber auch daran, dass professorale Positionen an der TU Dortmund nicht öffentlich ausgeschrieben werden.
„Angst vor USA-Auslandssemester“
Im Studienfach Anglistik/Amerikanistik ist es für Studierende der TU verpflichtend, ein Auslandssemester oder Auslandspraktikum in einem englischsprachigen Land zu absolvieren. In persönlichen Gesprächen mit den Dozenten merkt Sandra Danneil oft Unsicherheiten, sich für das Auslandssemester in den USA zu bewerben: „Vor allem Studierende mit Zuwanderungsgeschichte oder diverser sexueller Orientierung haben Angst, ihr Auslandssemester in den USA zu verbringen. Das kann ich auch absolut nachvollziehen“, sagt die Postdoktorandin. Zusätzlich zur Angst vor der aktuellen politischen Situation in den USA kommen Faktoren wie ein langer Bewerbungsprozess, ein hoher Verwaltungsaufwand und hohe Kosten vor Ort an den Universitäten.
Die guten Beziehungen zu Partneruniversitäten der TU Dortmund, zum Beispiel zur Northern Arizona University oder University of Virginia, sollen weiterhin bestehen bleiben. Durch Austausche von sogenannten „Teaching Assistants“ finde nachhaltig ein Wissensaustausch zwischen deutschen und US-amerikanischen Studierenden statt. Für ein bis zwei Semester können Bachelor beziehungsweise Masterabsolventen an den Partneruniversitäten unterrichten, forschen und an Konferenzen teilnehmen. Sandra Danneil hofft, dass solche Projekte in der Zukunft auch weiter bestehen werden.