Der Schock war groß, als die gut 170 Karstadt-Beschäftigten am 13. März 2022 erfuhren: Ja, auch für „ihr“ Haus am Westenhellweg läuft die Zeit ab. Die Filiale stehe auf der Schließungsliste. Am 31.1.2024 sei der letzte Arbeitstag. Eine Ansage, an der sich bis heute nichts geändert hat.
Trotzdem glimmt noch immer ein Fünkchen Hoffnung, dass es anders kommen möge. Grund: Hinter den Kulissen wird seit geraumer Zeit verhandelt. Knackpunkt soll die Miethöhe sein. Das Karstadt-Management möchte den Vermieter der Immobilie, RFR in Frankfurt, zu einer Mietsenkung bewegen. Zudem hat sich auch Dortmunds OB Westphal in die Gespräche eingeschaltet – und den Vorschlag gemacht, die Stadt könne ebenfalls ins Haus ziehen und dort selbst Flächen bespielen. Welche städtische Einrichtung dafür in Frage kommt, hat Westphal bisher offiziell offengelassen.
Wie weit die Verhandlungen inzwischen gediehen sind, darüber rätseln die Karstadt-Beschäftigten seit Wochen. Mal habe es geheißen, die Entscheidung solle „vor Ostern“ fallen. Dann sei die Ansage gekommen, „nach Ostern“ solle ihnen etwas angekündigt werden, sagen Mitarbeiter. „Die Kunden fragen jeden Tag nach“, erzählen Verkäuferinnen. Eine Kündigung hat noch niemand erhalten - zumindest bislang nicht. Betriebsräte hatten zuletzt vermutet, sie könnten „Ende April folgen.“
Damit rechnen viele – falls nicht doch noch ein Wunder geschieht. Denn offenbar hat das Karstadt-Management begonnen, erste Pflöcke einzuschlagen: Wie zu erfahren war, hat Karstadt beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) beantragt, 15 Beschäftigte mit Schwerbehinderung kündigen zu dürfen.
„Werden um unsere Jobs kämpfen“
Der Hintergrund dafür: Menschen, die schwerbehindert sind, genießen einen besonderen Kündigungsschutz. Der Arbeitgeber, in diesem Fall Galeria Karstadt Kaufhof, muss seinen Schritt Wochen vorher beim LWL-Inklusionsamt Arbeit beantragen und Einvernehmen herstellen. „Gibt es dabei einen Zusammenhang zwischen der Behinderung und dem Grund der Kündigung, wird geprüft, ob der Kündigungsgrund abgewendet werden kann“, erläutert LWL-Sprecher Markus Fischer. „Eine solche Maßnahme könnte beispielsweise sein, dass der Arbeitsplatz entsprechend verändert wird“, so Fischer.
Nur: Im Falle Karstadt Dortmund zieht das nicht. Karstadt beantragt die Kündigungen nicht, weil die betreffenden Mitarbeiter schwerbehindert sind. Sondern weil das Haus geschlossen werden soll. Da gäbe es dann keinen Arbeitsplatz mehr zu verändern. Ob Anträge bereits genehmigt worden seien, könne er nicht sagen, so Fischer. Aus „Datenschutzgründen“ dürfe der LWL nicht einmal verraten, welches Unternehmen die Kündigungen beantragt habe. Dass es dabei tatsächlich um Galeria Karstadt geht, liegt aber auf der Hand. Die betroffenen Mitarbeiter seien informiert, sagte Fischer.
Unklar ist auch, ob Karstadt mit diesem Schritt lediglich „Vorsorge“ trifft, um für ein Scheitern der Mietverhandlungen gerüstet zu sein. „Selbst wenn der LWL solchen Anträgen zustimmt, muss das nicht zwangsläufig bedeuten, dass es am Ende immer auch tatsächlich zu Kündigungen kommt“, erläutert Fischer das generelle Verfahren. Joffrey Kallweit, Betriebsratsvorsitzender im Karstadthaus am Westenhellweg, hält sich zu dem Vorgang bedeckt. Er wolle sich dazu momentan nicht äußern, sagte Kallweit auf Anfrage. Auch nicht dazu, wie viel Schwerbehinderte insgesamt in dem Warenhaus tätig sind. „Aber wir werden um unsere Jobs kämpfen“, kündigt der Arbeitnehmervertreter an. OB Westphal war für eine Stellungnahme aus Urlaubsgründen nicht zu erreichen.
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