
© Jörg Bauerfeld
Zeitreise in die 70er: Sensationelle Illusionsmalerei an einer Hauswand
Trinkhalle als Kunst
Der Dortmunder Süden ist um eine Trinkhalle reicher. In Hörde ist ein echter Hingucker entstanden, ein Relikt aus der guten alten Buden-Zeit. Die Art und Weise der Darstellung überrascht.
Man mag sich der netten Dame nähern, die gutgelaunt in dem offenen Fenster ihrer Trinkhalle an der Alten Benninghofer Straße lehnt, und eine Tüte gemischtes Weingummi bestellen. So wie früher, für eine Mark.
An einem kleinen Anbau haben die Grafiker und Künstler von More Than Words eine Szene wie aus einem Bilderbuch geschaffen. Einem Buch über das alte Hörde, als die Schlote noch qualmten und die Stahlarbeiter sich ihr Fläschchen Pils an der Bude holten.
Hier gab es bis in die 70er-Jahre wirklich einen Kiosk
Dabei hat der Ort, an dem das extrem realistische Kunstwerk entstand, durchaus eine bewegte Geschichte. Ganz früher war an dieser Stelle wohl mal ein Blumengeschäft.
1969 zog dann die Familie Bornemann nach Hörde und wurde Besitzerin des Hauses und des kleinen Anbaus. Um diese Zeit war der Blumenladen aber schon verschwunden.

An einer echten Hörder Trinkhalle darf natürlich auch das Stifts-Pils nicht fehlen. © Jörg Bauerfeld
Und an seiner Stelle zog dann an der Alten Benninghofer Straße ein Kiosk ein. Genau dort, wo jetzt das Kunstwerk ist. Laut der Familie Bornemann muss dieser auch bis Mitte der 70er-Jahre noch existiert haben. Viel ist nicht mehr bekannt.
Nur so viel, dass es auch eine ältere Dame war, die dort ihre Trinkhalle betrieben hat. Heute stehen in diesem Anbau die Fahrräder der Mieter. Das Fenster, aus dem früher die Getränke, Zeitschriften und Süßigkeiten gereicht wurden, ist längst zugemauert.
Die dunkle Ecke wurde immer wieder als Pissoir missbraucht
Ein Problem gab es dort aber immer wieder. Die etwas dunkle Ecke wurde immer wieder als Pissoir missbraucht. Dagegen wollten die Eigentümer etwas unternehmen. So gab es Beleuchtung und einen Auftrag an More Than Words.

So fing alles an. Mitarbeiter von More Than Words bei der Arbeit. © Bernau
Seit gut zwei Wochen ist der Kiosk an der Alten Benninghofer Straße nun wieder geöffnet – zumindest optisch. „Die Hausbesitzerin hatte mich angesprochen und gefragt, ob ich mir nicht einmal das Objekt anschauen könnte“, sagt Markus Happe (More Than Words).
Und da habe man sich zusammen überlegt, die alte Trinkhalle wieder zum Leben zu erwecken. „Mit der Illusionsmalerei ist das auch ganz witzig geworden“, sagt Markus Happe. Das Team von More Than Words sprühte dann die Trinkhalle sozusagen in 3D an die Wand. Und das alles wirkt so lebensecht, dass man sich an den Stehtisch stellen und bei der netten älteren Dame eine Bestellung aufgeben möchte.
Für die Alte Benninghofer Straße ist diese Illusionszeichnung eine echte Bereicherung und für die, die sich noch an den Kiosk an gleicher Stelle erinnern können, eine Zeitreise in die 70er-Jahre.
Jörg Bauerfeld, Redakteur, berichtet hauptsächlich in Wort, Bild und Ton aus dem Dortmunder Süden.
