Die Transperson Alina S. aus Dortmund ist als sogenannte AGG-Hopperin bundesweit bei Arbeitsgerichten und Arbeitsrechtlern bekannt. AGG steht für das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, das Menschen vor Diskriminierung aufgrund des Alters, des Geschlechts, einer chronischen Erkrankung oder Behinderung, der Religion, der sexuellen Identität oder aus rassistischen oder antisemitischen Gründen schützen soll. Es gilt bei der Arbeit, bei Alltagsgeschäften und bei der Wohnungssuche.
Alina S. beruft sich bei ihrer Jobsuche auf dieses Gesetz und bewirbt sich, so sehen es Juristen, vor allem gezielt bei Firmen, die in ihrer Stellenausschreibung zum Beispiel eine Sekretärin suchen und die Stelle nicht - wie es das AGG vorschreibt - geschlechtsneutral ausschreiben. Wird ihre Bewerbung abgelehnt, verklagt Alina S. diese Firmen, weil sie wegen ihrer sexuellen Identität diskriminiert werde.
Gegenüber Journalisten erklärte sie im vergangenen Jahr am Rande eines Gerichtstermins, dass sie nur ihr Recht einklage. „Das ist kein Geschäftsmodell. Ich werde beim Bewerbungsauswahlprozess benachteiligt“, zitierte sie die Welt. In den vergangenen acht Jahren habe sie 1577 Bewerbungen geschrieben, aber keine Stelle bekommen, erklärte sie. Da, wo sie wegen vermeintlicher Diskriminierung klagt, bekommt sie meist recht. Eine Schadensersatzsumme in Höhe von rund 240.000 Euro soll sie bereits eingeklagt haben. Gutes Geld - zumal es steuerfrei ist und auch nicht auf das Bürgergeld angerechnet wird, das sie bezieht.
„Wir hatten auch mit Alina S. zu tun. Anders als andere Firmen, konnten wir aber erreichen, dass die Person ihre Klage zurückzog“, sagt der Unternehmer Michael Pilzecker. Er kommt aus Dortmund und hat die Berichterstattung unserer Redaktion über Alina S. und ihre zuletzt erfolgreiche Klage gegen eine Druckerei in Hagen gelesen.
AGG fordert „d“ für divers
„Aus Schusseligkeit fehlte leider in unserer Stellenausschreibung bei der Agentur für Arbeit neben dem „m“ für männlich und dem „w“ für weiblich das „d“ für divers. Die Stellenanzeige für eine/einen Kaufmännische(n) Angestellte(n) war also nicht geschlechtsneutral gefasst“, erzählt Michael Pilzecker, der Chef seiner Pilzecker Holding GmbH, einer Agentur für Marketingkommunikation und Öffentlichkeitsarbeit in Lippstadt, ist. Das juristische Problem in so einem Fall: weder dem Arbeitgeber ist die reine Schusseligkeit nachzuweisen, noch dem vermeintlichen AGG-Hopper, der auf solche Fehler hüpft, sein rechtsmissbräuchliches Handeln.

„Wir haben in unserer Widerrede am Arbeitsgericht Hamm detailliert dargelegt, warum die Klage von Alina S. aus unserer Sicht unbegründet ist und kein Entschädigungsanspruch besteht. Die Bewerbungsunterlagen waren nicht vollständig“, sagt Michael Pilzecker. Es hätten Arbeitszeugnisse gefehlt und beiliegende Beschäftigungsnachweise hätten „keinerlei Bezug“ zur ausgeschriebenen Stelle gehabt. Die Qualifikation von Alina S. habe also „nicht ansatzweise“ dem Anforderungsprofil der ausgeschriebenen Stelle entsprochen.
Die Bewerbung so gründlich zu zerpflücken, hat sich für Michael Pilzecker gelohnt. Vor wenigen Tagen zog Alina S. ihre Klage zurück. Sie musste wohl einsehen, dass bei dieser Ablehnung ihrer Bewerbung eine Benachteiligung nach dem AGG nicht vorlag. Ist damit nun ihre Klagewelle gestoppt?
Offenkundig ungeeignet?
Tatsächlich sollten Firmen, die vermeintlich von AGG-Hoppern verklagt werden, versuchen, aufgrund unvollständiger Unterlagen und fehlender Kenntnisse den Nachweis zu führen, dass gar keine ernsthafte Bewerbung und kein ernsthaftes Interesse an einem Jobangebot bestand, raten Anwälte „Soweit dieser Nachweis gelingt, besteht auch keine Pflicht zum Schadenersatz. Das heißt, wenn die Bewerbungsunterlagen ganz offenkundig ungeeignet sind, die ausgeschriebene Stelle gegebenenfalls zu erlangen, weil diese entweder unvollständig oder besonders unansehnlich gestaltet sind oder aber die sich ergebenden Erkenntnisse/Erfahrungen/Ausbildungen etc. ganz offenkundig nicht zur Stelle passen, dann kann damit einem entsprechenden Anspruch zuvorgekommen werden“, sagt der Hörder Arbeitsrechts-Experte Dr. Maximilian Stahm. Er hat vor Jahren schon Firmen gegen Alina S. vertreten - allerdings erfolglos.

So wie in dieser Woche auch Rechtsanwalt Dr. Hendrik Zeiß aus der Kanzlei Ehlers & Feldmeier in der Innenstadt. „Leider konnten wir uns nicht darauf berufen, dass Unterlagen unvollständig waren“, sagt er, und ergänzt: „Auch sonst gab es leider diesmal keine Argumente, welche die Klage ohne weiteres zu Fall gebracht hätten. Wir konnten uns somit ausschließlich auf den Aspekt der Rechtsmissbräuchlichkeit berufen, der nicht immer einfach nachzuweisen ist.“ In einem bundesweit beachteten Verfahren am Bundesarbeitsgericht in Erfurt ist ihm das mal gelungen - diesmal nicht.
„Auch wenn Alina S. deutschlandweit als vermeintliche AGG-Hopperin bekannt ist, muss bezogen auf den Einzelfall vorgetragen werden, warum eine Rechtsmissbräuchlichkeit vorliegt“, sagt Dr. Hendrik Zeiß. Das ist mühsam und der Ausgang offen. Die Firma, die der Jurist gerade vertrat, wollte das Verfahren lieber abschließen. Man einigte sich darauf, die Hälfte des von Alina S. geltend gemachten Entschädigungsanspruchs zu zahlen.
Die Transperson aus Dortmund hat also - auch wenn ihr das gegen Michael Pilzeckers Unternehmen mal nicht gelang - ihre Kasse weiter aufgefrischt. Steuerfrei. Das mag man kritisieren. Grundsätzlich ist es aber nicht falsch, das einzuklagen, was das Recht zulässt. Und während die einen sagen, dass Alina S. mit ihrem Vorgehen denen schade, die wirklich diskriminiert werden, verweisen andere auf ihre erzieherische Wirkung. Dass Firmen im Jahr 2025 immer noch Stellen aus Schusseligkeit oder sogar bewusst nicht explizit - wie durch das AGG vorgegeben - auch für intersexuelle Menschen ausschreiben, sei nicht zu akzeptieren.
Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel erschien ursprünglich am 16. März 2025.