Trans-Person aus Dortmund verklagt Firmen und kassiert 240.000 Euro Anwälte machtlos?

Anwälte machtlos? Trans-Person verklagt Firmen wegen Diskriminierung
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Sie ist 47 Jahre alt und transgeschlechtlich. Wie Medien berichten, ist die Trans-Person Alina S. aus Dortmund seit Jahren im Prozess einer Geschlechtsumwandlung hin zu einem weiblichen Körper. Als streitbare Klägerin hat sich Alina S. bundesweit einen Namen gemacht. Mit 240 Klagen gegen verschiedene Firmen, weil diese ihre Bewerbungen ablehnten, soll Alina S. geschätzte 240.000 Euro kassiert haben – steuerfrei. Aktuell war nun eine Klage gegen eine Druckerei in Hagen erfolgreich.

Dort hatte sich Alina S. als Bürokauffrau beworben und war abgelehnt worden. Wegen ihrer unzureichenden Qualifikation. Doch das sah S. anders und behauptete, man habe die Bewerbung wegen ihrer Transgeschlechtlichkeit abgelehnt, berichtet die „Welt“. Bei ihrer Klage, die am Arbeitsgericht Hagen verhandelt wurde, berief sich S. auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), das eine Benachteiligung aufgrund von Geschlecht oder sexueller Identität verbietet. S. verlangte als Entschädigung zwei Bruttogehälter – insgesamt 5000 Euro. Am Ende ließ sich S. auf 700 Euro ein, so berichtet die „Welt“ weiter.

Persönlich wollte sich die klagende Person nicht vor der Presse zu erkennen geben. Sie werde in der Öffentlichkeit häufig ausgelacht und beleidigt aufgrund ihrer Transgeschlechtlichkeit, sagte Alina S. dem Fernsehsender „RTL West“, der bei der Verhandlung dabei war. Im Ausweis werde sie als Frau bezeichnet, wegen ihrer tiefen Stimme wolle sie sich selbst aber nicht so nennen.

Alina S. bei Anwälten bekannt

Die verklagte Druckerei aus Hagen wehrte sich vehement gegen die Diskriminierungsvorwürfe und unterstellte Alina S., die Bewerbung gezielt eingereicht zu haben, um eine Entschädigung zu erhalten. Die Personalerin der Druckerei sprach in dem RTL-Beitrag am Rande des Prozesses von einer „Sauerei“. Rechtsanwalt Wolfgang Zwiehoff, der die Druckerei vertrat, nannte das Bewerbungsschreiben von Alina S. „grottenschlecht“. Er sagte wörtlich: „Da sind Qualifikationen, die im Leben nicht für irgendeine Stelle reichen. Das ist ja auch gar nicht gewollt.“

Dr. Hendrik Zeiß an seinem Schreibtisch in der Kanzlei Ehlers & Feldmeier in Dortmund.
Dr. Hendrik Zeiß ist Rechtsanwalt und Notar in der Dortmunder Kanzlei Ehlers & Feldmeier. Er konnte im vergangenen Jahr einem so genannten „AGG-Hopper“ sein rechtsmissbräuchliches Vorgehen am Bundesarbeitsgericht in Erfurt nachweisen. © (A) Schaper

Tatsächlich ist ein solches Vorgehen als Geschäftsmodell unter dem Namen AGG-Hopping bekannt. Und spricht man mit Dortmunder Anwälten, dann kennen sie Alina S. schon lange. „Ich hatte 2019 und 2020 zwei Fälle, in denen ich Firmen gegen diese Person vertreten habe. Bis dato hatte sie 55 Klagen angestrengt und ist seitdem wohl weiter tätig gewesen, wenn es jetzt 240 sind“, sagt Rechtsanwalt Dr. Maximilian Stahm aus Hörde. Auch sein Kollege Dr. Hendrik Zeiß aus der Kanzlei Ehlers & Feldmeier in der Innenstadt nickt sofort und sagt: „Ja, den Namen kenne ich.“

Beide Juristen versuchen schon lange, den AGG-Hoppern das Handwerk zu legen. „Das ist schwierig, weil Schusseligkeit bei der Stellenausschreibung nur schwer zu belegen ist. Meist fehlt das ‚d’ für divers und/oder der Arbeitsplatz wurde, wenn er auch von einem schwerbehinderten Menschen besetzt werden kann, nicht der Agentur für Arbeit gemeldet. Demjenigen, der darin eine Diskriminierung sieht und klagt, muss nachgewiesen werden, dass er das rechtsmissbräuchlich tut. Und das ist schwer“, erklärt Maximilian Stahm.

Der Arbeitsrechtsexperte Dr. Maximilian Stahm im Büro seiner Kanzlei in Dortmund-Hörde.
Dr. Maximilian Stahm aus Hörde hatte bereits zwei Mal mit Alina S. auf der Gegenseite zu tun. © (A) Schütze

Hendrik Zeiß ist genau dieser Nachweis jedoch 2024 in einem Fall gelungen. Er konnte dem Senat am Bundesarbeitsgericht in Erfurt ein rechtsmissbräuchliches Vorgehen eines Klägers darlegen. „Ich habe aufgezeigt“, sagt er, „dass wiederholt Bewerbungen in Berlin, Düsseldorf, Hamburg, Elmshorn, Hagen, Gelsenkirchen und Dortmund so verfasst waren, dass sie auf die ausgeschriebene Stelle gar nicht passten und nur vordergründig waren.“

„Das ist mein Recht“

Zurück zu Alina S., die in den vergangenen Jahren nach Angaben des Arbeitsgerichts Bielefeld schon gegen über 230 abgelehnte Bewerbungen gerichtlich vorgegangen ist und dabei zumeist vierstellige Vergleiche erzielt haben soll. RTL zufolge soll S. durch die Klagen Hunderttausende Euro steuerfrei kassiert haben. Der „Tagesspiegel“ zitiert den Direktor des Arbeitsgerichts in Bielefeld, der davon ausgeht, dass Alina S. im Laufe der Jahre eine sechsstellige Summe eingenommen hat: „240.000 Euro, wenn wir ganz konservativ davon ausgehen, dass es pro Klage nur 1000 Euro gab. Tatsächlich sind die Summen aber oft höher.“

S. selbst erklärte laut „Welt“, im Jahr 2024 zwischen Februar und September 25.000 Euro durch Vergleiche erhalten zu haben. Dieses Geld habe sie gegenüber dem Staat offenlegen müssen. Nachteile hat sie dadurch aber nicht gehabt, obwohl S. Bürgergeld bezieht. Auf diese Leistung wird die vor Gericht erstrittene Summe nicht angerechnet. „Das ist kein Geschäftsmodell. Ich werde beim Bewerbungsauswahlprozess benachteiligt. Das klage ich ein und das ist mein Recht“, zitiert die „Welt“ eine Aussage von S. am Rande des Prozesses. Jedes Gericht habe bislang gesagt, dies sei „in Ordnung“.

Dem „Westfalenblatt“ zufolge absolvierte S. 2012 eine Umschulung zur Industriekauffrau und ist seither arbeitslos. „Ich habe alleine in den letzten acht Jahren 1577 Bewerbungen geschrieben, aber keine Stelle bekommen“, sagte die Trans-Person der Zeitung.

Kein „d“ für „divers“

Nachdem ihre jüngste Klage gegen die Druckerei in Hagen gerade verhandelt wurde, bekam jetzt zufällig Anwalt Hendrik Zeiß das Mandat einer Unternehmensgruppe, sie gegen eben jene Alina S. zu vertreten. Es geht um 5000 Euro, weil das „d“ für „divers“ in einer Stellenausschreibung für eine Bürokauffrau/einen Bürokaufmann am Standort in Dortmund fehlte.

So ist eine Ausschreibung richtig. Männlich, weiblich, divers: Stellenanzeigen müssen grundsätzlich diskriminierungsfrei formuliert sein.
So ist eine Ausschreibung richtig. Männlich, weiblich, divers: Stellenanzeigen müssen grundsätzlich diskriminierungsfrei formuliert sein. © picture alliance/dpa

Ursprünglich sollte das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), das auch als Antidiskriminierungsgesetz bekannt ist, Benachteiligungen aufgrund ethnischer Herkunft, Rasse, Geschlecht, Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität verhindern. „Die Personen, die das ausnutzen und versuchen, das Recht zu missbrauchen, tun den tatsächlich Diskriminierten keinen Gefallen“, sagt Hendrik Zeiß.

In den Gerichtsberichten lokaler Medien in Hagen heißt es, der Vorsitzende Richter habe Alina S. nach dem Ende der Sitzung mit den Worten verabschiedet: „Bis nächste Woche!“