
Spurensicherung an der Missundestraße in der nördlichen Innenstadt von Dortmund. Dort befindet sich der Hinterausgang des Kirchengeländes, auf dem ein 16-Jähriger von mehreren Schüssen getroffen wurde und starb, nachdem er Polizisten zuvor mit einem Messer angegriffen haben soll. © Markus Wüllner
Polizist erschießt 16-Jährigen in Dortmund mit Maschinenpistole
Nordstadt
Nach dem Tod des 16-jährigen Mohamed D. in Folge von Schüssen durch die Polizei laufen die Ermittlungen. Die Staatsanwaltschaft Dortmund weiß mehr über die Umstände und nennt neue Details.
Am späten Montagnachmittag verlor der 16-Jährige Mohamed D. bei einem Polizeieinsatz an der Holsteiner Straße in der Dortmunder Nordstadt sein Leben. Viele Fragen sind nach dem Vorfall offen, bei dem der Jugendliche ersten Informationen zufolge mit einem Messer Polizisten angegriffen haben soll, bevor mehrere Schüsse fielen.
Der Dienstag bringt viele neue Erkenntnisse der Staatsanwaltschaft. Laut Oberstaatsanwalt Carsten Dombert ist am Vormittag ein Ermittlungsverfahren gegen einen männlichen Polizeibeamten „wegen des Anfangsverdachts der Körperverletzung mit Todesfolge“ eröffnet worden.
Fünf Treffer aus Maschinenpistole
Dies ergebe sich aus der Bewertung der Situation vor Ort und dem Ergebnis der Obduktion,. Demnach sei der 16-Jährige von fünf Projektilen im Körper getroffen worden. Laut Dombert wurden bei der Obduktion von Mohamed D. Einschüsse „zweimal in der Schulter, Unterarm, Kiefer und Bauch“ gefunden. Mutmaßlich tödlich war dabei der Bauchschuss.

Serden (22) aus Dortmund legt Blumen am Gelände der St. Antonius-Kirche ab. Hier starb ein 16-Jähriger durch Schüsse aus der Maschinenpistole eines Polizisten. © Lukas Wittland
Alle Schüsse wurden von einer Person abgefeuert – aus einer Maschinenpistole der Marke Heckler&Koch, wie sie von der Polizei NRW eingesetzt wird. Solche Waffen dürfen unter bestimmten Vorgaben eingesetzt werden. Inwieweit diese im vorliegenden Fall eingehalten worden sind, ist laut Staatsanwaltschaft Gegenstand der Ermittlungen.
Wurden Reizgas und Taser eingesetzt?
Der ermittelnde Staatsanwalt Carsten Dombert teilt auf Anfrage dieser Redaktion mit, dass bisher zu vermuten stehe, dass die Polizei „sowohl Reizgas als auch Taser in dieser Reihenfolge“ eingesetzt habe. Noch keine Informationen lägen zur Position vor, aus der geschossen worden sei. Bei der Spurensicherung sind Patronenhülsen auf der Rückseite des Kirchengeländes gefunden worden. Also durch einen Zaun von dem Ort getrennt, an dedem Mohamed D. getroffen wurde.
Insgesamt waren nach Angaben der Staatsanwaltschaft elf Polizeibeamte vor Ort.
Nähere Aufschlüsse über das Geschehen könnten drei bei der Jugendwohngruppe des 16-Jährigen beschäftigte Personen geben, die als Zeugen befragt werden. „Nach unseren Erkenntnissen sollen sie das gesamte Geschehen verfolgt haben“, sagt Oberstaatsanwalt Carsten Dombert.
In der Wohngruppe auf dem Gelände der katholischen St. Antonius-Kirche werden Jugendliche ab 14 Jahren auf dem Weg in ein selbstständiges Leben unterstützt.
Die Befragungen begannen laut Dombert im Laufe des Dienstags und werden wegen der Vielzahl an Zeugen in drei Teams vorgenommen. Vernommen werden auch die anwesenden Polizeibeamten.
Suizidale Absichten stehen im Raum
Verschiedene Medien berichteten, dass der 16-Jährige suizidale Absichten angedeutet habe. „Das steht im Raum“, bestätigt Carsten Dombert, verweist aber auf die laufenden Ermittlungen.
Dortmunds Oberbürgermeister Thomas Westphal hat sich am Dienstag zum Todesfall geäußert. „Das hat uns tief betroffen gemacht“, sagte er.
Oberbürgermeister deutet „tragische Familiengeschichte“ an
Hintergrund sei nach Erkenntnissen des Jugendamtes eine tragische Familiengeschichte. „Der Vorgang ist für uns sehr schwierig zu verstehen“, sagte Westphal. Er warnte vor Vorverurteilungen. Der ganze Vorfall müsse gründlich aufgearbeitet werden.
Seine Gedanken seien auch bei den Polizeibeamten, die beteiligt waren.
Nach Informationen des „Spiegel“ handelt es sich bei dem Jugendlichen um einen unbegleiteten minderjährigen Flüchtling mit dem Herkunftsland Senegal. Er soll erst seit kurzer Zeit in der Jugendhilfeeinrichtung gelebt haben.
Die polizeilichen Ermittlungen in dem Fall hat die Polizei Recklinghausen übernommen.
Seit 2010 Redakteur in Dortmund, davor im Sport- und Nachrichtengeschäft im gesamten Ruhrgebiet aktiv, Studienabschluss an der Ruhr-Universität Bochum. Ohne Ressortgrenzen immer auf der Suche nach den großen und kleinen Dingen, die Dortmund zu der Stadt machen, die sie ist.
