Mit ersten Zeugenvernehmungen ist am Schwurgericht der Prozess um den Tod des 16-jährigen Mouhamed Dramé bei einem Polizeieinsatz in der Nordstadt fortgesetzt worden. Zwei Mitarbeiter der Jugendeinrichtung, in der der Jugendliche zur Tatzeit im August 2022 lebte, erinnern sich noch gut an die dramatischen Momente.
Der Geflüchtete aus dem Senegal war erst zehn Tage vor dem Vorfall in die Einrichtung gekommen. „Man konnte sich mit ihm kaum verständigen, weil er nur Französisch und Arabisch sprach“, sagte einer der Sozialarbeiter. Diese Sprachen hätten leider weder er noch seine Kollegen beherrscht.
Schlechte Verständigung
Am Tattag sei Mouhamed dann mit nacktem Oberkörper und einem Messer in der Hand im Innenhof der Einrichtung gesehen worden. „Ich hatte Sorge, dass er sich selbst verletzen könnte“, sagte der Sozialarbeiter den Richtern. Schließlich sei der Jugendliche erst kurz zuvor in der LWL-Klinik gewesen und habe dort Suizidgedanken geäußert.
Der Zeuge entschloss sich deshalb, die Polizei zu alarmieren. „Ja, da sind sie bei uns schon ganz richtig“, antwortet der Beamte in der Leitstelle am Telefon. Er werde zusehen, dass seine Kolleginnen und Kollegen schnell vor Ort einträfen.
Suizidgedanken geäußert
Das Telefongespräch dauerte schließlich mehr als 20 Minuten. Im Hintergrund soll zu hören sein, wie die Polizei innerhalb kurzer Zeit erst Pfefferspray und zwei Taser einsetzte, ehe Mouhamed mit einer Maschinenpistole niedergeschossen wurde.
Der Zeuge äußert am Telefon nur noch: „Ach, du meine Güte...“ Danach bricht die Leitstelle das Gespräch sehr schnell ab.
Der Sozialarbeiter erinnert sich noch, wie ein Beamter den am Boden liegenden reglosen Mouhamed anbrüllte, er solle liegen bleiben. Dann habe man dem Jugendlichen sogar noch Handschellen angelegt.
„Last Man Standing“
Der zweite Zeuge stand auf der Straße, um die alarmierten Einsatzkräfte einzuweisen. Er erinnerte sich vor Gericht daran, dass der angeklagte Einsatzleiter den Plan noch vor dem Tor zum Innenhof festgelegt habe. Er habe die Mitangeklagten angewiesen, erst Pfefferspray und dann die Taser zu benutzen.
Zu dem Beamten mit der Maschinenpistole soll der Einsatzleiter dann gesagt haben: „Und sonst bist du unsere letzte Chance. Du bist unser Last Man Standing.“
Der ehemalige Mitarbeiter der Wohngruppe schilderte außerdem, wie sich das spätere Opfer nach dem Einsatz des Pfeffersprays bewegt habe. Er sei langsam in Richtung der Beamten gegangen. „Er wirkte nicht aufgebracht, eher desorientiert“, sagte der Zeuge. Seine Arme seien nicht erhoben gewesen, sondern hätten nach unten gehangen.

Schüsse kurz nach Taser
Die Schüsse seien kurz nach dem Taser-Einsatz gefallen. Der Zeuge schilderte auch, wie der Einsatzleiter später dem am Boden liegenden und vor Schmerzen schreienden Mouhamed Dramé einen leichten Tritt in den Bauch versetzt habe und ihn angesprochen habe.
Druck auf die Zeugen
Der dritte von bislang elf angesetzten Verhandlungsterminen war von Verzögerungen und ungewöhnlichen Situationen geprägt. Ein Antrag der Nebenklage, Fotos aus den Ermittlungsakten für alle im Saal auf einem großen Bildschirm zu zeigen, wurde durch den vorsitzenden Richter nach längerer Beratung abgelehnt. Deshalb wurden diese am Richtertisch begutachtet.
So standen bis zu 14 Personen einschließlich der Zeugen um die Akten herum. Für die Zeugen verstärkte das nach eigenen Angaben die ohnehin schon vorhandene Drucksituation. Das öffentliche Interesse an dem Prozess ist weiterhin groß.
Der zweite Zeuge musste seine Aussage abbrechen und wird sie im Februar fortsetzen. „Das war eines der schlimmsten Erlebnisse meines Lebens, das jetzt gerade wieder hochkommt“, sagte er mit tränenerstickter Stimme.
Angeklagte schweigen weiter
Die Angeklagten äußerten sich nicht zu den Zeugenaussagen. Sie wollen erst im weiteren Prozessverlauf zu den Vorwürfen aussagen.
Angehörige von Mouhamed Dramé, die sich dem Verfahren als Nebenkläger angeschlossen haben, wollen voraussichtlich zum nächsten Sitzungstermin am 31. Januar persönlich nach Dortmund kommen und die Verhandlung verfolgen.
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