Am 8. August 2022 ist Mouhamed D. in der Dortmunder Nordstadt erschossenen worden. Es war das tragische Ende eines Einsatzes, der aus dem Ruder gelaufen ist. Am Ende einer Kette von Entscheidungen, die der leitende Oberstaatsanwalt als „unverhältnismäßig“ bezeichnet, stand ein 29-jähriger Polizeibeamter. Sechsmal schoss er mit seiner Maschinenpistole, vier Kugeln trafen den 16-jährigen Mouhamed D. und töteten den Jugendlichen, der ein Messer in seiner Hand hielt.
Am Dienstag (14.2.) wurde Anklage gegen fünf Polizeibeamte erhoben. Gegen den 29-jährigen Polizeibeamten lautet der Vorwurf Totschlag. Gegenüber unserer Redaktion hat sich der Dortmunder Anwalt Christoph Krekeler, der den Schützen vertritt, nun erstmals öffentlich zu der Anklage und der Gefühlslage seines Mandanten geäußert.
Tod habe Mandanten „tief bewegt“
„Der Tod von Mouhamed D. hat meinen Mandanten tief bewegt und tut das immer noch“, sagt Christoph Krekeler. „Er muss täglich damit leben, dass unter seiner Beteiligung ein Mensch gestorben ist und er die besondere Rolle in diesem Einsatz innehatte, letztlich zu schießen.“ Sein Mandant habe sich diese Rolle nicht ausgesucht, betont Christoph Krekeler. Der 29-Jährige sei erst durch die Zuteilung am Einsatzort in diese Situation geraten.
„Er stellt sich immer wieder die Frage, was hätte man anders machen können – oder machen müssen“, sagt der Anwalt. Er spricht auch das relativ junge Alter des 29-jährigen Beamten an, was aber nicht damit gleichzusetzen sei, dass er unerfahren sei. „Er ist kein Neuling mehr, sondern schon einige Jahre im Dienst und hat auch ähnliche gefährliche Einsätze erlebt, in denen er einer bewaffneten Person gegenüberstand.“
29-Jähriger überrascht von Anklage
Von der Anklage wegen Totschlags haben er und sein Mandant auch erst durch die Zustellung des Anklageschreibens erfahren, sagt Christoph Krekeler. Der Tatvorwurf Totschlag habe seinen Mandanten wie auch ihn als Anwalt überrascht.
„Totschlag würde bedeuten, dass jemand vorsätzlich einen Menschen getötet hat. Diesen Vorwurf halten wir für über das Ziel hinausgeschossen. Eine Anklage wegen Körperverletzung mit Todesfolge hätte mir rechtlich näher gestanden“, sagt Krekeler.
Der Vorwurf Totschlag habe seinen Mandanten aber nicht unvorbereitet getroffen. „Wir sind vorher alle Möglichkeiten durchgegangen“, sagt der Anwalt, der die rechtliche Beratung des 29-Jährigen wenige Tage nach den tödlichen Schüssen übernommen hat.

Die Anklage habe die emotionale Lage seines Mandanten aber weder verschlechtert noch erleichtert. „Die Situation ist so schon schwerwiegend genug. Er ist ohnehin schwer davon getroffen, dass er sich für den Tod eines Menschen verantworten muss“, betont Krekeler noch einmal.
Schütze schweigt zu Vorwürfen
Bislang hat sich der 29-jährige Polizist noch nicht zu den Vorwürfen geäußert. Ob er auch vor Gericht weiter schweigen wird, werde man in Anbetracht aller Einzelheiten entscheiden. „Es könnte ein naheliegender Schritt sein, dass mein Mandant zu Beginn des Hauptverfahrens die Möglichkeit ergreift, seine grundsätzliche Position zu dem Vorwurf und dem Fall darzulegen“, sagt Christoph Krekeler.
„Dass er sich noch nicht geäußert hat, liegt nicht daran, dass er zu dem Fall nichts zu sagen hätte. Es war einfach noch nicht der Zeitpunkt, sich zu äußern“, sagt der Anwalt. „Der Staat macht den Menschen einen Strafvorwurf. Erst dann sollte sich auch ein Betroffener dazu äußern.“
Krekeler geht davon aus, dass der eine oder andere Beschuldigte sich vielleicht schon im Zwischenverfahren äußern werde. „Ich bin einigermaßen optimistisch, dass ein Großteil der Positionen von den betroffenen Polizeibeamten in dem Verfahren zur Sprache kommt.“ Neben dem 29-Jährigen sind zwei weitere Polizistinnen und ein Polizist wegen gefährlicher Körperverletzung angeklagt. Sie hatten Pfefferspray und Taser eingesetzt.
Der Einsatzleiter, der den Einsatz angeordnet hatte, ist wegen der Anstiftung zur gefährlichen Körperverletzung angeklagt. Das Zwischenverfahren beginnt mit dem Eingang der Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht und endet mit der Entscheidung über die Eröffnung oder Nichteröffnung des Hauptverfahrens.
Zwei Kernfragen im Prozess
Wann letztlich ein Hauptverfahren eingeleitet werden könnte, kann Krekeler nicht abschätzen. Das sei auch von Verfügbarkeiten am Landgericht abhängig. Für ihn wird es in dem Verfahren wesentlich um zwei Kernfragen gehen:
Eine sei, inwieweit die Einsatzplanung zu Katastrophe geführt habe. Die zweite: Auf welchen Anreiz hin haben die Polizeibeamten Pfefferspray und Taser eingesetzt und der 29-jährige Polizist letztlich geschossen?
Christoph Krekeler glaubt nicht, dass die öffentliche Aufmerksamkeit, die der Fall auch bundesweit erreicht hat, eine Rolle für das Verfahren spielen wird. Das dürfe sie auch nicht, sagt der Anwalt. „Mein Mandant vertraut darauf, dass der Fall mit der gebotenen Sachlichkeit durch Gericht, Staatsanwalt und alle anderen Beteiligten behandelt wird.“
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