Es gibt Menschen, die auf die Ehe schwören – und andere, die glauben, sie würde eine authentische Liebe verhindern. Die Unnaer Paartherapeutin Jennifer Angersbach sieht das Thema differenzierter. Nicht die Ehe an sich, sondern die Abhängigkeit vom Partner, die auch bei unverheirateten Paaren ungesund werden kann, sei das Problem. Und doch könnten Paare auch unverheiratet lange glücklich sein.
Für den einen bedeutet Ehe etwas Romantisches, für andere ist sie praktisch: Kann die Ehe tatsächlich zum Beziehungskiller werden?
Zum Beziehungskiller wird weniger die Ehe – vielmehr ein Gefühl von Sicherheit, das durch die Ehe, aber auch durch den Zusammenzug, ein Kind oder auch eine gewisse Dauer der Partnerschaft dazu führen kann, sich nicht mehr um einander zu bemühen. Die Ehe schützt also nicht vor einer unglücklichen Beziehung, sorgt aber auch nicht für mehr Glück innerhalb dieser.
Wie gehen Paare damit um, wenn einer heiraten will und der andere nicht?
Die Ehe ist etwas Symbolisches. Welche Symbolik sie für den Einzelnen hat, ist unterschiedlich: Für manche symbolisiert sie eine Art „Knast“, weshalb ja auch heute noch der „letzte Tag in Freiheit“ mit dem Junggesellinnen- und Junggesellenabschied gefeiert wird. Für andere ist die Ehe ein Symbol für Verbindlichkeit und Sicherheit. Oder auch für die Liebe.
Wer mit der Ehe als Beobachter der Eltern, im Freundeskreis oder eben auch schon eigene negative Erfahrungen gemacht hat, der verbindet mit Ehe vielleicht eher „Abhängigkeit“ oder „Zwang“ und lehnt dies kategorisch für seine glückliche und freiwillige Partnerschaft ab. Verbindet das Gegenüber in dem Fall die Ehe mit Liebe und Verbindlichkeit, kann die Ablehnung für Kränkungen sorgen. Hier gilt, genau zu verstehen, was und wieviel sich das Gegenüber von Ehe verspricht, um nach Alternativen zu suchen oder innerhalb der Partnerschaft für mehr Sicherheit zu sorgen: Durch Gesten, Symbole wie Ringe, oder auch durch so unromantische Aspekte wie einer eingetragenen Lebenspartnerschaft, die gewisse Rechte und Vorteile mit sich bringt.

Gibt es ein Erfolgsrezept für eine lange, glückliche Beziehung – ohne verheiratet zu sein?
Es gibt sogar Formeln und Prinzipien, die eingehalten werden können, und wissenschaftlich fundiert von Dr. John Gottman über Jahre herausgearbeitet wurden:
1. Partnerlandkarten anfertigen & aktualisieren
Weiß ich um die Vergangenheit, prägende Erfahrungen, Freundschaften, Leidenschaften usw.? Gemeint ist, sich wirklich miteinander auseinanderzusetzen und kennenzulernen.
2. Zuneigung & Bewunderung
Oft wird die Wertschätzung vernachlässigt und diese einzufordern ist schambehaftet. Wer im Alltag bewusst darauf achtet das Positive zu sehen und zu benennen, der wird auch langfristig eine positive und glückliche Beziehung führen.
3. Zuwendung
Hier geht es um ein „Wir-Gefühl“, sich aufeinander zu beziehen, sich zuwenden, durch Interesse und ein bewusstes Zuhören, das eher geprägt ist von Bestätigung, als Ignoranz oder Ablehnung. Auch Rücksichtnahme und Anpassung fallen hierunter. Es geht nicht um ein ‚zwanghaftes Fügen‘, vielmehr darum, die Bereitschaft zu haben etwas für den Anderen zu tun – freiwillig zu verzichten statt sich aufzuopfern.
4. Beeinflussung durch das Gegenüber
Bei Problemen im Job, oder Entscheidungen offen für die Meinung und Argumente des Anderen zu sein und diese Meinung auch einzufordern.
5. Lösbare Probleme lösen
Oft warten wir zu lang, bis wir ein unerfülltes Bedürfnis oder ein Fehlverhalten ansprechen und konfrontieren unser Gegenüber erst, wenn es gar nicht mehr anders geht. Es kommt zum Vorwurf, zur Kränkung, zum Streit bis hin zum Machtkampf. Es geht dann nur noch ums Gewinnen. Das kann durch transparente Kommunikation geprägt von einem „Verstehen wollen“ und „Akzeptanz“ verhindert werden.
6. Unlösbare Probleme akzeptieren durch das Verstehen
Beispiel Eheschließung: Hier gibt‘s keinen Kompromiss, ich kann nur verstehen und nach Alternativen suchen, mit denen ich das Bedürfnis, etwa nach Verbindlichkeit, stillen kann.
7. Gemeinsamer Sinn
Hiermit sind Rituale, Symbole, Ziele, und auch Vorstellungen und Absprachen innerhalb der Rollen oder Aufgabenteilung gemeint. Das verbindet, gibt Stabilität und sorgt für mehr Sinn, für den es sich lohnt dranzubleiben.
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