„Die Menschen, die verzweifelt hereinkommen, sind die Tierbesitzer“, sagt Jolanthe Nowakowski, die Prokuristin der Dortmunder Friedhofsgärtner Genossenschaft. Im Haus Am Gottesacker, wo sie und ihr Team ihre Kunden empfangen, gehen täglich viele Trauernde ein und aus. Menschen, die Angehörige bestatten lassen möchten. Aber auch Trauernde, die sich von einem geliebten Haustier verabschieden müssen. Die größeren Emotionen erleben die Bestattungs-Experten dabei ganz oft bei Menschen, die um Tiere trauern.
Das mag schon an einem grundsätzlichen Unterschied liegen, der Bestattungen von Mensch und Tier unterscheidet: Menschen muss man beisetzen lassen, Tiere nicht. „Es kommen durchaus Humankunden vorbei, die es vorsichtig erzählen: Man muss da eine Person bestatten lassen, zu der man wenig Kontakt hatte, die keine wichtige Rolle im Leben spielte. Oder mit der man sich gestritten hatte, es starke Differenzen gab“, sagt Jolanthe Nowakowski. In solchen Fällen fließen nicht automatisch Tränen, einige Gespräche mit den Bestattern sind nicht so hochemotional, wie man es vielleicht erwarten würde.
Ertrunkener Igel beigesetzt
Geht es um Tierbestattungen, gibt es solche Ausnahmen nicht: Menschen, die sich für eine Tierbestattung interessieren, tun das freiwillig, aus tiefer Überzeugung. Dementsprechend emotional sind die Betroffenen. „Ganz oft fließen da viele Tränen, und jeder, der schon mal ein Haustier verabschieden musste, kann das gut nachvollziehen“, sagt Nowakowski. So geht es auch Alina Wackermann. Sie ist im Team der Friedhofsgärtner Genossenschaft die Spezialistin für Tierbestattungen, berät täglich Kunden dazu. Was für die Kunden, aber auch für die Bestatterin völlig klar ist: „Ein Haustier ist nicht nur ein Tier, sondern ein Familienmitglied.“ Und dafür möchte man einen würdigen Abschied.
Von außen betrachtet wirkt manch eine Geschichte, die die Bestatter erzählen, kurios. Hat man kein Haustier, neigt man im ersten Moment vielleicht dazu, den Kopf zu schütteln. Bei einigen Geschichten geben die beiden Frauen frei heraus zu, dass man die Anfrage im ersten Moment als überaus überraschend empfunden hat.
Hört man aber genau zu, was Jolanthe Nowakowski und Alina Wackermann erzählen, dann ahnt man, wie große Emotionen mit Tierbestattungen zusammenhängen, wie intensiv die Besitzer ihre tierischen Begleiter lieben und wie unsagbar schwer vielen von ihnen der letzte Abschied fällt. Oft geht es um Hunde und Katzen, die den Großteil der Tiere ausmachen, die auf dem Tierfriedhof am Rennweg bestattet sind. Aber auch Vögel, Schlangen, Meerschweinchen und Co. haben für ihre Besitzer oft einen so hohen Stellenwert, dass die Bestatter kontaktiert werden.
Selbst die Beisetzung eines Igels haben die Tierbestatter in Dortmund schon organisiert – auch für die Experten eine ungewöhnliche, seltene Anfrage. „Der Igel lebte im Garten der Familie, wurde täglich von ihnen gefüttert“, erzählt Alina Wackermann. Eine Routine, die ein abruptes und tragisches Ende fand: Eines Morgens fanden Mutter und Sohn den Igel tot im Garten – ertrunken im Pool der Familie. Die Mutter rief die Tierbestatter an, die sich um eine würdige Beerdigung kümmerten. Dass der Wunsch nach der Bestattung dabei längst nicht nur der ersten Emotion geschuldet ist, zeigt sich in diesem Fall eindeutig: „Die Familie besucht die Grabstätte regelmäßig.“
Eindeutig der Abteilung kurios zuzuordnen ist eine Episode, die die Bestattungsexperten beim ersten Telefonat zunächst sehr stutzen ließ: „Da rief eine Dame an, die hatte Ratten als Haustiere – und fragte, ob wir vorbeikommen können und eine ganze Tiefkühltruhe voll mit toten Ratten zur Kremierung abholen können“, schildert Jolanthe Nowakowski. Auf Nachfrage erfuhren die Bestatter, was sich zuvor zugetragen hatte: „Die Dame wohnte in einem Mehrfamilienhaus und hielt dort Ratten als Haustiere. Sie hatte anfangs wohl auch mal eine tote Ratte in die Biotonne geworfen, aber das hatte Ärger mit den Nachbarn gegeben.“
Tote Ratten eingefroren
Die vorübergehende Lösung: „Sie hat sich dann eine Tiefkühltruhe gekauft und immer, wenn eine Ratte gestorben ist, kam die da rein.“ Als die Truhe voll war, griff die Frau zum Telefon und rief die Tierbestatter an, die einen solchen Fall zuvor noch nie erlebt hatten. Letztlich fuhr der damalige Geschäftsführer hin – und fand tatsächlich die volle Truhe vor. Die Ratten wurden gesammelt in einem Krematorium verbrannt und die Asche wieder an die Besitzerin übergeben.
Die Anzahl der Tiere war für die Tierbestatter in diesem Fall außergewöhnlich. Dass Tiere noch eine Weile zu Hause aufbewahrt werden, sei hingegen nicht selten: Es komme oft vor, dass ein Tier gestorben sei und sich die Besitzer erst ein paar Tage später melden. „Da werden Tiefkühlsachen aus der Truhe geholt und das Tier hineingelegt“, so Wackermann. „Der Schritt, das Tier weggeben zu müssen, ist dann noch zu schwierig, die Besitzer müssen sich erst sortieren.“ Wie unfassbar der Tod des Tieres für den Besitzer sei, zeige sich oft beim Abholen: „Selbst, wenn das Tier schon gekühlt wurde, bitten viele noch darum, dass wir den Tod des Tieres feststellen, bevor wir es mitnehmen.“

Im krassen Gegensatz zu solchen Situationen steht ein Fall, der Alina Wackermann besonders berührte: Sie hatte eine Kundin am Telefon, die mit ihren Hunden zum Spazierengehen unterwegs war. „Sie sind ihr weggelaufen und wurden von einem Zug erfasst, vor den Augen der Frau“, schildert die Dortmunderin. Noch von der Unfallstelle aus rief die Dame an, „sie war natürlich völlig aufgelöst.“ In einer Art Wanne brachte die geschockte Tierhalterin die blutigen Überreste ihrer zwei großen Hunde sofort nach dem Unglück auf direktem Weg zum Tierfriedhof. „Sie hatte die Überreste tatsächlich selbst eingesammelt“, erinnert sich Wackermann. Ein Fall, der lange nachwirkte – die Tierbestatterin hatte einige Zeit zuvor selbst eine Hündin verloren, die von einem Auto erfasst worden war.
Es sind nicht selten emotionale Extremsituationen, in denen die Tierbestatter Beistand leisten. „Da ist man fast ein Notfallseelsorger“, so Jolanthe Nowakowski. „Oft sind Kunden mit ihrem Tier beim Arzt und bekommen da die Botschaft: ,Wir müssen jetzt einschläfern.‘ Viele kommen direkt im Anschluss völlig geschockt hier an. Kurz zuvor war die Welt noch in Ordnung, da ahnten viele noch nicht, dass sie sich von ihrem Familienmitglied verabschieden müssen.“
In einigen Fällen sind die Bestatter sogar dabei, wenn ein Tier eingeschläfert wird. „Wenn Kunden uns sofort informieren, kann es passieren, dass wir beim Einschläfern mit dabei sind. Das ist ein sehr intimer, hochemotionaler Moment, wenn die ganze Familie drumherum steht, während das Tier eingeschläfert wird. Und man sieht, wie alle weinen und leiden.“
Zwangsläufig bekommen die beiden Frauen und die Kollegen dabei viele Schicksale mit. Hören sich Geschichten über das Tier an, sehen sich Fotos an, die gezeigt werden. Oft werden auch noch Fotos der gestorbenen Tiere gemacht – eine allerletzte Erinnerung, bevor die Bestatter die Tiere übernehmen. Als sehr bewegend beschreiben Alina Wackermann und Jolanthe Nowakowski den Abschied einer Familie von ihrem Hund, der sich über zwei Stunden hinzog.
Die Familie hatte das Tier nach dem Tod noch drei Tage zu Hause behalten, um ganz in Ruhe Abschied zu nehmen. Bei der Übergabe am Tierfriedhof wurden dann noch viele Fotos gemacht. „Zunächst im Liegen auf der Wiese. Aber auch Detailaufnahmen, wie der Kopf gestreichelt wird. Oder der Hund wurde hingestellt und im Arm gehalten“, so Wackermann. Die Bestatter ließen der Familie die Zeit, die sie brauchte. „Sie konnten einfach nicht loslassen“, sagt Wackermann mit viel Mitgefühl in der Stimme.
„Entsorgung“ keine Option
Ein Fall, der zeigt, wie stark die Verbindung zwischen Mensch und Tier sein kann. Besonders intensiv erleben die Tierbestatter dies auch bei Kindern: „Da ist es oft so, dass die Kinder das Tier ihr komplettes Leben lang kennen. Sie verlieren von jetzt auf gleich nicht nur ihr Haustier, sondern einen Tröster, besten Freund und Kummerkasten. Hier empfehlen wir gerne je nach Alter der Kinder, ein Bild zu malen oder einen Abschiedsbrief zu schreiben, der dann in den Sarg oder die Urne gelegt wird. Auch das Verschönern von Sarg oder Urne durch Bemalen oder Bekleben kann den Kindern das Gefühl geben, dem geliebten Tier noch etwas Gutes tun zu können“, berichtet Nowakowski.
„Sehr hoch ist der Stellenwert des Haustiers oft auch bei älteren Menschen, die vielleicht allein leben – da ist das Tier immer an der Seite, immer um einen herum und damit wichtiger Sozialpartner. Dann ist der Wunsch nach einem würdevollen Abschied sehr groß und die Tierkörperbeseitigungsanstalt keine Option“, so Nowakowski.
Das kann auch Alina Wackermann sehr gut nachvollziehen: „Auf Wunsch spreche ich auch mal mit Kunden darüber, was passiert, wenn man das Tier beim Tierarzt lässt, es in die Tierkörperbeseitigungsanstalt gebracht wird. Das ist letztlich eine Entsorgung, wie ein Joghurtbecher, der im Müll landet. Dabei ist es doch mein Tier, das ich liebe. Für mich passt das nicht zusammen.“