Dortmunder Tierärzte verkaufen Praxis an internationalen Konzern Das bedeutet dieser Schritt

Tierarztpraxis Am Dorney verkauft: Dr. Carola Möhrke nennt die Gründe
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Diese Nachricht sorgt für Gesprächsstoff und Verunsicherung, vor allem in den sozialen Netzwerken: Eine bekannte Tierarztpraxis in Dortmund ist nicht mehr eigentümergeführt, sondern gehört nun einem internationalen Konzern – der europäischen Tiermedizin-Gruppe IVC (Independent Vetcare) Evidensia.

Einige Halter befürchten unter anderem, dass sich aufgrund der Übernahme durch einen investorengeführten Konzern die medizinische Versorgung ihrer Tiere verschlechtern und die Behandlungspreise erhöhen könnten. Andere wiederum gehen mit der Nachricht entspannt um.

Wir beantworten die drängendsten Fragen, die uns zum einem die bisherige Praxisinhaberin Dr. Carola Möhrke von der „Praxis am Dorney“ in Dortmund-Kley beantwortet hat. Zum anderen sind hier Informationen aus der Fachpresse und der Tiermedizin-Gruppe zusammengefasst.

Bis Februar 2025 führten Dr. Carola Möhrke und ihr Ehemann Dr. Hauke Rösch als Eigentümer die Praxis, die die Dortmunderin 1997 in ihrem Elternhaus an der Dorneystraße 65 eröffnet hatte. Seit dem Verkauf sind beide Standortleiter. Derzeit sind dort 55 Mitarbeitende beschäftigt. Die Praxis deckt das gesamte Spektrum der Kleintiermedizin ab – mit den Schwerpunkten Chirurgie, Sonografie, Reproduktionsmedizin, zahnmedizinische Behandlungen und Heimtiere.

Wer ist die europäische Tiermedizin-Gruppe IVC Evidensia?

Sie ist Europas größter Anbieter tierärztlicher Versorgung und weltweit die Nummer zwei. Das Unternehmen ist in 20 Ländern tätig. Zu IVC Evidensia gehören nach eigenen Angaben circa 2500 Tierkliniken und -praxen mit 38.000 Angestellten, die jährlich etwa 10 Millionen Behandlungen durchführen. IVC Evidensia gehört zur schwedischen Investmentgesellschaft EQT Partners AB und ist seit 2015 im deutschsprachigen Raum aktiv. Laut Financial Times erwägt der Tierarztkonzern einen Börsengang in London.

Welche Ziele verfolgt IVC Evidensia?

Das Unternehmen verfolgt nach eigenen Angaben das Ziel, durch die Zusammenarbeit in einer großen, paneuropäischen Gruppe Synergien zu nutzen, die Qualität der tiermedizinischen Versorgung zu verbessern und die Weiterentwicklung der Tiermedizin zu fördern. Weiter heißt es: Es legt Wert auf interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Tierärzten und Spezialisten, um eine hohe Behandlungsqualität sicherzustellen.

Wie wird in der Fachwelt über große tiermedizinische Ketten wie Evidensia diskutiert?

Es gibt auf der einen Seite Zustimmung, mit Blick auf die oben genannten Ziele. Auf der anderen Seite sind auch kritische Stimmen zu hören, die die zunehmende Marktdurchdringung und die Konzentration im Bereich der Tiermedizin durch große Ketten wie IVC Evidensia anprangern.

Diese Kritiker befürchten etwa, dass die Kontrolle über Standorte und Personal wächst und das wirtschaftliche Interesse dominiert, was zu steigenden Behandlungskosten und einer stärkeren Einflussnahme auf die Arbeitsbedingungen in der Tiermedizin führen könnte. Zudem wird die mögliche Einflussnahme auf Gebühren und Gehälter der Tierärzte diskutiert.

Warum haben sich Carola Möhrke und Hauke Rösch entschieden, ihre Tierarztpraxis in Kley an Evidensia zu verkaufen – auch vor dem Hintergrund, dass einer ihrer Söhne Tiermedizin studiert und die Praxis hätte übernehmen können?

Man habe sich gemeinsam als Familie für diese Form der Nachfolgeregelung entschieden, schreibt Carola Möhrke auf Anfrage unserer Redaktion. Man habe eine langfristige Perspektive nicht nur für die tierischen Patienten, sondern auch für das Team schaffen wollen. Möglich gemacht habe das letztlich eine langjährige Kollegin. „Mira Schaffeld ist in die Führungsposition gewechselt und wird nun verantwortlich die Entwicklung der Praxis mitgestalten.“ Deshalb habe die Familie den gemeinsamen Entschluss gefasst, sich der IVC Evidensia anzuschließen und gleichberechtigte Partnerin zu werden.

Drei Tierärzte stehen von einer Hecke in Dortmund-Kley.
Dr. Carola Möhrke und Dr. Hauke Rösch mit ihren neuen Praxisleiterin Dr. Mira Schaffeld. © Tierarztpraxis am Dorney

Welche Vorteile erwarten sich die beiden Tierärzte von dem Verkauf?

Durch die Übernahme, ist Carola Möhrke überzeugt, schaffe man zum einen Sicherheit in Bezug auf die Zukunft der Praxis. Zum anderen sei es auch eine sehr persönliche Entscheidung: „Meinem Mann und mir wurde in den letzten Jahren immer mehr bewusst, wie viel Verantwortung wir tragen und wie viel Druck auf unseren Schultern lastet.“

Als Team könne man nun von weiteren Investitionen der IVC Evidensia profitieren. Dazu gehörten unter anderem Weiterbildungsmöglichkeiten für die Mitarbeitenden und präventive Gesundheits-Angebote für das Team. Die bisherige Qualität der Arbeit würde nicht leiden, so Dr. Carola Möhrke. Im Gegenteil: „Als Teil eines großen Netzwerks können wir unsere ohnehin hohen medizinischen Standards kontinuierlich weiter ausbauen und bei Bedarf um weitere Angebote ergänzen, zum Beispiel mit zusätzlichen digitalen Services für unsere Patienten und Patientinnen.“

Die möglicherweise (zu) große Einflussnahme durch den Investor wird in der Branche teilweise kritisch gesehen. Welche Erfahrungen hat die Praxis Am Dorney bislang gemacht? Wie hat sich Arbeitsalltag durch den Verkauf verändert?

Carola Möhrke hat nach eigenen Angaben bislang ausschließlich gute Erfahrungen gemacht. „Grundsätzlich behalten wir als lokales Team auch nach der Übernahme weiterhin großen Freiraum. Wir gestalten den Praxisalltag weiterhin eigenständig.“ Neu seien lediglich der Austausch und die Abstimmung mit den regionalen Ansprechpartnern der IVC Evidensia. Man arbeite also weitestgehend unabhängig, könne aber auf die zusätzlichen Angebote und die administrative Infrastruktur der IVC Evidensia zugreifen.

Carola Möhrke: „Lediglich Entscheidung zur langfristigen Personalplanung oder in Bezug auf größere Investitionen werden mit der Evidensia gemeinsam abgestimmt.“ Nach Meinung der Dortmunder Tierärztin spielen die Eigentümerverhältnisse der Praxis für die Tiere und ihre Halter keine wesentliche Rolle: „Das Team vor Ort ist nach wie vor dasselbe. Und auch unsere Angebote werden sich dadurch nicht ändern. Das haben wir auch vor Ort so erklärt, wenn es Nachfragen gab.“

Eine weitere Kritik innerhalb der Branche lautet: Durch den Verkauf an einen internationalen Konzern könnte die Behandlung teurer werden, weil vor allem wirtschaftliche Interessen im Vordergrund stehen.

Dazu Carola Möhrke: „Wir haben uns für den Verkauf an die IVC Evidensia entschieden, weil wir überzeugt sind, dass die tiermedizinische Qualität für die Evidensia immer im Mittelpunkt steht. So werden beispielsweise alle Evidensia- Praxen und -Kliniken ausschließlich von ausgebildeten Tierärzten und Tierärztinnen geleitet.“ Das sei ein klares Qualitätsmerkmal, auf das sich die Tierhalter auch in Zukunft verlassen könnten.

Ist die Tierarztpraxis am Dorney die erste Tierarztpraxis in Dortmund, die an Evidensia verkauft hat?

Laut Homepage ist die Kleyer Praxis tatsächlich die bislang einzige Evidensia-Praxis in Dortmund. Das Netzwerk in Nordrhein-Westfalen ist aber durchaus groß – mit Evidensia-Praxen unter anderem in Bielefeld, Düsseldorf, Oberhausen und Mühlheim.

Würde Carola Möhrke anderen Tierarzt-Praxen raten, auch diesen Weg zu gehen?

„Natürlich muss jeder Tierarzt und jede Tierärztin für sich entscheiden, ob und wenn ja, zu welchem Zeitpunkt ein Verkauf an die IVC Evidensia der richtige Schritt ist. Wenn man aber nach einer Möglichkeit sucht, die eigene Praxis zu übergeben und dadurch eine langfristige Sicherheit für den Standort zu schaffen und man gleichzeitig von den Vorteilen eines großen Netzwerks profitieren will, dann ist ein Verkauf an die IVC Evidensia sicherlich eine gute Option.“