
© Michael Nickel (A)
Tempo 30 in der ganzen Stadt – eine Option für Dortmund?
Verkehrspolitik
Die Grünen im NRW-Landtag fordern flächendeckend Tempo 30 in geschlossenen Ortschaften. 30 km/h auf der Wittbräucker Straße oder der Kemminghauser Straße? So steht die Dortmunder Politik dazu.
Seit 1957 gilt in Deutschland innerorts eine generelle Geschwindigkeitsbeschränkung von 50 Kilometern pro Stunde – festgelegt in der Straßenverkehrsordnung (StVO). Tempo 30 ist dagegen nur in begründeten Ausnahmen erlaubt.
Nun fordern die Grünen im nordrhein-westfälischen Landtag ein grundsätzliches Tempo-Limit von 30 Kilometern pro Stunde in den Städten und wollen den Vorschlag in der nächsten Woche parlamentarisch beraten.
Tempo 30 als Regel-Höchstgeschwindigkeit soll für mehr Verkehrssicherheit, weniger Lärm und bessere Luft sorgen. NRW-Verkehrsminister Hendrik Wüst soll eine Bundesratsinitiative für eine entsprechende Änderung der Straßenverkehrsordnung auf den Weg bringen.
Zwei Beispiele
Wie Tempo 30 sich auf Hauptverkehrsstraßen in Dortmund auswirken würde, kann man seit 2020 mit der Umweltspur an der Brackeler Straße und seit April 2020 an der Ruhrallee beobachten. Weil die Luftschadstoffe überhöht waren, versucht man dort, den Autoverkehr zu drosseln oder zu verdrängen.
Darauf hatte sich die Stadt mit dem Land und der Deutschen Umwelthilfe geeinigt, um drohende Diesel-Fahrverbote zu verhindern, nachdem die Umwelthilfe wegen der Überschreitung der EU-Grenzwerte für Stickstoffdioxid geklagt hatte. Zumindest für die Luftreinhaltung haben diese Maßnahmen tatsächlich Wirkung gezeigt.
Doch würde die Dortmunder Politik tatsächlich dem Vorschlag der NRW-Grünen folgen und flächendeckend oder zumindest als Modellprojekt generell Tempo 30 einführen? Denn auch auf dem Hauptverkehrsstraßennetz könnten Kommunen zum Beispiel aus Gründen der Verkehrssicherheit oder zur Reduzierung von Verkehrslärm und Abgasen „durchaus die zulässige Höchstgeschwindigkeit reduzieren“, heißt es auf Anfrage aus dem NRW-Verkehrsministerium, das bei dem Grünen-Vorschlag aber auf die Bremse tritt.
Für die CDU „nicht denkbar“
Man müsse dabei berücksichtigen, dass „auf Hauptverkehrsadern innerorts bei einem flächendeckenden Tempo 30 die Mobilität von Menschen und Gütern beeinträchtigt wäre. Es bedarf daher immer einer ganzheitlichen Betrachtung des Verkehrs, bei der auch die Belange des ÖPNV berücksichtigt werden.“
Aktuell sei es aufgrund der Gesetzeslage nicht möglich, ein generelles Tempolimit von 30 km/h in einer Stadt oder einem Stadtteil anzuordnen, sagen die SPD-Fraktionschefin Carla Neumann-Lieven und die verkehrspolitische Sprecherin Gudrun Heidkamp. Im Rahmen eines Modellversuchs, der von der Bezirksregierung Arnsberg genehmigt werden müsste, wäre dies allerdings für einzelne Stadtteile eine Option. „Generell sind wir als SPD-Fraktion dem Thema positiv gegenüber eingestellt und warten auf mögliche gesetzliche Änderungen. Daher wäre zum jetzigen Zeitpunkt auch ein Modellversuch in einem Stadtteil für uns denkbar.“
Die CDU-Ratsfraktion in Dortmund hatte schon im Rahmen ihrer Projektgemeinschaft mit den Grünen als Kompromissformel eine Ausweitung von Tempo 30 im Stadtgebiet beschlossen. Man sei nicht die Beton-CDU unterstreicht Fraktionschef Dr. Jendrik Suck. Ausweitung ja, doch flächendeckend Tempo 30 im gesamten Stadtgebiet „ist nicht denkbar für uns. Nein.“
Um den Verkehrsfluss zu erhalten und nicht für Chaos und Frust zu sorgen, müssten die Maßnahmen mit Blick auf das große Ganze austariert sein und Sinn ergeben, um überhaupt akzeptiert zu werden, sagt Suck: „Dortmund ist eine Flächenstadt. Je weiter wir rausgehen, umso abstruser wird das doch.“
Autofreie Quartiere
Die Grünen hingegen, könnten sich Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit „perfekt vorstellen“, sagt Fraktionssprecherin Ingrid Reuter mit Hinweis auf Entschleunigung und Verkehrssicherheit. „Wir würden das gern bis zur Stadtgrenze ausweiten.“ Aber auch ein Pilotprojekt in einem Teil des Stadtgebietes könne schon ein guter Anfang sein.
Auch Die Linke steht der Idee der NRW-Grünen grundsätzlich positiv gegenüber. Sie hat bereits in ihrem Kommunalwahlprogramm die Ausweitung der Tempo-30-Zonen beschlossen. „Ein Modellversuch in einem Stadtteil wäre sicherlich interessant“, sagt Utz Kowalewski, Fraktionschef der Linken. „Grundsätzlich befürworten wir durchaus auch autofreie Quartiere.“
Eine Einzelmaßnahme reiche aber nicht, so Kowalewski. „Park-und-Ride-Angebote und eine deutliche Stärkung des ÖPNV sind dringend nötig.“
FDP: „Pauschal und willkürlich“
„Die FDP lehnt solche Überlegungen ab“, sagt Michael Kauch, Fraktionschef von FDP/Bürgerliste in seiner Funktion als FDP-Kreisvorsitzender. Die Grünen wollten die Mobilität der Menschen „pauschal und willkürlich behindern“. Der grüne Vorschlag träfe nicht nur Autofahrer, sondern auch die Kunden des öffentlichen Nahverkehrs. In Wohngebieten und an Gefahrenstellen bestehe heute schon die Möglichkeit, Tempo-30-Zonen einzurichten.
Ablehnung auch von der AfD. Fraktionschef Heiner Garbe nennt den Vorschlag Tempo 30 innerorts „ein abseitiges grünes Traum-Modell, das umwelt- und verkehrspolitisch schädlich ist und den Kampf gegen das Auto weiter befördern soll“. Das werde auch von den Bürgern letztlich nicht akzeptiert. Gleiches gelte auch für einen Modellversuch, so Garbe. Tempo 30 müsse die Ausnahme für Streckenabschnitte mit besonderem Gefährdungspotenzial wie vor Schulen und Krankenhäusern bleiben.
Zustimmung kommt dagegen von „Die Fraktion“ der Satire-Partei „Die Partei“. Man würde sogar noch einen Schritt weitergehen, sagt Fraktionssprecher Olaf Schlösser, „und zum Beispiel den Wall in der Innenstadt zum autofreien Grünstreifen und die B1 zur Spielstraße umgestalten. SUVs dürfen dann nur noch auf Landstraßen fahren.“ Das könne aber nur der Anfang der Verkehrswende sein: „Wir müssen Anreize schaffen, öfter oder ausschließlich den ÖPNV, das Rad oder ähnliches zu nutzen.“
Und dann wird es richtig satirisch: „Alternativ schlagen wir eine Innenfreie Autostadt vor.“
Stellvertretende Leiterin der Dortmunder Stadtredaktion - Seit April 1983 Redakteurin in der Dortmunder Stadtredaktion der Ruhr Nachrichten. Dort zuständig unter anderem für Kommunalpolitik. 1981 Magisterabschluss an der Universität Bochum (Anglistik, Amerikanistik, Romanistik).
