Taser-Einsatz im Fall Mouhamed D. Polizisten sollen gegen Vorschrift verstoßen haben

Taser-Einsatz: Polizisten sollen gegen Vorschrift verstoßen haben
Lesezeit

Rund drei Monate nach dem Tod von Mouhamed D., der bei einem Polizeieinsatz in der Dortmunder Nordstadt erschossen worden war, sind weiterhin viele Fragen offen. Recherchen des WDR-Magazins Westpol werfen nun weitere Fragen auf.

Bei dem Einsatz am 8. August waren 12 Polizeibeamtinnen und -beamte im dabei: Sie wurden in die Missundestraße gerufen, weil sich der 16-jährige Mouhamed D. auf dem Gelände der St.-Antonius-Gemeinde ein Messer vor den Bauch hielt, offenbar in suizidaler Absicht.

Beamte setzen Taser ein

Polizisten sprachen den Jugendlichen zunächst an, setzen danach Pfefferspray gegen Mouhamed D. ein, dann wurde zweimal mit einem Taser auf ihn geschossen, ehe ein Beamter den 16-Jährigen mit seiner Maschinenpistole erschoss. Der ermittelnde Oberstaatsanwalt Carsten Dombert und NRW-Innenminister hatten im Laufe der Ermittlungen Zweifel an der Verhältnismäßigkeit des Einsatzes geäußert.

Ein Polizeibeamter führt den Einsatz einer Elektroimpulswaffe, auch Taser genannt, vor. Das Foto ist Anfang 2021 im regionalen Trainingszentrum der Polizei in Dortmund zum Start der Taser-Pilotphase aufgenommen worden.
Ein Polizeibeamter führt den Einsatz einer Elektroimpulswaffe, auch Taser genannt, vor. Das Foto ist Anfang 2021 im regionalen Trainingszentrum der Polizei in Dortmund zum Start der Taser-Pilotphase aufgenommen worden. © Stephan Schuetze

Recherchen von Westpol zeigen nun, offenbar haben die Beamten mit dem Einsatz des Tasers, dessen offizielle Bezeichnung „Distanzelektroimpulsgerät“ (DEIG) ist, auch gegen eine Dienstvorschrift verstoßen.

„Grundsätzlich nicht geeignet sind DEIG zur Bewältigung von dynamischen Lagen im Kontext von Bedrohungen oder Angriffen mit Hieb-, Stich, Schnitt- oder Schusswaffen“, zitiert das WDR-Magazin aus der Dienstanweisung der NRW-Polizei zum Einsatz der Taser.

Taser-Pilotprojekt in NRW

Das Distanzelektroimpulsgerät ist Anfang 2021 in einem Pilotprojekt in vier Polizeiwachen in Nordrhein-Westfalen eingesetzt worden. In Dortmund sind zu diesem Zeitpunkt zunächst Polizeibeamte der Wache Nord mit der Waffe ausgestattet worden, später folgte die Ausrüstung der Polizisten im gesamten Stadtgebiet.

Trotz unterschiedlicher Ansichten über die Taser haben sich Grüne und CDU in den Koalitionsverhandlungen nach der Landtagswahl in diesem Jahr für eine Fortführung des Pilotprojektes bis Ende des Jahres 2023 ausgesprochen. Bis dahin sollen weitere Polizeibehörden mit dem Taser ausgestattet werden.

Taser bei weiterem tödlichen Einsatz

Im WDR-Bericht wird auch der Polizeiwissenschaftler Martin Thüne zitiert. Er fragt mit Hinblick auf die Dienstvorschrift: „Wenn man das jetzt alles abzieht, was bleibt dann noch übrig?“ Er zweifele deshalb daran, dass Aufwand und Risiko den Nutzen überhaupt noch rechtfertigen.

Eine größere Diskussion über den Taser war zuletzt in der Landespolitik, aber auch in der Dortmunder Politik entbrannt, nachdem im Oktober ein 44-Jähriger bei einem Polizeieinsatz in Dorstfeld gestorben war. Bei diesem war auch ein Taser eingesetzt worden. Die Staatsanwaltschaft berichtete, dass ein Zusammenhang zwischen dem Taser-Einsatz und dem Tod des Mannes bei der Obduktion nicht festgestellt werden konnte. Das sei aber auch schwer nachweisbar.

Neue Details zu tödlichen Schüssen: Wie lange redeten die Polizisten mit Mouhamed D.?

Grüne fordern sofortiges Ende von Taser-Einsätzen – CDU widerspricht

Polizeiforscher kritisiert Reul im Fall Mouhamed: „Was kann ich der Polizei noch glauben?“

Toter nach Polizeieinsatz in Dortmund: Mann soll „wie im Wahn“ gewesen sein