Mord an Sylvia Beerenberg bei Aktenzeichen XY War ein Serientäter in Dortmund am Werk?

Mord an Sylvia Beerenberg: War ein Serientäter in Dortmund am Werk?
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Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel erschien ursprünglich am 23. September 2020. Weil der Mordfall Sylvia Beerenberg am 2. Oktober 2024 Thema in der ZDF-Sendung "Aktenzeichen XY ... ungelöst" ist, haben wir ihn erneut veröffentlicht.

Mord an Sylvia Beerenberg: Sechsfache Mutter stirbt 1987

Die Enkelin hat Oma nie sehen dürfen. Oma starb am 23. Oktober 1987. Sie war schon tot, als Jasmin geboren wurde. „Meine Oma soll laut Erzählungen eine wunderbare, herzensgute Frau gewesen sein. Sie ist leider an dem besagten Tag erstochen worden. Bis heute konnte man den Täter nicht ermitteln“, schreibt Jasmin im Internet, wo es eine Gedenkseite für Großmutter Sylvia gibt.

Sylvia Beerenberg, geboren in Stuttgart im August 1947, Mutter von sechs Kindern und geschieden, war gerade 40 Jahre alt, als man sie in Dortmund oder in Lippetal bei Soest oder irgendwo dazwischen mit dem Messer tötete. Was bei diesem brutalen Verbrechen genau passiert ist? Das weiß man nicht. Das liegt nach fast 37 Jahren noch genau so im Dunkeln wie Näheres zum möglichen Mörder.

Der Fall Sylvia Beerenberg wird wieder aufgerollt

Das muss nicht so bleiben. Der Mordfall Beerenberg wird wieder aufgerollt. Das Landeskriminalamt hat Unterlagen über das Polizeipräsidium in Dortmund angefordert, bestätigte der zuständige Arnsberger Staatsanwalt Thomas Schmelzer unserer Zeitung. Im LKA in Düsseldorf ist es der Erste Kriminalhauptkommissar und Fallanalytiker Andreas Müller, der ungelöste Fälle aus ganz Nordrhein-Westfalen sammelt, die „Cold Cases“. 900 hat er im Visier, um sie mit neuen Methoden und viel Glück vielleicht noch zu klären. Das LKA legt viel Energie in die Sache - auch, wenn die Tat Jahrzehnte zurückliegt.

Es ist ein früher Samstag im Herbst 1987. Spaziergänger sind nahe der Bundesstraße 475 bei Lippetal-Oesterheide unterwegs, als sie auf einem Feldweg gegen 7.30 Uhr die Leiche einer Frau entdecken. Sie ist vollständig bekleidet. Aber in dem Körper sind mehrere Messerstiche zu erkennen. Die Frau ist ein Mordopfer. Die Soester Kripo schaltet ihre Dortmunder Kollegen ein, die anhand der Fingerabdrücke eine Identität ermitteln. Die Tote heißt Sylvia Beerenberg, eine gelernte Friseuse. Längst ging sie einem anderen Beruf nach. Sie war Prostituierte. Ihre Kunden fand sie auf dem Autostrich rund um den Dortmunder Nordmarkt.

Wichtigste Spur führt zum Nordmarkt

Dorthin führt auch die erste und bisher wichtigste Spur in diesem Kapitalverbrechen. Der Polizei der Ruhrgebietsstadt liegt die Aussage einer Kollegin von Beerenberg vor. Sylvia sei am Vorabend, dem 23. Oktober 1987, gegen 20.30 Uhr, in das Auto eines Kunden gestiegen. Es sei ein heller, aber nicht weißer Mercedes älterer Bauart gewesen und habe einen gepflegten Eindruck gemacht, wie auch sein Fahrer. Ein Typ „feiner Pinkel“ sei das gewesen, vielleicht 45 bis 50 Jahre alt, untersetzt, in dunklem Anzug und mit heller Krawatte. Ja, auch eine Brille soll er getragen haben. Mit Metallgestell.

War das der Mörder? Auch: Wo starb Sylvia Beerenberg? Nicht unbedingt muss der Fundort der Leiche der Tatort gewesen sein, mutmaßen die Ermittler. Viel mehr können sie bei den ersten Schritten nicht herausfinden.

Keine drei Jahre später scheint sich das ändern. Wieder geschieht ein furchtbares Verbrechen. Wieder ist eine junge Frau aus Dortmund das Opfer. Wieder spielt die Region rund 50 Kilometer östlich der Stadt eine Rolle, die Umgebung von Soest. Die Polizei glaubt: Hier könnte es einen Zusammenhang geben. Zumal nicht auszuschließen ist, dass ein Serientäter umgeht. Im August und September 1994 waren zwei junge Prostituierte, Anja Barth und Anke Becker, in der Nordstadt umgebracht worden.

Ein Foto aus den 1980er-Jahre zeigt die ermordete Sylvia Beerenberg und ihre Tochter Carmen.
Die ermordete Sylvia Beerenberg (rechts) und ihre Tochter Carmen auf einer Aufnahme aus den 80er-Jahren. © Archiv

Schwer verletzt durch 18 Messerstiche

Sonntag, der 29. April 1990. Ein Autofahrer stößt um 3.40 Uhr an einer Landstraße bei Möhnesee-Ellingsen auf ein junges Mädchen. Sie blutet stark, ist durch 18 Messerstiche schwer verletzt worden. Elvira K., erst 16 Jahre alt, kann durch eine Notoperation gerettet werden. K.‘s Geschichte ist nicht die der Sylvia Beerenberg. Sie ist keine Prostituierte. Aber der Ablauf weist Ähnlichkeiten auf. Elvira berichtet nach ihrer Rettung, sie sei am Vorabend in einer Disco in der Dortmunder City gewesen. Auf dem Weg nach Hause hatte sie zwischen Münster- und Bornstraße ein Auto gesucht, das sie mitnehmen konnte. Ein dunkelblauer Mercedes hatte gestoppt, der Fahrer ließ sie einsteigen. Unterwegs ist sie eingeschlafen und erst aufgewacht, als der Mann in einer ihr unbekannten Gegend mit dem Messer über sie herfiel. Auch von diesem Täter gibt es eine Beschreibung. 30 bis 40 Jahre alt. Rund 1,70 Meter groß, breite Schultern, kurzes, blondes Haar. Er habe gepflegt gewirkt, mit schmalen, weichen Händen - und durchaus mit „Dortmunder Sprachstil“.

Drei Mordopfer, eine Überlebende? Die Polizei in der Stadt hat eine Verbindung zumindest zwischen den Fällen Beerenberg und K. lange beschäftigt. 2014, 24 Jahre nach dem Überfall am Möhnesee, wurde Elvira K., inzwischen eine Altenpflegerin Mitte 30, zu einem außergewöhnlichen Test gebeten. Eine Sitzung mit einer Psychologin, die sie in Hypnose versetzte. Das Ziel: Möglicher Erinnerungsblockaden zu lösen, die es nicht selten bei traumatisierten Verbrechensopfern gibt. Schon bei der Oetker-Entführung war so eine Methode angewendet worden. Im Fall Elvira K. konnten die Ermittlungsbehörden danach ein gegenüber der ersten Darstellungen K.‘s deutlich verändertes Phantombild veröffentlichen. Mit diesem Bild wurde auch nach dem Mörder von Sylvia Beerenberg gefahndet. Ergebnislos.

Fall Sylvia Beerenberg: "Verfahren ist nicht abgeschlossen"

Die Staatsanwaltschaft in Arnsberg ist die zuständige Ermittlungsbehörde, dort ist Staatsanwalt Thomas Schmelzer zuständig für Kapitaldelikte. Er kennt beide Akten. „Im Moment gibt es keine weitere Spur“, sagte er auf Anfrage. Auch die Vernehmung eines früheren Lebensgefährten Sylvia Beerenbergs seien ohne Ergebnis geblieben. „Das Verfahren ist aber nicht abgeschlossen, weil von Mord auszugehen ist“.

Mit einer Darstellung überrascht der Arnsberger Ermittler jedoch: „Ich sehe keine zwingenden Zusammenhänge zwischen den Fällen Sylvia Beerenberg und Elvira. K.“, sagt Schmelzer. Ob denn solche bestehen könne? Das sei „rein spekulativ“.

Erinnerungsseite im Internet

Wird es irgendwann Klarheit geben, wer Sylvia Beerenberg tötete? Beim Landeskriminalamt in Düsseldorf legen sie Wert darauf, dass nur Fälle neu angefasst werden, die auch das „Potenzial“ für eine aussichtsreiche Aufklärung haben. Sylvia Beerenbergs Enkelin Jasmin setzt auf der Erinnerungsseite im Netz alle ihre Hoffnungen „auf Menschen da draußen, die eventuell Hinweise geben könnten und uns unterstützen. Damit die ganze Familie zur Ruhe kommen kann und ganz besonders meine Oma“.