Sie alle arbeiteten bei Karl Hoesch - Hoeschianer und Familienangehörige vor dem alten Werkstor der Westfalenhütte. © Hoescharchiv
150 Jahre Hoesch
Suche nach einem Phantom: Wer war eigentlich dieser Karl Hoesch?
„Ich arbeite bei Karl Hoesch“ war zu Hoch-Zeiten der Dortmunder Stahlära ein geflügelter Satz. Doch wer war eigentlich Karl Hoesch? Er ist sehr bekannt – obwohl es ihn nie gab.
Leopold, Albert, Wilhelm, Viktor und Eberhard - allesamt Vertreter der Familie Hoesch, die die Anfänge des vor 150 Jahren gegründeten Dortmunder Stahlunternehmens mitgeprägt haben. Einen Karl Hoesch sucht man in der Familienchronik allerdings vergebens. Und doch hat er einen festen Platz in den Köpfen und Herzen nicht nur der Hoeschianer und ihrer Familien.
„Der Begriff Karl Hoesch war ein Synonym für die Westfalenhütte. Wo gehst Du hin? Ich geh nach Karl Hoesch“, erklärt Ex-Hoeschianer Udo Szubyn. „Fast jeder in meinem Alter kannte den Namen.“
Die „Kunstfigur“ Karl Hoesch symbolisiere das Zusammengehörigkeitsgefühl der Hoeschianer, erklärt auch Ex-Betriebsrats-Chef Werner Nass. „Und das ist von Generation zu Generation weitergetragen worden.“
Damit sei die Hoffnung verbunden: „Wenn ich nach Karl Hoesch gehe, habe ich eine Chance, dass es mir besser geht und ein Zugehörigkeitsgefühl.“
Peter Kocbek, wie Szubyn und Nass ehrenamtlich im Hoeschmuseum aktiv, beschreibt es ähnlich. „Karl Hoesch bezeichnet das gesamte Sozialgefüge. Du hast einen sicheren Arbeitsplatz gehabt und warst sozial sehr gut untergebracht“, erklärt er. „Die Leute, die bei Hoesch gearbeitet haben, waren eine verschworene Gemeinschaft.“
Wie ein Kamerad
„Karl Hoesch ist wie ein Kamerad, wie in Bekannter - und ein Ausdruck des Gemeinschaftsgefühls unter den Beschäftigten“, formuliert es Karl Lauschke als Vorsitzender des Vereins „Freunde des Hoeschmuseums“.
Der Historiker liefert auch eine mögliche Erklärung für das Phänomen Karl Hoesch. Denn im Gegensatz zu Krupp habe bei Hoesch wegen des frühen Todes von Albert Hoesch nur bis 1898 ein Mitglied der Gründerfamilie das Unternehmen geführt, danach folgte die Ära Springorum an der Spitze des Werks. Karl Hoesch war gewissermaßen Ersatz als Führungsfigur.
Eine Seite im Jubiläumsband für Albert Hoesch zeigt Angehörige der Familie Hoesch. Ein Karl Hoessch ist nicht dabei. © WWA
„Karl Hoesch hat es nie gegeben“, bestätigt Karl-Peter Ellerbrock, Begründer des Hoesch-Archivs und Direktor des Westfälischen Wirtschaftsarchivs. Er hat sich schon im 2005 erschienenen Buch „Stahlzeit in Dortmund“, dem Begleitbuch zur Dauerausstellung des Hoeschmuseums, mit dem Phänomen beschäftigt.
Karl Hoesch sei „zu einem Symbol für jenes Unternehmen geworden, das in Dortmund Stahlgeschichte geschrieben hat“, führt Ellerbrock aus.
40.000 Menschen habe Hoesch allein im Stahlbereich um die Mitte der 1950er Jahre am Standort Dortmund beschäftigt.
„Rechnet man ihre Ehepartner und Kinder sowie die älteren Generationen ein, die längst ihren wohlverdienten Ruhestand genossen, kann man sich leicht vorstellen, wie viele Menschen unmittelbar mit ‚Karl Hoesch‘ verbunden waren“, schreibt Ellerbrock.
Das Idiom Karl Hoesch sei Ausdruck einer Vertrauenskultur, stellt der Wissenschaftler fest. Die mit Karl Hoesch stattfindende Personifizierung und Identifizierung mit dem Unternehmen Hoesch belege, dass alle Vorstandsmitglieder von den Springorums bis Rohwedder „mehr als nur angestellte Manager waren und die Unternehmenskultur bei Hoesch quasi ‚familiäre‘ Züge trug“.
Und auch mehr als 20 Jahre nach dem Ende des Unternehmens stellt Ellerbrock heute fest: „Karl Hoesch lebt.“
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