Es ist ein sonniger Tag in Dortmund-Derne, als Stefanie Rathke von ihrer neuesten Idee erzählt. Vermutlich ist es einer der letzten wirklich sonnigen Tage im November 2023, zumindest lassen es die Temperaturen vermuten: Es ist trotz Sonne schon unter zehn Grad warm. Für die Dernerin, die sich direkt als Steffi vorstellt, ist es höchste Zeit. Sie sammelt Spenden, damit Menschen ohne Obdach in den kommenden kalten Tagen nicht frieren müssen.

„Ich habe letztens meinen Mann gefragt, wie lange wir das schon machen“, sagt sie, „wir haben gemerkt, wir wissen es nicht genau, aber bestimmt schon seit sechs Jahren.“ Doch 2023 ändert sich eine Kleinigkeit. Steffi hat eine Spendenkampagne auf der Seite „Go-Fund-Me“ eingerichtet. „Ich hatte ja erst Sorge, hinterher denken die Leute, ich sacke mir das Geld ein, bei Geld sind die Spender eh immer ein wenig schüchterner.“
Obdachlosigkeit trifft auch Frauen
Schüchtern seien aber nicht nur Spender, sagt Steffi. „Männer und Frauen sind gleichermaßen betroffen von Obdachlosigkeit. Trotzdem kommen Frauen so viel seltener, es ist für sie so viel schambehafteter“, erzählt Steffi in sehr betroffenem Tonfall. Sie achte daher darauf, dass auch viele Hygieneartikel für Frauen gespendet werden.
„Wenn man zum Beispiel beim ‚dm‘ ist, falls man mal Hygieneartikel kauft. Ich fände es super, wenn man einfach ein paar mehr - zum Beispiel Rasierer oder so - holt, als man braucht“, sagt Steffi. Das koste nicht viel, man müsse es nur zu einer Sammelstelle geben. „Ich fürchte aber, dieser extra Fahrtweg stößt manche ab. Das oder das Unwissen, wo man so Spenden am besten hingibt.“ Steffi hat da ihren Anlaufpunkt. Das Gast-Haus in der Rheinischen Straße 22, dort bringt sie auch ihre gesammelten Spenden am Ende hin.

Obdachlosigkeit ist ein Teufelskreis
Gerade jenes Unwissen, was laut Steffi in vielen Teilen der Bevölkerung herrscht, erschwere die Arbeit für Obdachlose. Es gebe viele Vorurteile: „Viele geben Flaschensammlern nicht mal ihr Pfand. Sagen dann: ‚Die sollen mal richtig arbeiten.‘ Aber will man echt sagen, Flaschen sammeln auf der Straße sei ein geiles Leben und sie würden nichts ändern, wenn sie denn könnten? Dass die Leute sagen, ‚ja, jetzt habe ich total Bock obdachlos zu sein, so richtig schön in einer kalten Nacht draußen zu schlafen‘“, sagt sie beinahe fassungslos in ihrer typisch Dortmunder Mundart, „das ist doch Unsinn, so ein Denken.“
„Es ist doch ein Teufelskreis. Man verliert seinen Job, erleidet einen Schicksalsschlag, verliert in der Folge seine Wohnung, bekommt so dann keinen neuen Job, ohne Adresse auch kein Bürgergeld, und und und. Dann kommt man aus der Situation auch einfach kaum mehr raus.“ Für sie ist klar: „Das kann uns alle irgendwann treffen. Wie will man dann leben?“ Ein Grund für sie, Menschen, die es jetzt so getroffen hat, so weit zu helfen, wie sie könne.
Was mit den Spenden passiert
In diesem Jahr dann zusätzlich mit Geld. Bislang hatte Steffi, die sonst als Reinigungskraft an der Mosaikschule in Eving arbeitet, nämlich Sachspenden gesammelt. „Und das wurde 2022 ganz schön viel.“ Da sei alles dabei gewesen - sie zeigt Fotos von vollen Kellern auf dem Smartphone: Kleidung, Schlafsäcke, sogar Kissen oder vornehme Herrenanzüge.
„Wie man merkt, war wirklich nicht alles zu gebrauchen, ich habe die Altkleider vorsortiert, und Sachen, die Obdachlose eher schlechter gebrauchen können, wie Kissen, die sich nur vollsaugen, oder die Anzüge woanders abgegeben, zum Beispiel bei ‚Jacke wie Hose‘ in Scharnhorst“, erzählt sie. Das habe zuletzt bis zum Frühjahr 2023 gedauert, bis alles weg war.
„Alles natürlich immer im Foto dokumentiert, damit für die Spender klar ist, dass ich mit den Spenden auch richtig umgehe“, sagt sie. Das beschäftige sie vor allem bei der neuen Aktion, wo sie aktiv nach Geld fragt. „Daher habe ich auch erst einmal ein kleines Spendenziel gesetzt, von insgesamt 500 Euro. Da kommen wir auch gut voran.“
Helfen statt nur wegschauen
Grundsätzlich sei es Steffi aber gleich, ob Leute nun Geld spenden, oder Altkleider oder Gegenstände. „Wichtig ist, dass Menschen was tun. Es macht mich sauer, wenn Menschen Obdachlose oder irgendein Leid in der Welt sehen und einfach vorbeigehen, es niemandem sagen und nicht helfen.“ So etwas komme für sie nicht infrage, auch wenn ihr bewusst sei, dass man nicht allen helfen kann.
„Man kann die Welt nicht retten. Aber mal jemanden so einen Euro geben, ja Mensch, davon werde ich doch nicht arm“, sagt sie. Sie könne sich nicht wirklich erklären, wieso es für andere nicht normal ist, Menschen in Not zu helfen. „Ich habe nichts Besonderes im Leben erlebt, habe nie gelitten oder war sehr arm. Anderen helfen? Das ist für mich einfach normal, so bin ich groß geworden.“
Details zur Spendenkampagne
Mittlerweile hat ihre Hilfsbereitschaft größere Dimensionen angenommen, als lediglich auf der Straße Lebenden ein paar Euro zuzustecken. „Die ganzen Sachspenden sammle ich und gebe sie an das Gast-Haus in der Rheinischen Straße“, sagt sie. Einen weiteren Verband oder Ähnliches gebe es nicht, sie mache das mit ihrem Mann aus rein persönlichem Interesse.
„Wer ebenfalls Spenden möchte, muss das auch wirklich nicht mir geben, sondern kann sich direkt ans Gast-Haus wenden“, sagt Steffi. Für alle, die vielleicht unsicher sind, „ob sie sich von der Unterstützung doch ein Haus kauft“, wie sie scherzhaft sagt.
Wer spenden möchte, kann Steffi Rathke für weitere Details zu ihrer Aktion erreichen unter rathke.stefanie@gmail.com.