Westrich: Ein Kleinod des Westens mit sehr viel Grün und zu wenig Gastronomie

© Stephan Schütze

Westrich: Ein Kleinod des Westens mit sehr viel Grün und zu wenig Gastronomie

rnStadtteilcheck

Westrich an der Stadtgrenze zu Castrop-Rauxel ist für seine Bewohner ein Kleinod. Ihre Lebensqualität bewerten die Westricher hervorragend – doch ein paar Schattenseiten gibt es auch.

Westrich

, 08.12.2018, 03:30 Uhr / Lesedauer: 4 min

Wer Dennis Horn dabei zuhört, wie er über Westrich redet, der möchte am liebsten sofort dorthin ziehen. „Grün und ruhig“, „Man kann zum Joggen rausgehen“, „Wenn man ins Kino möchte, sind das Cinestar und das UCI im Ruhr Park gleich nah“, „Wir haben den Edeka in Bövinghausen und den Rewe in Kirchlinde.“ Seine kurze Zusammenfassung: „Wir profitieren von den Vorzügen aller anderen Ortsteile und haben deren Nachteile nicht.“ Zu diesen Nachteilen zählt er zum Beispiel die hohe Verkehrsbelastung in anderen Stadtteilen.

Dennis Horn muss es wissen. Er lebt seit 1981 in Westrich, seitdem er 18 Monate alt ist. Seine Tante Silvia Kimenkowski betreut den Kiosk an der Hangeneystraße, der so etwas wie der einzige Treffpunkt im Ort ist. Der „Flurfunk“ Westrichs sei da zu hören, kommentiert der 38-Jährige.

Auch die Westricher wissen das Angebot der Bude offenbar sehr zu schätzen, denn obwohl man außer am Kiosk nur noch beim Bäcker und der SB-Tankstelle überhaupt etwas kaufen kann, schneidet Westrich bei der Frage nach der Nahversorgung im Stadtteilcheck mit neun von zehn möglichen Punkten ab – und liegt damit im Stadtmittel. Aber vielleicht liegt es ja wirklich an der Nähe zum Angebot in den Nachbarvororten Lütgendortmund, Kirchlinde und Bövinghausen.

Insgesamt haben die 55 Westricher, die am Stadtteilcheck teilgenommen haben, die Lebensqualität mit starken neun von zehn Punkten bewertet. Oder wie es der für Westrich zuständige evangelische Pfarrer Hans-Otto Witt mit einem Augenzwinkern sagt: „Westrich ist der Süden im Dortmunder Westen geworden.“

Das gute Ergebnis gibt es, obwohl der Vorort in Teilen verloren hat, seit Dennis Horn hier lebt. Die „Scheune“ und die „Esche“, zwei Traditions-Gaststätten, gibt es nicht mehr. Die Sparkasse hat geschlossen und nicht einmal einen Geldautomaten am alten Standort stehen lassen. Auch einen Jugendtreff sucht man vergebens.

Das wurde (noch) positiv bewertet:

Fahrradfreundlichkeit: Die Westricher halten ihren Stadtteil für Fahrrad-freundlich. Acht Punkte haben sie im Schnitt vergeben, der Stadt-Schnitt liegt bei sieben. Warum das so ist, erschließt sich fast schon bei einem Blick aufs Radwegenetz. Nach Norden lassen sich Richtung Castrop-Rauxel viele tolle Touren fahren, zum Beispiel entlang des Radwegs R31 bis zum Schiffshebewerk Henrichenburg nach Waltrop. Und nach Süden gibt es ebenfalls schöne Strecken. Wo es für Radfahrer schön ist, ist es meistens auch für Jogger schön – und das gilt auch in Westrich, zumindest für diejenigen, denen es nichts macht, ein paar kleinere Anstiege einzuschieben. Dennis Horn, der als selbstständiger Personal-Trainer arbeitet, trainiert mit den meisten Kunden zwar nicht in Westrich, mit ein paar von ihnen geht er aber selbst hier laufen.

Einen Topwert erreicht Westrich bei der Frage nach dem „Grün“ ringsherum. Kein Wunder, wie dieser Blick von der Ecke Lütge Vöhde/Bockenfelder Straße Richtung Südwesten zeigt.

Einen Topwert erreicht Westrich bei der Frage nach dem „Grün“ ringsherum. Kein Wunder, wie dieser Blick von der Ecke Lütge Vöhde/Bockenfelder Straße Richtung Südwesten zeigt. © Stephan Schütze

Grün: Noch besser schneidet die Kategorie „Grün“ ab. Hier gab’s im Schnitt die volle Punktzahl: zehn von zehn. Und auch das verwundert Dennis Horn nicht: „Haus Dellwig ist ganz nah dran, zum Industriemuseum Zeche Zollern ist es nicht weit. Auf der einen Seite ist Wald, auf der anderen Seite auch.“ Und mittendrin, ließe sich ergänzen, liegt die Kleingartenanlage, in der auch Dennis Horn selbst einen Garten gepachtet hat.

Sicherheit: Während es um die gefühlte Sicherheit in vielen Ortsteilen um Westrich herum nicht optimal bestellt ist, sieht das in Westrich anders aus. Bei einem Wert von acht Punkten fühlen sich die Westricher jedenfalls sicherer als die Dortmunder in anderen Stadtteilen. Das positive Gefühl bestätigt der Bezirksdienst der Polizei: Zwar gebe es ab und zu Kellereinbrüche, aber praktisch keine Probleme. „Aus unserer Sicht ist es sehr ruhig“, sagt Polizeisprecher Kim Freigang.

Auch einen statistischen Unfallschwerpunkt kann die Polizei nach Aussage ihres Sprechers Kim Freigang in Westrich nirgendwo ausmachen, auch wenn es insbesondere nahe dem Ortseingang aus Richtung Bövinghausen auf der Bockenfelder Straße immer wieder mal kracht. Die Dortmunder Tiefbauamtsleiterin Sylvia Uehlendahl sieht es wie die Polizei: „Aus straßenverkehrsbehördlicher Sicht ist die Bockenfelder Straße hinsichtlich der Unfalllage vollkommen unauffällig.“

Westrich: Ein Kleinod des Westens mit sehr viel Grün und zu wenig Gastronomie

© Grafik: Verena Hasken

Das wurde negativ bewertet:

Bei unserem Stadtteilcheck hat es nur wenig Kategorien gegeben, bei denen die Westricher ihren Ortsteil schlecht oder zumindest schlechter als der Stadt-Durchschnitt einschätzen.

Seelsorge: Westrich erreicht hier zwar gute sieben Punkte, aber der stadtweite Schnitt liegt bei acht. Auf den ersten Blick überraschen selbst diese sieben Punkte noch, angesichts der Tatsache, dass es in Westrich weder eine Kirche noch ein Gemeindehaus oder sonst eine kirchliche Einrichtung gibt. Pfarrer Hans-Otto Witt von der Evangelischen Christus-Gemeinde ist dennoch enttäuscht über den Wert, den er „ein bisschen knapp“ findet. Denn „obwohl es keinen wirklichen Ort gibt, ist Westrich sehr präsent und nah dran an uns“, sagt Witt.

Und er zählt auf: Der Frauengesprächskreis Westrich habe erst im November sein 30-jähriges Bestehen gefeiert. Kinder aus dem Ort seien immer zum Konfirmandenunterricht gekommen. Es habe immer Presbyter aus Westrich gegeben. Jahrelang habe man an den Pfingstmontagen schöne Freiluftgottesdienste in der Kleingartenanlage gefeiert, zu denen der Pfarrer extra ein Modell der Bövinghauser Kirche mitgebracht habe. Mittlerweile sei die Veranstaltung zum Haus Dellwig gewechselt. Außerdem sei er persönlich stets sehr präsent in Westrich, mache dort ganz viele Besuche. Und im Übrigen sei Westrich von Bövinghausen tatsächlich weniger weit entfernt, als man manchmal denkt. Zwischen seiner Kirche und der Tankstelle liegen nur 1,8 Kilometer.

Gastronomie: Seit einiger Zeit hat Westrich ein Restaurant: das Grammophon an der Hangeneystraße, das türkische Gastronomie anbietet. Doch ansonsten ist das gastronomische Angebot Westrichs dünn. In die „Torfabrik“, die einem Facebook-Kommentar zufolge „immer wieder weltgeil“ ist, geht man zum BVB-Gucken, nicht zum Essen. Das griechische Lokal an der Bockenfelder Straße gibt es seit ein paar Jahren nicht mehr. Die Folge: Die Westricher vergeben nur 5 Punkte, stadtweit sind es 7.

Dennis Horn, der schon häufiger im Grammophon zu Gast war, führt das darauf zurück, dass das Restaurant noch relativ neu ist. Denn „das Grammophon ist echt zu empfehlen“, sagt er. Zweimal die Woche gebe es frischen Fisch. Und der Kleingartenverein, der das Lokal verpachtet, könne sich glücklich schätzen, in Hasan Dere einen guten Pächter gefunden zu haben, der selbst von Westrich begeistert sei.

Der Verkehr auf der Bockenfelder Straße ist vielen Westrichern ein Dorn im Auge.

Der Verkehr auf der Bockenfelder Straße ist vielen Westrichern ein Dorn im Auge. © Stephan Schütze

Verkehrsbelastung: Diese Kategorie gehört gar nicht zu den Punkten, in denen Westrich schlechter abschneidet als der Stadt-Schnitt. Mit sechs Punkten liegt man vielmehr genau im Schnitt. Wenn man aber die Anmerkungen liest, die unsere Check-Teilnehmer gemacht haben, sieht das Bild ganz anders aus. Vielleicht liegt das daran, dass Westrich in punkto Verkehrsbelastung alles andere als homogen ist. Auf praktisch allen Straßen fahren durchschnittlich viele (Hangeneystraße) oder kaum Autos (alle anderen) – aber die Bockenfelder Straße, die durch den Ort führt und Bövinghausen mit Kirchlinde verbindet, bedeutet dafür eine umso größere Ausnahme.

„Autos auf Bockenfelder Str. fahren zu schnell“, heißt es in den Anmerkungen. Oder: „Lärmbelästigung durch hohen Verkehr.“ Oder: „Westrich ist ein absolut lebenswerter Ort. Fast perfekt – bis auf die Verkehrssituation der Bockenfelder Str.“ Ein Westricher beklagt, dass sich die Situation seit Einführung der Lkw-Maut noch verschärft habe. Wieder andere Anwohner unterbreiten gleich Vorschläge und fordern die Einführung von Tempo 30 auf der Bockenfelder.

Das aber wird es zumindest im Westricher Ortskern definitiv nicht geben – und zwar sowohl aus rechtlichen wie aus praktischen Gründen. Zum einen komme der Bockenfelder Straße eine „überbezirkliche Bedeutung“ zu und auf diesen Hauptstraßen gelte „grundsätzlich eine zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h“, sagt die Dortmunder Tiefbauamtsleiterin Sylvia Uehlendahl. Allerdings seien auch keine Umstände bekannt, „die ein abschnittsweises Tempolimit rechtfertigen würden“.


Alle Ergebnisse des Stadtteilchecks in unserer Übersichtskarte:

Historie

Ein Teil von Dortmund seit 90 Jahren


Beim Wasserschloss Haus Dellwig streiten sich die Gelehrten, ob es überhaupt zu Westrich gehört oder doch zu Lütgendortmund. Erbaut wurde es im 13. Jahrhundert, hier ist das Haupthaus auf einer Abbildung um 1930 zu sehen.

Beim Wasserschloss Haus Dellwig streiten sich die Gelehrten, ob es überhaupt zu Westrich gehört oder doch zu Lütgendortmund. Erbaut wurde es im 13. Jahrhundert, hier ist das Haupthaus auf einer Abbildung um 1930 zu sehen. © LWL-Medienzentrum für Westfalen

Wie viele andere heutige Ortsteile ist Westrich vor 90 Jahren nach Dortmund eingemeindet worden - genau am 1. April 1928. Die vorherige Eingemeindung lag damals für Westrich erst kurz zurück. Denn seine Eigenständigkeit hatte der kleine Stadtteil schon 19 Jahre zuvor verloren, als Westrich dem benachbarten Bövinghausen eingemeindet wurde. Populärstes Gebäude ist Haus Dellwig, das zwischen Westrich und Lütgendortmund liegt.