Wellinghofen: Radfahren ist hier nur etwas für Mutige
Stadtteilcheck
Besser geht’s nicht: Volle Punktzahl. Die Zehn für das Grün im Stadtteil. Da könnte auch Radfahren so schön sein. Ist es aber nicht. Kathi (43) und Nele Grabowski (5) tun es trotzdem.
Mit sieben Punkten verbuchen die Stadtteile Wellinghofen, Wichlinghofen und Hacheney im Stadtteilcheck in Sachen Radfahren exakt den stadtweiten Durchschnittswert. Den haben die Wellinghofer besonders guten Werten ihrer Nachbarn zu verdanken - und ihrem Mut, sich selbst mit dem Rad auf die Straße zu trauen.
Ähnlich verhält es sich bei der Frage zur Verkehrsbelastung: Die ist sicher in Wichlinghofen schlicht nicht vorhanden, in Hacheney lediglich zu Stoßzeiten auf den größeren Straßen. In den Wohnstraßen ist es ruhig. Die Wellinghofer hingegen ächzen. Wer einmal durch Wellinghofen geht, der weiß warum: Autoschlangen und Busse quälen sich über die Preinstraße. Zu den Stoßzeiten staut es sich auch auf Overgünne und der Wellinghofer Amtsstraße. Und doch: Die Menschen mögen ihr Zuhause.
Das tut auch Kathi Grabowski, die in Hacheney groß geworden ist, und nach kurzer Unterbrechung auch jetzt wieder mit ihrer Familie dort wohnt. Mit dem Rad ist sie jeden Tag Richtung Wellinghofen unterwegs. Die 43-Jährige hat für sich und ihre fünfjährige Tochter eine machbare Route gefunden: über die Feldbank zwischen den Häusern durch auf die Silberhecke weiter Richtung Schlickenkamp und Wellinghofer Amtsstraße.
Dennoch hat die fünfjährige Nele bereits so ihre Erfahrungen gemacht: „Einmal wollte ich mit dem Rad über die Straße und da kam ein Auto, das hat mich fast umgefahren“, erinnert sie sich noch ganz genau an den Schreckmoment am Zebrastreifen ihres Kindergartens an der Wellinghofer Amtsstraße.
Die „erste Hölle“ für sie sei schon die Ampel an der Zillestraße Ecke Hacheneyer Kirchweg, erzählt Kathi Grabowski: Hier versperren Büsche und Gestrüpp die Sicht. Kathi Grabowski sagt, sie habe sich schon deswegen an die Stadt gewandt.
Sie und Tochter Nele werden weiter Rad fahren, allein schon deshalb, weil sie nicht immer ein Auto zur Verfügung hat. Auch zum Einkaufen geht es mit dem Rad nach Wellinghofen. Nur einmal im Monat startet die Familie mit dem Auto zum Großeinkauf.
Die verstopften Straßen beschäftigen längst nicht nur die Grabowskis, sondern auch Politik und Verwaltung. Ergebnisse einer Verkehrszählung bestätigten, was viele empfinden: Der Verkehr hat zugenommen, Spitzenreiter ist die Wellinghofer Amtsstraße mit 25 Prozent mehr Schwerlastverkehr und 21 Prozent mehr Autoverkehr in 2017 im Vergleich zu 2009.
Immer wieder steht das auch auf der Tagesordnung der Bezirksvertretung. Um wenigstens die parkenden Autos weg von der Straße zu kriegen, rückt der Parkplatz am Schulzentrum am Lieberfeld wieder in den Fokus. Der ist auch zwei Jahre nach dieser Idee von Politik und Werbegemeinschaft Wellinghofen noch nicht etabliert.
Vor Jahren einmal gab es Pläne, die U-Bahn-Linie von Hacheney nach Wellinghofen weiterzuführen. Das würde Platz im Dorf schaffen. Gegen die Weiterführung der Trasse hatte grundsätzlich niemand etwas, allerdings sehr wohl gegen die Trassenführung: Die hätte die Gemeinde Heilig-Geist in zwei Teile zerlegt. Die Proteste waren groß. Die Pläne verschwanden in der Schublade.
Aber auch heute noch steht die Verlängerung der Stadtbahn über die bisherige Endstelle Hacheney hinaus nach Wellinghofen im vom Rat beschlossenen Stadtbahnentwicklungskonzept. Und das ist mit einer positiven Einschätzung über Kosten und Nutzen. Die Wahrscheinlichkeit, dass das Thema in absehbarer Zeit erneut auf den Tisch kommt, ist aber eher gering: „Im gesamtstädtischen Zusammenhang haben aktuell andere Vorhaben wie etwa der barrierefreie Ausbau der Stadtbahnhaltestelle an der B 1 oder die Verlängerung der Stadtbahn auf das Gelände der ehemaligen Westfalenhütte Vorrang“, erklärt die Stadt auf Anfrage zum Thema.
Das wurde gut bewertet
Lebensqualität: Neben der vollen Punktzahl für das viele Grün gib es gute Noten auch auf die Frage, ob es sich im Stadtteil gut leben lässt. Hier kommt man auf neun von zehn Punkten; stadtweit sind es acht.
Sauberkeit: Ebenfalls neun Punkte erzielen die Stadtteile beim Punkt Sauberkeit: Illegale Müllablagestellen oder Dreckecken gebe es kaum oder gar nicht, finden die Befragten, auch wenn sicher wie andernorts auch die Containerstandorte gelegentlich als Müllablageplatz missbraucht werden.
Sicherheit: Die große Mehrheit fühlt sich sicher im Stadtteil. Man kennt sich noch, achtet auf den Nachbarn. Familie Grabowski gehört zum Beispiel zu einer Whatsapp-Gruppe der Anlieger: eine moderne Form guter Nachbarschaft. Auch die Polizei sagt: In den Stadtteilen gibt es „keine wirklichen Problemfelder im Bereich der Kriminalität, keine Delikte, die besonders herausstechen, die der Polizei besondere Sorgen bereiten würden“. Die Zahl der Wohnungseinbrüche sei „durchschnittlich“.
Sport: Überdurchschnittlich gut schneiden die Stadtteile auf die Frage nach Sportangeboten ab. Keine Überraschung, das Angebot ist gut: In Wichlinghofen gibt es den TuS. Der bietet unter anderem Volleyball, Tischtennis, Judo und Karate an. In Wellinghofen kann man beim FC auf einem neuen Kunstrasenplatz am Admiralsplatz Fußball spielen, außerdem beim TuS Handball spielen oder turnen. Alles quasi um die Ecke.
Kinderbetreuung: Auch mit der Kinderbetreuung ist man überdurchschnittlich zufrieden. Es gibt in allen Stadtteilen Kitas sowohl mit städtischen als auch kirchlichen Trägern. Die fünfjährige Nele besucht zum Beispiel den Evangelischen Kindergarten in Welllinghofen.
Jugendliche: Die Stadtteile erreichen genau den stadtweiten Durchschnittswert. Dennoch fällt dieser Wert für die drei Stadtteile im Vergleich mit den anderen Werten ab.
Dabei ist es nicht so, als gebe es gar nichts: In Wellinghofen, Wichlinghofen und Hacheney gibt es nach Angaben der Stadt insgesamt zehn öffentliche Spiel- oder Bolzplätze. Derzeit überprüfe man den Bedarf, sagt die Stadt. Die Jugendfreizeitstätte Wellinghofen bietet seit 2016 offene Arbeit für Kinder und Jugendliche in Wellinghofen. Träger ist die Katholische Kirchengemeinde Heilig-Geist, die Finanzierung der Einrichtung stellt das Jugendamt sicher. Geöffnet ist fünf Tage in der Woche. Außerdem bietet die Jugendfreizeitstätte in den Oster- und Herbstferien Angebote für Kinder und Jugendliche. In den Sommerferien ist die Einrichtung über die gesamten sechs Wochen geöffnet, davon drei Wochen mit einem speziellen Ferienprogramm.
Senioren: Als unterdurchschnittlich bewerten die Befragten das Betreuungsangebot für Senioren. Aber auch hier gibt es durchaus Angebote: Die Arbeiterwohlfahrt ist sowohl in Wichlinghofen als auch in Wellinghofen vertreten. Außerdem gibt es Angebote in den Kirchengemeinden. In Wichlinghofen ist ein neues Stadtteilzentrum in Planung, in dem sicher auch Senioren ein neues Zuhause finden werden. Das neue Gebäude bietet auch Möglichkeiten für andere Vereine und Verbände.
Nahversorgung: Kein schlechter Wert, aber unterdurchschnittlich; je nach Stadtteil unterschiedlich gesehen. Weder Wichlinghofen noch Hacheney bieten etwas. Aber Wellinghofen fängt das als großer Nachbar weitgehend auf. Hier gibt es unter anderem Discounter, einen – vergleichsweise kleinen – Supermarkt, Apotheke, Blumengeschäft, Friseur, Metzger, Feinkost- und Fischgeschäft und seit kurzem auch einen Drogeriemarkt.
An der Feldbank haben sich unter anderem Bäcker und Post, Eisdiele und Reinigung niedergelassen und liegen für Hacheneyer ideal. Kathi Grabowski fährt von Hacheney aber auch schon mal nach Hörde zum Einkaufen. Das sei auch mit dem Rad kein Problem – im Gegensatz zum Weg nach Wellinghofen.
Verkehrsanbindung: Grundsätzlich ein hoher Wert, aber im Vergleich mit dem stadtweiten Mittelwert dennoch unterdurchschnittlich. Hacheneyer werden hier mit dem Kopf schütteln, für sie ist die Anbindung an die U-Bahn direkt vor der Tür. Mit der räumlichen Entfernung zur Bahn sinken die Werte; die schlechtesten kommen aus Wichlinghofen. Die Wichlinghofer sind durch ihre Randlage ein bisschen weit ab vom Schuss. Vor allem abends bedarf es genauer Planung, wenn man auf den Bus angewiesen ist.
Die lange Geschichte des Stadtteils zeigt sich in Wellinghofen
Wellinghofen ist eine der ältesten Siedlungen auf Dortmunder Stadtgebiet. Das Dorf gehörte zur Grafschaft Mark. Die Alte Kirche zeugt als Baudenkmal von der frühen Geschichte. Die Kirche wurde Ende des 12. Jahrhundertes gebaut. 1922 wurden Hacheney und Wichlinghofen nach Wellinghofen, das zum Landkreis Hörde gehörte, eingemeindet. Als 1928 der Landkreis Hörde aufgelöst wurde, wurde Wellinghofen wurde nach Dortmund eingemeindet. Der Admiralsplatz in Wellinghofen und viele andere Straßennamen auch zum Beispiel in Hacheney wie die Glückaufsegenstraße erinnern noch heute an die Bergbaugeschichte der Stadtteile.
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