Kaiserstraßenviertel: Eine Welt für sich direkt an der City mit Supermarkt-Mangel

© Thomas Thiel

Kaiserstraßenviertel: Eine Welt für sich direkt an der City mit Supermarkt-Mangel

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Gründerzeitbauten, eine lebendige Gastroszene, zentrale Lage: Das Kaiserstraßenviertel verströmt urbanes Flair. Gleichzeitig ist es eine Welt für sich - in der gerade ein Mangel herrscht.

Kaiserstraßenviertel

, 17.11.2018, 03:55 Uhr / Lesedauer: 4 min

Die Frage nach dem besten Viertel der Stadt ist auf Partys unter Dortmundern ein beliebtes Smalltalk-Thema. Auch, weil jeder seinen eigenen Favoriten hat: Syburg wegen der Landschaft, das Kreuzviertel wegen der vielen Restaurants, Husen wegen des ländlichen Flairs...

Für Olga Rümenapp ist die Sache klar: „Das beste Viertel ist das Kaiserstraßenviertel.“ Seit Anfang des Jahres wohnt die gebürtige Benninghofenerin im Quartier. Die Gründe liegen für die 30-Jährige auf der Hand: „Es ist eine kleine Welt für sich, hier hat man schöne Läden mit allem, was man braucht - und wenn doch was fehlt, geht man einfach schnell über den Ostwall in die City.“

Ein typischer Straßenzug im Kaiserstraßenviertel: Nicht nur an der Bismarckstraße gibt es imposante Gründerzeit- und Jugendstilbauten.

Ein typischer Straßenzug im Kaiserstraßenviertel: Nicht nur an der Bismarckstraße gibt es imposante Gründerzeit- und Jugendstilbauten. © Dieter Menne (Archiv)

Rümenapp und ihr Mann sind in den letzten Jahren ein wenig rumgekommen in Deutschland: Von Dortmund zogen sie erst nach Münster und dann nach München, des Berufs wegen. Doch nach ein paar Jahren war die Sehnsucht nach Dortmund und der Familie zu groß, auch nach der Mentalität der Menschen: „Die Dortmunder sind einfach viel offener als die Bayern und die Münsterländer.“

Von außen kommend hatten die Rümenapps nun die freie Wahl - und entschieden sich für das Kaiserstraßenviertel: „Wir wollten Stadtleben und noch nicht das etwas spießige Vorortleben - also alles fußläufig erreichbar haben und nicht immer ins Auto steigen müssen.“ Sie fühlen sich wohl in ihrem Quartier, genau wie viele andere Kaiserstraßenviertler. In unserem Stadtteilcheck erreicht das Kaiserstraßenviertel in der Kategorie Lebensqualität 9 von 10 möglichen Punkten und liegt damit einen Punkt über dem stadtweiten Schnitt.

Das wurde positiv bewertet:

Gastronomie: Wenn man es drauf anlegt, kann man im Kaiserstraßenviertel leben, ohne jemals zu kochen: „Es gibt hier alles“, sagt Rümenapp: „Bäckereien, Tagescafés, Imbisse, kleine Mittagstisch-Läden, aber auch gute Restaurants.“ Folgerichtig bekommt das Viertel von seinen Bewohnern in dieser Kategorie 9 von 10 möglichen Punkten, das sind zwei mehr als das Gesamtergebnis für Dortmund.

Entlang der Lebensader des Viertels, der Kaiserstraße, liegen die Gastro-Betriebe teilweise Tür an Tür. „Es werden gefühlt immer mehr Läden“, sagt Thomas Kraus, Inhaber des Burger-Restaurants Hexenkessel am Kaiserbrunnen. Letztens hätte sich ein Gastronom bei ihm beklagt, dass es mittlerweile zuviel Konkurrenz gebe. Kraus selbst sieht das gelassen: „Wir haben hier alles von Döner bis Sushi. Das sind so unterschiedliche Segmente, da profitieren wir eher durch die Vielfalt.“

An der Kaiserstraße kann man gefühlt in jedem dritten Haus einen Kaffee trinken. Die Lebensader des Quartiers ist zugleich auch eine Gastro-Meile.

An der Kaiserstraße kann man gefühlt in jedem dritten Haus einen Kaffee trinken. Die Lebensader des Quartiers ist zugleich auch eine Gastro-Meile. © Thomas Thiel

Was jedoch auffällt: Andere szenige Quartiere wie das Saarlandstraßen-, das Kreuz- und das Klinikviertel schneiden noch besser ab, erreichen alle die Höchstpunktzahl. Was auch mit der Lage des Kaiserstraßenviertels zu tun hat, glaubt Kraus: Die anderen Viertel seien Nachbarn und würden dadurch voneinander profitieren. „Wir hingegen sind etwas ab vom Schuss.“

Verkehrsanbindung: Hier lässt das Kaiserstraßenviertel keine Wünsche offen und holt die Höchstpunktzahl 10 - das einzige Mal beim Stadtteilcheck. Was wenig verwundert durch die zentrale Lage: Über den Heiligen Weg und die Klönnestraße ist man ruck-zuck auf der B1 oder der B236. Die Stadtbahnlinie U43 fährt mitten durch das Viertel, „außerdem kommt man mit dem Bus direkt zum Stadion“, sagt Anwohnerin Rümenapp.

Einen Vorteil zu den anderen Innenstadtquartieren sieht Rümenapp hingegen bei der Parkplatzsituation: Im Gegensatz beispielsweise zum Kreuzviertel sei die nämlich entspannt: „Wenn wir abends nach Hause kommen, finden wir immer einen Parkplatz.“

Gesundheit: Auch mit dem Ärzte- und Apothekennetz in ihrem Quartier sind die Kaiserstraßenviertler sehr zufrieden. Sie vergeben hier neun Punkte, das ist einer mehr als im Dortmunder Gesamtergebnis. Wahrscheinlich auch eine Konsequenz seiner zentralen Lage: Vom Kaiserstraßenviertel sind es nur wenige Minuten mit dem Auto zum Klinikum.

Kaiserstraßenviertel: Eine Welt für sich direkt an der City mit Supermarkt-Mangel

Das wurde negativ bewertet:

Grünflächen: Es gibt nur eine Kategorie, in der das Kaiserstraßenviertel nicht nur einen, sondern zwei Punkte unterhalb des Stadtschnitts landete: bei der Frage nach den Naherholungsgebieten und Grünflächen. Hier bekam das Quartier nur 7 Punkte.

Dieses Ergebnis verwundert nicht, wenn man sich die Bevölkerungsstatistik anschaut: In keinem Dortmunder Stadtteil ist die Einwohnerdichte so hoch wie im Kaiserstraßenviertel. Hier leben mehr als 8400 Menschen auf einem Quadratkilometer - besonders die Straßenzüge im Gerichtsviertel, das für den Stadtteilcheck zum Kaiserstraßenviertel gezählt wird, sind eng.

Das Zentrum des Kaiserstraßenviertels - und eine der wenigen kleinen Grünflächen im Viertel: der Kaiserbrunnen.

Das Zentrum des Kaiserstraßenviertels - und eine der wenigen kleinen Grünflächen im Viertel: der Kaiserbrunnen. © Dieter Menne (Archiv)

Gleichzeitig fehlt es an Ausgleichsflächen im Viertel. Die einzige größere Grünfläche ist der Ostfriedhof, doch kann man den nicht wie einen normalen Park nutzen: „Er ist schön zum Spazieren gehen, aber sich dort hinsetzen und picknicken ist natürlich nicht drin“, sagt Anwohnerin Rümenapp. Sie findet das Fehlen jedoch nicht so schlimm: „Dafür gehen wir dann halt hoch zum Stadewäldchen, außerdem ist das Kaiserstraßenviertel durch seine vielen Bäume entlang der Straßen auch so grün genug.“

Radfahren: Rümenapp hat zum Radfahren in ihrem Quartier eine eindeutige Meinung: „Ich fahr hier gar kein Fahrrad, weil ich es zu gefährlich finde.“ Ihre negative Meinung wird durch den Stadtteilcheck in diesem Punkt bestätigt: Lediglich 6 statt der dortmundweiten 7 Punkte gab es in der Kategorie Radfahren. Da ist es auch nur ein schwacher Trost, dass andere Innenstadt-Quartiere wie das Kreuzviertel oder der Saarlandstraßenviertel noch schlechter abschneiden.

Karl-Heinz Kibowski engagiert sich seit Jahrzehnten im Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) Dortmund für die Belange der Radfahrer in der Stadt. Er sagt: „Die Radfahrer werden im Kaiserstraßenviertel kaum von den Autofahrern gesehen.“ Die zahlreichen Einbahnstraßen des Kaiserstraßenviertels sind meist in beide Richtungen für Radfahrer freigegeben. Darauf sollen Markierungen an den Kreuzungen hinweisen - doch sie sind häufig unsichtbar, weil zugeparkt.

An vielen Kreuzungen im Kaiserstraßenviertel gibt es angedeutete Fahrradwege. Sie sollen auf die Radfahrer hinweisen, die die Einbahnstraßen in beide Richtungen benutzen dürfen. Die Hinweise sind vielen Radfahrern aber zu unscheinbar.

An vielen Kreuzungen im Kaiserstraßenviertel gibt es angedeutete Fahrradwege. Sie sollen auf die Radfahrer hinweisen, die die Einbahnstraßen in beide Richtungen benutzen dürfen. Die Hinweise sind vielen Radfahrern aber zu unscheinbar. © Thomas Thiel

Ende September waren bei einer Radtour der Nachbarschaftsinitiative „Kaisern“ mit städtischen Vertretern mehrere Vorschläge zur Verbesserung der Radfahrsituation im Viertel aufgekommen, unter anderem folgende:

  • Die Radfahrer-Markierungen an den Kreuzungen sollten in Signalrot angemalt werden
  • Die Kronprinzenstraße sollte am besten einen durchgängigen Fahrradweg bekommen
  • Vor der Ampel an der Einmündung der Prinz-Friedrich-Karl-Straße in den Heiligen Weg soll ein gesonderter Bereich vor dem ersten Auto nur für Fahrradfahrer reserviert werden. So würde verhindert, dass sich dort die Wege von rechts abbiegenden Autos und links abbiegenden Radfahrern kreuzen.

Nahversorgung: Normalerweise eine Stärke der Innenstadt-Quartiere, schwächelt das Kaiserstraßenviertel in der Kategorie Nahversorgung. Hier gaben die Viertelbewohner ihrem Stadtteil nur 8 Punkte. Damit steht das Kaiserstraßenviertel schlechter da als die Gesamt-Stadt mit 9 Punkten.

Momentan ist der kleine City-Rewe an der Kaiserstraße der einzige Supermarkt des Viertels, seit im Frühling 2018 sowohl der Edeka einige hundert Meter weiter als auch der Netto an der Kreuzung Klönnestraße zugemacht haben. „Für Kleinigkeiten zwischendurch reicht der City-Rewe, aber für den Wochenend-Einkauf fahren wir schon woanders hin“, sagt Rümenapp.

Doch Besserung ist in Sicht: Den Edeka sollen gleich zwei Bio-Märkte beerben und auf dem Gelände des abgerissenen Netto will Rewe einen neuen Supermarkt bauen. „Die Sache ist auf dem Weg“, sagt die stellvertretende Bezirksbürgermeisterin Roswitha Decking-Hartleif. Sie geht von einer Eröffnung des neuen Rewe-Markts in der zweiten Hälfte 2019 aus.

Mit den neuen Lebensmittel-Märkten würde sich die Nahversorgungssituation wieder normalisieren, so Decking-Hartleif. Vielleicht müsste man nochmal nachbessern, wenn das Neubaugebiet „Kronprinzenviertel“ am südlichen Rand des Kaiserstraßenviertels fertig ist. Doch dort sollen die ersten Mieter nicht vor 2021 einziehen.

Alle Ergebnisse unseres Stadtteilchecks auf einen Blick in unserer Übersichtskarte:

Geschichte

Der Wohnort der Reichen des 19. Jahrhunderts

Die Kaiserstraße vor dem Ersten Weltkrieg.

Die Kaiserstraße vor dem Ersten Weltkrieg. © Stadtarchiv Dortmund

Das Kaiserstraßenviertel entstand im Zuge der Industrialisierung Dortmunds in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Es entwickelte sich schnell zum bevorzugten Wohngebiet von Industriellen und Unternehmern. Auf dem 1876 angelegten Ostfriedhof fand das Who-is-Who der alten Dortmunder Stadtgesellschaft seine letzte Ruhe, darunter die Familie Hoesch oder auch der Braumeister Fritz Brinkhoff.
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