
© Stephan Schütze
Gartenstadt: Familienfreundlich, aber es mangelt an Gastronomie und Arztpraxen
Stadtteilcheck
Die B1 durchtrennt die Gartenstadt mittig – und ist die Hassliebe der dortigen Bewohner. Dafür ist das Quartier sauber, sicher und familienfreundlich. Nur Ärzte und Restaurants fehlen.
Die meisten denken wahrscheinlich bei der Gartenstadt erst mal an die Villen entlang der Stadtrat-Cremer-Allee. Doch das Quartier im Osten der Stadt hat weitaus mehr zu bieten als große Häuser und schnelle Autos. Wer an einem Samstagmittag durch die nördliche Gartenstadt fährt, sieht viele Leute beim Spazierengehen und Einkaufen. Sieht Kinder, die auf der Straße spielen und Radfahren. Sieht Bewohner, die ihre Einfahrten und Vorgärten vom herbstlichen Laub befreien. Ein Quartier, das von Vielfalt geprägt ist.
Das ist auch der Grund, warum Nils Danelsing (44) und seine Frau Simone (43) vor fünfeinhalb Jahren mit ihren Kindern Tim und Jana in die Dortmunder Gartenstadt gezogen sind: die Lebensqualität ist hoch. "Man hat Nahversorgung, die Anbindung an die öffentlichen Verkehrsmittel ist super und es ist eine gute ruhige Nachbarschaft", meint Nils Danelsing. In den Bereichen hat die Gartenstadt in unserem Stadtteilcheck auch am besten abgeschnitten. Für die Lebensqualität gaben die Teilnehmer im Durchschnitt 9 von 10 möglichen Punkten, der stadtweite Schnitt liegt hier bei 8.

Die Gartenstadt bietet viele Möglichkeiten zum Spazierengehen. Das lobt auch Simone Danelsing: "Es ist schön grün hier." © Verena Schafflick
Nils Danelsing ist gebürtiger Gartenstädter, wurde im Defdahl groß. Dort wohnen auch immer noch seine Eltern. Und selbst seine Frau Simone konnte er überzeugen, aus Münster ins Ruhrgebiet zu ziehen. Bereut hat sie es nicht: "Es ist wirklich schön hier, es gibt sehr viel Grün." Viele Jugendfreunde ihres Mannes würden ebenfalls noch in der Gartenstadt wohnen. Für die Familie von Vorteil: "Viele Kinder leben hier", freut sich Simone. In ihrer Häuserreihe habe es in der letzten Zeit einen richtigen Generationenwechsel gegeben, was auch den beiden Kindern Tim (7) und Jana (4) zugute kommt.
Sicher einer der Faktoren, warum so viele Familien in die Gartenstadt ziehen, ist die Kinderbetreuung. Hier gab es 8 Punkte, der Durchschnitt liegt bei 7. Für Simone Danelsing nicht verwunderlich: Die Kinderbetreuung sei gut, in der Nähe der Wohnhauses gäbe es mehrere Kitas wie den Kindergarten St. Martin. Auch die Hohwart-Grundschule ist nicht weit entfernt. Einzig bei weiterführenden Schulen käme nur die Europaschule in direkter Umgebung infrage. Sonst müssen die Kinder eine Anreise in Kauf nehmen.
Doch trotz der guten Lebensqualität schnitt der Bereich "Wohnen" beim Voting schlecht hab: Lediglich 5 von 10 Punkten, einen Punkt unter dem Dortmunder Durchschnitt (6). Bezirksbürgermeister Udo Dammer (SPD) überrascht dieses Ergebnis ein wenig: "Ich hatte immer den Eindruck, dass die Menschen gerne hier wohnen." Allerdings sieht er auch den zunehmenden Schleichverkehr in der Gartenstadt-Süd hin zur B1, quasi der Trennlinie im Quartier. Während es im Süden einen hohen Eigentumsanteil gibt, ist der Norden eher gemischt mit Miet- und Eigentumswohnungen.
Laut Bodenrichtwert des Landes Nordrhein-Westfalen liegt der Preis pro Quadratmeter in der südlichen Gartenstadt bei 510 Euro, in der nördlichen immerhin bei 360. 46,6 Hektar der Gartenstadt sind Wohnbebauung, 2,5 Hektar sind gemischte Flächen mit Wohnen und Ladenfläche, 4,1 Hektar sind Industrie- und Gewerbefläche. Die Danelsings hätten bei ihrem Kauf in der Gartenstadt-Nord damals Glück gehabt: "Wir haben vor dem Boom gekauft", sagt Nils Danelsing hinsichtlich des bereits erwähnten Familienzuzuges. Danach seien die Preise nochmal in die Höhe gegangen. Hinzu kommt aber auch, dass die Familie an der Grenze zu Wambel und Körne wohnt, hier liegen die Quadratmeterpreise bei 360 Euro.
Das wurde positiv bewertet:
Sicherheit: Dass die Gartenstadt beim Thema Sicherheit 8 Punkte bekommen hat und damit über dem Dortmunder Durchschnitt liegt (7), wundert das Ehepaar Danelsing nicht. "Wir fühlen uns hier sicher", sagt Nils Danelsing. Seine Frau nickt zustimmend. Sie würde auch ohne schlechtes Gefühl im Dunkeln rausgehen. Und das, obwohl die Nachbarn von Einbrüchen und Einbruchsversuchen berichtet hätten. Und obwohl es im Januar 2018 eine sexuelle Belästigung in direkter Nähe gegeben hat.
Die Danelsings lassen sich davon nicht verängstigen. Sie genießen die ruhige Lage in der nördlichen Gartenstadt. "Hier können die Kinder auch mit dem Fahrrad auf der Straße bis zur Pferderennbahn nach Wambel fahren und wir haben keine Angst", verdeutlicht Simone Danelsing ihren Standpunkt. Dammer stimmt Danelsing hier zu: "Subjektiv gesehen, kann man hier sicher wohnen.“
Das sagt auch der zuständige Bezirksbeamte beschreibt die Gartenstadt ebenfalls als "einen grundsätzlich ruhigen und eher einsatzarmen Bereich". In der Zeit von Januar und September 2018 gab es insgesamt 2398 Straftaten im Quartier, darunter 82 Wohnungseinbrüche, 11 Überfalle auf der Straße und 165 Diebstähle aus Autos.
Sauberkeit: "Also man sieht wenig Müll auf der Straße", meint Nils Danelsing. Auch die Mülltonnen und Container würden regelmäßig geleert. Selten lägen mal Möbel neben den Müllcontainern, das würde dann aber schnell entfernt werden. Einziger Kritikpunkt: Hundekot. Der läge beispielsweise viel auf dem Grünstreifen hinter dem Haus der Danelsings. Gerade mit Kindern sei dies schade. "Wenn die da spielen wollen, sag ich immer, dass sie das lassen sollen", bemängelt die 42-Jährige. Dammer kommentiert das sarkastisch: "Nicht die Hunde sind das Problem, sondern die Halter."

Die Laubsäcke sind hier feinsäuberlich gestapelt. Auch an den Containern liegt kein Müll rum. © Verena Schafflick
Den Grund für die Sauberkeit sieht der Bezirksbürgermeister an der hohen Eigentumsquote. "Die Leute kümmern sich dann eher um den Bereich vor dem Haus." Hinzu käme, dass es in der Gartenstadt keinen regelmäßigen Durchgangsverkehr gäbe. Daher gab es hier 9 Punkte.
Verkehrsanbindung: Besser geht es wohl kaum für die Gartenstadt: gute Anbindung an das Bus- und Bahnnetz - die Gartenstadt wird geteilt von den Gleisen für die U49, die Richtung Stadt und Aplerbeck fährt. Zur Haltstelle Max-Eyth-Straße läuft man von Danelsings Reihenhaus knapp zehn Minuten. Und dann verläuft auch der Westfalendamm noch mittig durch das Quartier. "Man ist schnell in der Stadt und schnell auf der Autobahn", sagt er. Trotz der Nähe der vielbefahrenen Bundesstraße 1 würde die Familie den Verkehr kaum hören: "Nur wenn der Wind schlecht steht." Nicht umsonst bekam das Quartier hier die vollen zehn Punkte (Stadtdurchschnitt: 9).

Die Gartenstadt wird durch die B1 und die U-Bahnlinie U49 getrennt. © Verena Schafflick
Doch die B1 hat nicht nur Freunde in der Gartenstadt. So gründete sich 2017 die B1-Initiative, die für eine Untertunnelung der B1 und Lkw-Fahrverbote wirbt. "Es stimmt schon, die Gartenstadt hat eine Hassliebe zur B1", meint Dammer. Außerdem würde der Westfalendamm quasi wie eine Grenze im Quartier wirken. Dennoch liegt die Verkehrsbelastung hier im städtischen Durchschnitt (6).
Das wurde negativ bewertet:
Gastronomie: Für Familie Danelsing fehlt vor allem eins in der direkten Nachbarschaft: eine richtige Gastronomie. Bis vor eineinhalb Jahren gab es da die Pizzeria La Conca d'Oro. "Da konnten wir uns abends mal hinsetzen und das Babyphone mitnehmen", erinnert sich der 44-jährige Familienvater. Schließlich trennte nur der Garten und ein schmales Stück Rasen das Heim vom Restaurant. Als der Italiener dort schloss, eröffnete "Bombay Curry". Die Schilder hängen zwar noch, aber die indische Gastronomie habe laut Danelsing schon lange geschlossen. Seitdem steht das Ladenlokal leer.
Nun sieht es mau aus: "Es gibt zwar noch eine Pizzeria im Edeka-Gebäude", deutet Simone Danelsing an. Allerdings könne man dort nicht richtig sitzen.Gastronom Mario Kalweit von der La cuisine Mario Kalweit an der Lübkestraße versteht, dass die Gastronomie in der Gartenstadt nur 6 Punkte bekommen hat. "Hier wechselt auch viel." Fest macht er das beispielsweise am Hotel Gartenstadt: "Wir sind seit 18 Jahren hier. In der Zeit hat der Gastronom sieben Mal gewechselt", stellt Kalweit fest.

Die Schuld dafür sucht er auch bei den Gartenstadt-Bewohnern: "Es ist nur so viel Gastronomie da, wie sie auch besucht wird." Heißt: Würden die Bewohner häufiger in den ortsansässigen Restaurants ihres Quartiers essen gehen, könnten sich seiner Meinung nach die Lokale auch länger halten. Andererseits sagt Kalweit: "Hier in der Nähe gibt es auch nichts, wo ein Restaurant eröffnen könnte."
Dammer gibt Kalweit soweit recht: Es liegt viel an den Kunden, dass Kneipen und Restaurants schließen müssen. Früher sei es üblich gewesen, dass beispielsweise die Großeltern sonntags Eltern und Enkel eingeladen hätten. Auch das Feierabendbier war gängig. Das habe sich laut des SPDlers schlicht geändert. Hinzu käme, dass es schwierig sei, in einer bestehenden Wohnsiedlung eine neue Gastronomie zu integrieren.
Gesundheit: "Wenn wir zum Arzt müssen, fahren wir nach Körne", sagt Simone Danelsing. Früher habe es in der Nachbarschaft noch einen Zahnarzt gegeben, der sei aber schon seit einiger Zeit geschlossen. Ähnlich sähe es in der Ladenstraße im Defdahl gegenüber der St. Martinskirche aus. "Früher waren in den Geschäften viele Ärzte", erinnert sich der 44-Jährige. Inzwischen stünde die Ladenzeile mehrheitlich leer. Zwar sind beim Vorbeigehen einige Geschäftslokale vermietet, allerdings sind dies meistens Pflegebüros. Außerdem befinden sich dort eine Betreuungseinrichtung und ein Physiotherapeut für Kinder. Sehr spezifisch. Was Danelsings eher fehlt, sind ein Allgemeinmediziner und ein Kinderarzt.

In der Ladengasse an der St. Martins-Kirche stehen ein paar Geschäfte frei. Hier waren früher unter anderem Arztpraxen zu finden. © Verena Schafflick
Und die Familie steht mit der Einschätzung nicht alleine da. Im Bereich Gesundheit gaben die Teilnehmer nur 7 Punkte, der Durchschnitt liegt bei 8. Das am nächsten gelegene Krankenhaus ist das Knappschaftskrankenhaus in Brackel. Weitere Krankenhäuser befinden sich jeweils im Umkreis von maximal fünf Kilometern. Laut Stadt Dortmund gibt es in der 76 Hektar großen Gartenstadt auch nur eine Apotheke: die Wittekind-Apotheke.
Auch hier gibt Dammer den Danelsings recht. Allerdings sagt der Bezirksbürgermeister auch hier: es liegt an den Kunden. Dennoch sei dies kein Problem, dass sich nur auf die Gartenstadt beschränke. Dagegen tun könne die Politik nicht wirklich was: "Das müssen die Ärzte selber entscheiden."
Prachtbauten im Heimatstil und Expressionismus

Der Wittekind-Hof wurde 1915 gebaut. © Repro: Schafflick