Ismet Ilgün ist in Deusen der einzige Anbieter von Lebensmitteln. Außerdem betreibt er den einzigen Imbiss im Ortsteil. © Stephan Schütze
Stadtteilcheck
Deusen: Mit dem Auto zum Einkaufen, mit dem Rad ins Grüne
Deusen liegt im Grünen, das honorieren die Teilnehmer des Stadtteilchecks mit guten Noten. Doch die abgeschiedene Lage sorgt auch für Einschränkungen. Die Umfrage zeigt, welche das sind.
Ein durchschnittlicher Supermarkt in Deutschland hat laut Bundesverband des Deutschen Lebensmitteleinzelhandels eine Fläche von 1370 m² und wird am Tag durchschnittlich von 2773 Kunden besucht. Jeder Kunde gibt durchschnittlich 19,02 Euro pro Kauf aus. Die 1797 Deusener müssten also mindestens einmal täglich einkaufen gehen, einige sogar zweimal, um einen durchschnittlichen Supermarkt in ihrem Ort halten zu können. Das geht natürlich nicht und deshalb gibt es bereits seit Jahren keinen Supermarkt mehr in Deusen. Aber es ist nicht nur das, auch einen Bäcker, einen Metzger, eine Bank, eine Postfiliale, einen Getränke-Shop oder irgendein anderes Geschäft gibt es in dem nördlichen Stadtteil des Bezirks Huckarde nicht. Daraus resultiert die schlechte Note von 4 Punkten, die die Teilnehmer der Stadtteilchecks in der Rubrik Nahversorgung vergeben haben.
„Selbst Schuld“, sagt aber Ismet Ilgün (49). Der Inhaber des Deusener Kiosks ist der einzige Anbieter von Lebensmitteln in Deusen und weiß, woran der Mangel an Versorgern liegt. „Vor anderthalb Jahren gab es noch es einen Bäcker hier, die Leute haben ihre Brötchen aber schön beim Aldi in Mengede gekauft. Jetzt ist der Bäcker weg und alle jammern.“ Wer ortsnah versorgt werden will, so Ismet Ilgün, müsse auch ortsnah einkaufen gehen.
Als er vor knapp zwei Jahren den Kiosk übernahm, wollte er die Deusener noch mit Erfrischungsgetränken und Tabak versorgen. Doch sein Sortiment hat sich seither dramatisch geändert. Konserven aller Art, Nudeln, Mehl, H-Milch, alles, was lange haltbar ist, gibt es auch in seinem Kiosk. Damit kompensiert Ilgün die Lebensmittel-Versorgungslücke in Deusen, so gut er kann. Sogar frische Brötchen und Croissants hat er im Angebot. Er hat damit sein Geschäftsmodell gefunden. „Das Geschäft läuft gut“, sagt er.
Die Emscher ist auf Höhe Deusens bereits renaturiert. Die Deusener freuen sich über ein Naturidyll. © Stephan Schütze
Und es wird auch erst einmal dabei bleiben. „Die Politik kann da nicht viel machen“, sagt Claudia Brückel (CDU-Fraktion in der Bezirksvertretung Huckarde). „Man kann kein Geschäft zwingen, ein unwirtschaftliches Geschäft zu eröffnen.“ Die Bezirksvertretung haben vor Jahren hart darum gerungen, dass zumindest der Netto-Markt in Huckarde an der Emscherallee, so nah wie möglich an Deusen, gebaut wird. Doch dieser Markt ist immer noch so weit von Deusen entfernt, dass man ein Auto braucht, um einkaufen zu können.
Claudia Brückels Nachbarin am Deusener Ährenweg, Susanne Meyer (SPD-Fraktion im Rat), sieht es gelassen. „Es haben sich da schon Lösungen in der Nachbarschaft eingespielt. Wenn ich einkaufen fahre, frage ich vorher ein paar Leute, ob ich etwas mitbringen soll.“ Und solche Einkaufsgemeinschaften gebe es viele in Deusen.
Der Mangel an Einkaufsmöglichkeiten hat aber mehr als praktische Nachteile. Ismet Ilgün muss seine Waren in der Metro einkaufen. In seinem Kiosk stehen die Sachen deshalb deutlich teurer als in einem Supermarkt. „Ich kann nicht mehr mit dem Preis runtergehen“, versichert er. So leben Deusener, die nicht mobil sind, deutlich teurer als andere.
Das wurde positiv bewertet
Sicherheit: Die Deusener fühlen sich laut der Stadtteilcheck-Umfrage überdurchschnittlich sicher in ihrem Stadtteil (8 Punkte). Susanne Meyer hat eine Ahnung, warum sich die Menschen sicher fühlen: „Wir passen aufeinander auf.“ Für sie ist die gute Nachbarschaft der Grund für das Abstimmungsergebnis. Das sei eine typische Eigenschaft der Deusener, sagt Meyer.
Radfahren: Radfahren bekommt eine 10. Denn in Deusen kann man nicht nur schnell ins Grüne fahren, man kann von Deusen aus Deutschland erfahren. Hier treffen nämlich die 340 Kilometer lange Dortmund-Ems-Kanal-Route und der 100 Kilometer lange Emscherweg zusammen.
Familienfreundlichkeit: Die Familien wissen das Leben in ihrem Stadtteil zu schätzen. Vermutlich ist dabei ein nicht ganz unwichtiger Punkt, dass sie zu Fuß ins Freibad (Hardenberg) gehen können. Acht Punkte bei Familienfreundlichkeit ist der Lohn..
Verkehrsbelastung: Immer wieder beschweren sich die Deusener in der Bezirksvertretung Huckarde über den verbotenen Schwerlastverkehr auf der Deusener Straße. Doch der Großteil der Deusener lebt in reinen Wohnstraßen, weit weg vom Durchgangsverkehr und merkt kaum etwas von der Verkehrsbelastung. Das Resultat: acht Punkte.
Das wurde negativ bewertet
Jugend: Im roten Bereich liegt auch die Bewertung für die Angebote für Jugendliche mit nur 4 Punkten. Das ist ebenfalls ein altes Thema, mit dem sich die Deusener seit langer Zeit herumschlagen, das man aber mit bürgerschaftlichem Engagement lösen wollte. Der Förderverein „Begegnungszentrum Deusen – Wir lassen die Kirche im Dorf“ baute 2014 das Jugendhaus direkt an die Deusenkirche. Im Terminkalender der Hauses findet man ambitionierte Veranstaltungen wie die offene Bühne für junge Gesangstalente oder Hip-Hop-Tanzkurse. Doch Öffnungszeiten zum „Abhängen“ gibt es nicht mehr.
Dafür gibt es mehrere Gründe. Ullrich Küpper, seit zwei Wochen wieder der Vorsitzende des Vereins, kennt sie: „Als Träger des Jugendhauses mussten wir uns um ehrenamtliches Betreuungspersonal im erziehungsberechtigten Alter kümmern.“ Das lohnte nicht, denn der Verein musste die Erfahrung machen, dass viele Jugendliche ein Angebot in dem Moment ablehnen, in dem es einen „Aufpasser“ gibt. Außerdem sollte das Jugendhaus auch noch von den Nutzern am Ende des Tages aufgeräumt werden, das fanden die Jugendlichen ebenfalls nicht attraktiv.
Das Jugendhaus an der Deusenkirche hat weder die Erwartungen der Jugend noch die der Macher erfüllt. © Stephan Schütze
Die Kinder- und Jugendarbeit in Deusen leistet jetzt das Spielmobil des Frauenzentrums Huckarde. Zweimal in der Woche, dienstags und donnerstags, steht das Mobil von 16 bis 18 Uhr in Deusen. Im Winter weicht das Angebot ins Jugendhaus aus.
Senioren: Auch Angebote der klassischen Seniorenarbeit wie gemütliche Treffen bei Kaffeetrinken gibt es in Deusen nicht. Für gesellige Veranstaltungen sorgen in Deusen die Vereine. Die Siedlergemeinschaft zum Beispiel organisiert Silvester- und Weihnachtsfeiern, Busfahrten, Radtouren, ja sogar Konzerte und Tanzkurse. Deusen ist der Ort des bürgerschaftlichen Engagements. Zumindest Gottesdienste gibt es noch jeden Sonntag in der St.-Stephanus-Kirche
Gastronomie: Eine Pizzeria, das Vereinsheim des TuS Deusen und das Edelrestaurant Hohoff‘s 800, das aber nur noch für Gesellschaften öffnet, das war es. Wer in Deusen ausgehen möchte, fährt nach Huckarde, Mengede oder in die Innenstadt.
© Grafik Martin Klose
Alle Ergebnisse unseres Stadtteilchecks auf einen Blick in unserer Übersichtskarte:<div id="contentmap"></div> <script src="https://lensing.hartl.cloud/stadtteil-links/dortmund/contentmap-dortmund.min.js" async=""></script>
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