Annette Stein und Thomas Grasmann leben gern in Bodelschwingh. © Stephan Schütze
Stadtteilcheck
Bodelschwingh: Dörflicher Kern mit Herausforderungen bei Sauberkeit und Sicherheit
Das Dorf hat das Wasserschloss und die alte Schlosskirche. Gehöfte liegen mitten im Ortskern. Ein beschaulicher Ort mit Gemeinschaftssinn, aber Ärgernissen an den Rändern.
Thomas Grasmann und Annette Stein leben auf dem Dorf. Und sie schätzen es. „Egal, wo du hingehst, du triffst immer jemanden, den du kennst und mit dem du quasseln kannst“, sagt die 48-Jährige. „Man lebt nicht anonym hier. Und das ist schön!“ Bodelschwingh hat in der Tat so etwas wie einen dörflichen Charakter behalten. Und kaum jemand, der hier lebt, findet das despektierlich oder negativ.
Denn das Dorf im Nordwesten an der Stadtgrenze zu Castrop-Rauxel verbindet die Vorzüge der Lage mitten im Ballungsraum mit der sozialen Nähe einer gewachsenen Gemeinschaft. „Wir liegen quasi zwischen zwei Stadtzentren“, sagt Thomas Grasmann, „wobei die Innenstadt von Castrop näher und schneller zu erreichen ist als die Dortmunder Innenstadt“.
Die Wege sind kurz – auch zu den Autobahnen. Kein Wunder, dass Bodelschwingh beim Stadtteilcheck in der Verkehrsanbindung wie der städtische Durchschnitt 9 von 10 Punkten erzielt hat. Auch die Lebensqualität liegt mit 8 Punkten im Schnitt. Thomas Grasmann kennt sie von Kindesbeinen an. „Meine Familie lebt seit Jahrhunderten hier“, erzählt er.
Seit Jahrhunderten steht auch das Schloss am Rand des alten Ortskerns. Es ist eines der Dortmunder Wahrzeichen, über Stadtgrenzen hinaus bekannt, in Privatbesitz der Familie zu Innhausen und Knyphausen und nur an wenigen Tagen im Jahr für die Öffentlichkeit zugänglich. Die nahe alte Schlosskirche ist die Keimzelle des Ortes.
Und in jedem Jahr, am ersten Juli-Wochenende, ist die älteste Dortmunder Kirmes ein Sinnbild der dörflichen Gemeinschaft. Sie erinnert an die Kirchweih der Schlosskirche im Jahr 1322 und ist kein moderner Rummel im ohnehin engen Straßenraum. Die Kirmes ist vielmehr Treffpunkt für Alteingesessene, Fortgezogene und Neubürger. Der Kirmesspaß und die Wiedersehensfreude feiern an den Bierständen der Vereine ihre jährliche Wiedergeburt.
Ob Bierstand oder Cocktailbar: Die Kirmes ist der jährliche Treffpunkt für Alteingesessene, Fortgezogene und Neubürger. © Stephan Schütze
„Entweder du machst mit oder du bist weg“, sagt Thomas Grasmann. Annette Stein und er machen mit. Sie wohnen mitten auf der Kirmesmeile. „Für mich hat die Kirmes auch eine besondere Bedeutung“, sagt der 50-Jährige. „Ich wurde während der Kirmes geboren. Und als meine Mutter im Krankenhaus lag, hat mein Vater mich an den Bierständen ‚pinkeln lassen‘.“ Will heißen: Bei ein paar Runden wurde die Geburt des Sohnes gebührend gefeiert.
Seit Jahrzehnten betreibt die Freiwillige Feuerwehr mitten im Unterdorf den größten Bierstand während der Kirmes. Ein Hotspot und quasi sicherer Ort, jemanden zu treffen, den man kennt. Nicht zufällig.
Denn auch an den anderen 362 Tagen im Jahr prägt die Freiwillige Feuerwehr das Leben im Dorf. „Die engagieren sich“, sagt Annette Stein, „mit Veranstaltungen wie dem Tanz in den Mai oder einem Tag der offenen Tür als Treffpunkt. Und sie haben eine Jugendfeuerwehr aufgebaut.“ Die sammelte etwa zu Jahresbeginn in Kooperation mit der EDG die Weihnachtsbäume im Stadtbezirk Mengede ein.
Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr und der Jugendfeuerwehr sammelten zu Jahresbeginn die Weihnachtsbäume im Stadtbezirk ein. © Stephan Schütze
„Die Nahversorgung ist top“, sagt Thomas Grasmann. Zwei Discounter, ein Supermarkt als Vollsortimenter, Getränkemarkt, zwei Friseursalons, diverse Dienstleister im Gesundheits- und Wellness-Bereich sprechen für sich. Das alte Geschäftszentrum an der Deininghauser Straße ist Vergangenheit. Aber zwischen dem alten und dem neuen Geschäftszentrum in Nachbarschaft der ehemaligen Zeche Westhausen gibt es entlang der Bodelschwingher Straße auch Neueröffnungen.
„Wir haben sogar ein neues Lädchen, das ‚Etwas‘ heißt“, erzählt Annette Stein. „Die Inhaberin verkauft nachhaltig produzierte Kosmetik oder Duschseifen und selbst gemachte Sachen. Und sie redet mit einem. Da fühlt man sich immer wohl, wenn man in den Laden kommt.“ Leben im Dorf: Besser als der städtische Durchschnitt schneidet hier nur eine der 17 Kategorien ab.
Das wurde positiv bewertet
Verkehrsbelastung: Bodelschwingh erzielt hier 7 Punkte, während es stadtweit nur 6 Punkte sind. „Ich kann das nur auf die gute Randlage zurückführen“, sagt Thomas Grasmann. „Die Autobahnen sind zwar nah, aber sie werden durch die OW IIIa und die Emscherallee angebunden.“ Bodelschwingh bleibt vom Durchgangsverkehr weitgehend verschont.
Das wurde negativ bewertet
Grünflächen: Bodelschwingh schneidet mit 8 Punkten schlechter ab als der städtische Durchschnitt. Annette Stein schüttelt den Kopf. „Das Angebot an Grünflächen sehe ich anders. Zum Spazierengehen ist es hier super.“ Der öffentliche Teil des Schlossparks, der so genannte Kinderbusch, grüne Freiflächen zwischen den Neubausiedlungen: alles ist fußläufig erreichbar. Thomas Grasmann sieht das ähnlich: „Wenn ich mit dem Mountainbike fahre, bin ich in zwei Minuten im Wald.“ Der ist weiträumig und reicht bis auf Castroper Gebiet.
Felder und Wälder wie hier am Bodelschwingher Berg umgeben das Dorf. © Stephan Schütze
Beim Spaziergang zum Fototermin stoppt das Paar am Fußweg zwischen den Neubaugebieten „Pastorensiedlung“ und „Am Schlosspark“. Ein weiter grüner Freiraum erstreckt sich zwischen Schlossstraße und Im Odemsloh. Die jungen Bäume am Wegesrand machte zwar vor fünf Jahren der Pfingststurm Ela zunichte. „Auf den Rasenflächen spielen aber die Kinder der Anwohner“, sagt Annette Stein. Und die Flächen sind groß und vor allem grün.
Sauberkeit: Mit 5 Punkten liegt Bodelschwingh noch deutlicher unter dem Durchschnitt (7). „Hier im Ort und auch in den Neubaugebieten ist es sauber“, betont Stein. Spontan fallen dem Paar nur die Brietenstraße und auf der anderen Seite der Autobahn A45 der Feldweg ein. Die abgelegene Straße und der Weg sind gerade in der Dunkelheit „beliebte“ Orte für die illegale Entsorgung von Müll – obwohl das „kein Kavaliersdelikt, sondern eine Ordnungswidrigkeit“ sei, erklärte EDG-Sprecherin Petra Hartmann Anfang des Jahres. Regelmäßig transportiert die EDG Müll von der Brietenstraße und vom Feldweg ab. Das Problem ist nicht neu, aber: „Wir werden es nicht abstellen können, dass die Leute dort ihren Müll ablagern.“
Sicherheit: Auch beim Thema Sicherheut (6 Punkte, stadtweit 7) sehen Thomas Grasmann und Annette Stein eher Probleme am Rand des Dorfes. Angsträume im Ortkern gebe es nicht. „Bodelschwingh wird durch die Nähe zu Problemzonen in Westerfilde abgewertet“, sagt Grasmann. Mancher Weg – etwa von der S-Bahn-Haltestelle nach Bodelschwingh – führt durch Westerfilde.
Dass es dort in manchen Teilen durchaus ein Problem mit der Sicherheit gibt, wurde kürzlich bei der Sitzung der Bezirksvertretung mit dem Verwaltungsvorstand deutlich. Grünen-Sprecherin Isabella Knappmann berichtete unter anderem von offenem Drogenhandel und Prostitution. Die Bezirksvertretung forderte eine stärkere Präsenz der Sicherheitspartnerschaft zwischen Polizei und Ordnungsamt.
Zuletzt befand sich in dem alten Fachwerkhaus ein italienisches Restaurant. Seit Monaten steht es leer. © Stephan Schütze
Gastronomie: Herausforderungen am Ortsrand – ein Wunsch für die Dorfmitte: „Was uns fehlt, ist eine vernüftige Gastronomie“, sagt Thomas Grasmann. Bodelschwingh erzielt hier 6 Punkte, die Gesamtstadt 7. Etwas wehmütig denken nicht nur Annette Stein und er an die Zeiten zurück, als mit „Hürsters Kochwerkstatt“ ein gastronomisches Zugpferd mitten im Dorf war. „Jetzt kannst du nirgendwo mal eben hingehen“, sagt Annette Stein. Denn die Kochwerkstatt war Restaurant und Dorfkneipe in einem.
Auch hier gilt womöglich wie in anderen Stadtteilen, dass die Nachfrage das Angebot regelt. Das erklärte Harald Becker, Schulleiter der Wirtschaftsschulen für Hotellerie und Gastronomie (Wihoga), zu den Gründen, warum manche Stadtteile als gastronomisch unterversorgt angesehen werden.
In Bodelschwingh beeinflusst nicht nur das Interesse potenzieller Gastronomen die Zukunft der leerstehenden Gastronomie-Immobilie. „Das hängt natürlich auch von den Plänen des Eigentümers ab“, sagt Thomas Grasmann. Und die kennt im Dorf wohl keiner so genau.
Alle Ergebnisse unseres Stadtteilchecks auf einen Blick in unserer Übersichtskarte:
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