
Christian Uhr (Personal- und Organisationsdezernent) und Jörg Süshardt (Leiter des Dortmunder Sozialamtes) vor dem neuen Online-Amt der Stadt Dortmund. © Joscha F. Westerkamp
Stadt-Leistungen im Netz: „Typisch Deutschland!“, sagt der Sozialamts-Chef
Digitale Verwaltung
Dortmund kommt beim Ausbau seiner digitalen Leistungen voran – doch nicht so schnell, wie es sein sollte. Bei der Stadt sieht man mehrere Gründe, betont aber auch: Im Deutschland-Vergleich sei man schon weit.
Provokant und keck nennt der Dortmunder Personal- und Organisationsdezernent Christian Uhr die Sprüche, mit denen jetzt in allen Dortmunder Ämtern für das Online-Angebot der Stadt geworben wird.
Ob „Mein Amt ist 24/7 offen“ oder „Dich sehen wir hier zum letzten Mal“ – die Message ist klar: Anträge an die Stadt Dortmund gehen jetzt ganz bequem online.
Grundlage dafür ist das Onlinezugangsgesetz („OZG“), wonach 175 kommunale Leistungen auch digital möglich sein sollen – in Dortmund über das vor wenigen Monaten erneuerte Serviceportal rathaus.dortmund.de. Seit Neuestem kann man darüber dann beispielsweise vom Sofa aus auch Reitplaketten beantragen.
Weniger als die Hälfte der Online-Dienstleistungen wird in Dortmund erreicht
Vorgestellt wurde das Prinzip schon einmal Mitte Juni, und bereits da hatten sich einige Probleme abgezeichnet. So könnten laut Christian Uhr die gesetzlich geforderten 175 kommunalen Leistungsangeboten nirgendwo in Deutschland tatsächlich bis zum Ende des Jahres digitalisiert werden.
In Dortmund plane man mit 75 - und das sei im Städtevergleich schon viel. Aktuell seien 41 der vom OZG geforderten Leistungen bereits online, Mitte Juni waren es noch 35. Insgesamt gebe es bereits 152 digitale Services – die fallen aber nicht alle unter die Pflicht-Leistungen.
Jetzt hat sich Christian Uhr in einem Pressegespräch noch einmal ausführlicher zu all dem geäußert – zusammen mit Thomas Uhlmann vom Dortmunder Systemhaus (zuständig für die technische Umsetzung) und Jörg Süshardt vom Sozialamt. Er steht exemplarisch als Leiter für eins der insgesamt 35 Ämter, die in Dortmund bald auch digital zu erreichen sind.

Thomas Uhlmann (v.l.), Jörg Süshardt, Christian Uhr und Matthias Althoff (Sozialamt) zwischen zwei der Werbeplakate für das Online Amt der Stadt Dortmund. © Joscha F. Westerkamp
Uhr umreißt das Problem ganz grob so: „Es gibt insgesamt 599 Leistungen im Bund, die digitalisiert werden müssen. Aber wir bekommen keine finanzielle Unterstützung und auch keine Personalressourcen.“
Helfen sollte da das Einer-für-Alle-Prinzip („EfA“), bei dem viele der Aufgaben unter den Ländern aufgeteilt wurden, damit nicht jede Kommune sie selbst übernehmen muss.
Gemeinschaftsarbeit der Länder funktioniert nicht wie geplant
„Aber wir gehen nicht davon aus, dass es EfA-Leistungen für alle von der Stange geben wird“, so Uhr. „Dafür sind die Voraussetzungen und die Rechtslagen zu unterschiedlich. In manchen Ländern gibt es gar nicht genau die gleichen Sozialleistungen wie in anderen.“
Momentan seien weniger als fünf der EfA-Leistungen fertig, auch wenn bis zum Ende des Jahres etwa 30 geplant seien. „Wir haben beschlossen, dass wir das Wichtigste erstmal selber machen“, so Uhlmann vom Systemhaus (Dosys). „Wenn dann doch noch was vom Land kommt, schalten wir unseres wieder ab und nehmen deren.“ Aber damit rechne er so schnell nicht.
Es hake dort auch an der Finanzierung: „Nur die Zurverfügungstellung der EfA-Leistungen wird finanziert, aber der weitere Betrieb nicht.“ Zumindest sei das bisher nicht geklärt. „Die einzige Ausnahme ist der Wohngeld-Antrag.“
Dortmund muss für Online-Amt in Vorkasse gehen
Die Finanzierung sei nicht nur bei den EfA-Leistungen, sondern auch auf kommunaler Ebene in Dortmund ein Problem, sagt Sozialamt-Chef Süshardt. „Es ist ja nichts Neues: Der Bund gibt was vor und die Kommunen müssen es ausbaden. Die Vorgaben sind sehr ambitioniert. Wir gehen in Vorkasse und sie lassen uns hängen. Typisch Deutschland, kann man das so sagen?“
Wie hoch genau die Kosten sind, die jetzt auf den Dortmundern hängen bleiben? „Das ist fast unmöglich zusammenzurechnen“, so Uhr. Zu viele verschiedene Personalkosten würden da hineinspielen.
Allein im Sozialamt müssten drei bis fünf Personen freigestellt werden für das Digitale. „Das belastet natürlich das Personalbudget“, so Süshardt. „Pro Jahr kommt man da schon auf eine sechsstellige Summe, jetzt mal ganz grob gerechnet.“

Christian Uhr vor seinem neuen Bürgeramt. © Joscha F. Westerkamp
Uhr: „Das OZG ist bis zum Ende des Jahres befristet. Die gesamte kommunale Familie hofft jetzt auf ein OZG 2.0, dass uns dann die benötigten finanziellen und personellen Ressourcen zur Verfügung stellt.“
Vergeblich waren die Gelder, die die Stadt Dortmund bisher investiert hat, aber nicht – denn die Bürger nutzen die Services: 2021 wurden bereits 65.000 Online-Anträge über das Serviceportal gestellt, 2022 bis jetzt schon über 40.000.
Alles auch weiter in Papierform im Amt möglich
„Wir wollen keinen von den Dienstleistungen ausschließen – also keine Sorge, es wird auch weiter per Papierform im Amt gehen“, so Uhr. Doch allen, die lieber zu Hause bleiben, wolle man den Weg so einfach machen wie möglich. Dafür könnten beispielsweise auch geforderte Dokumente mit dem Handy abfotografiert und hochgeladen werden.
„80 Prozent der Dienstleistungen erhält man über einen Gastzugang, für den man sich ganz leicht registrieren kann, wie bei den meisten anderen Online-Portalen auch“, so Uhlmann.
Nur für die restlichen 20 Prozent sei es gesetzlich erforderlich, sich auszuweisen – das gehe entweder einmalig mit einem e-ID-fähigen Personalausweis. Oder über einen letzten persönlichen Besuch im Amt.
Gebürtiger Ostwestfale, jetzt Dortmunder. In der zehnten Klasse mit Journalismus und Fotografie angefangen. Liebt es, mit Sprache zu jonglieren – so sehr, dass er nun schon zwei Bücher übers Jonglieren geschrieben hat.