Stadt lässt Habseligkeiten von Obdachlosen entsorgen Peter und Brigitte Rösler üben Kritik nach Vorfall

Stadt Dortmund lässt Obdachlosenlager am Hauptbahnhof entfernen
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An der Südseite des Hauptbahnhofs gibt es viel Publikumsverkehr, im Bereich der Taxistände schützt ein Glasdach vor Regen. Regelmäßig halten sich dort obdachlose Menschen auf. Hier haben Peter und Brigitte Rösler am Freitag (6.1.) einen Einsatz des Ordnungsamtes beobachtet, der Fragen aufwirft.

Die beiden haben ihren Enkel zum Bahnhof gebracht, als sie gesehen haben, wie Mitarbeitende der EDG zusammen mit Kräften des Ordnungsamts Habseligkeiten von obdachlosen Menschen unter dem Glasdach eingesammelt und entsorgt haben. Darunter seien auch Dinge gewesen, die eigentlich gebraucht werden.

„Da waren Decken bei und wirklich gute Schlafsäcke“, schildert Brigitte Rösler. Vor ihrer Rente hat sie selbst mit obdachlosen Menschen gearbeitet. „Ich habe die Menschen vom Ordnungsamt auch noch angesprochen, dass man das doch nicht einfach wegwerfen kann.“ Die Personen, denen die entsorgten Gegenstände gehört haben mögen, waren laut Brigitte Rösler nicht dabei.

Hilfsorganisationen in Dortmund nennen Schlafsäcke regelmäßig als besonders benötigte Spenden. Viele obdachlose Menschen seien aktuell für kältere Temperaturen schlecht ausgestattet.

Ordnungsamt spricht von Müll

Das Dortmunder Ordnungsamt bestätigt auf Nachfrage den Einsatz. Was genau entsorgt wurde, stellt sich aus Sicht der Behörde allerdings anders dar: Insgesamt sechs Personen seien auf das Verbot des Lagerns und Campierens im öffentlichen Raum und auf Hilfsangebote hingewiesen worden. Ihnen sei eine „angemessene Frist“ gewährt worden, ihre Habseligkeiten einzusammeln.

„Bei einer späteren Kontrolle wurde festgestellt, dass sich an besagter Örtlichkeit herrenlos zurückgelassene Lagerreste in Form von Pappkartons und Müll befanden“, so das Ordnungsamt weiter. Dieser „Müll“ sei durch die EDG entsorgt worden.

Doch auch mit dieser Darstellung des Ordnungsamtes konfrontiert ist sich Brigitte Rösler sicher: Das, was am Hauptbahnhof entsorgt worden ist, war kein Müll - jedenfalls nicht für Menschen, die auf der Straße leben.

Schilderungen eines Obdachlosen

Auch einige Tage später halten sich beim Besuch unseres Reporters vor Ort im Bereich, in dem der Einsatz am Freitag stattgefunden hat, mehrere obdachlose Menschen auf. Von Spuren eines Lagers ist hingegen nichts zu finden. Ein Mann liegt nur spärlich gegen das Wetter geschützt unter dem Glasdach.

Ein obdachloser Mann liegt einige Tage nach dem Einsatz vor dem Hauptbahnhof.
Ein obdachloser Mann liegt einige Tage nach dem Einsatz vor dem Hauptbahnhof. © Bastian Pietsch

Frag man nach, ob hier zuletzt Dinge weggekommen sind, scheinen die Antworten die Schilderungen von Peter und Brigitte Rösler zu untermauern. Ein obdachloser Mann schildert, dass sowohl von ihm als auch von anderen Menschen, die auf der Straße leben, in der Vergangenheit abgelegte Sachen vom Ordnungsamt eingesammelt wurden. Auch Schlafsäcke seien darunter gewesen.

Zum konkreten Einsatz am 6. Januar kann sich am Hauptbahnhof niemand äußern.

„Sensibilität und Fingerspitzengefühl“

Ein ungewöhnlicher Vorgang war der Einsatz am Freitag nicht. Der kommunale Ordnungsdienst kontrolliere regelmäßig das Verbot des Lagerns und Campierens auch im Umfeld des Hauptbahnhofs, so das Ordnungsamt. „Dies erfolgt immer mit der notwendigen Sensibilität und Fingerspitzengefühl“, so die Behörde.

Dazu, dass Lager von obdachlosen Menschen abgeräumt werden, komme es erst dann, wenn Räumungsaufforderungen mehrfach missachtet worden seien. „Eine Entsorgung von privaten Gegenständen gehört explizit nicht dazu“, betont das Ordnungsamt. Sollten bei einer Räumung private Gegenstände gefunden werden, werden diese entweder dem bekannten Besitzer oder der Besitzerin ausgehändigt oder landen im Fundbüro.

Bei Brigitte und Peter Rösler stößt der Einsatz vom 6. Januar auf wenig Verständnis. „Die Sachen waren ordentlich gefaltet zwischen den Säulen platziert, die Menschen wollten abends wiederkommen“, so Brigitte Rösler. Möglicherweise sind sie das sogar. Um etwas zu vermissen, das als Müll entsorgt wurde.

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