Geisterbaustellen in Dortmund wegen Bombensuche Warum manche Blindgänger-Untersuchungen Monate dauern

Stadt Dortmund lässt Tunnel an B1 graben: Warum Blindgänger-Untersuchungen Monate dauern können
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Zigtausende Bomben sind im Zweiten Weltkrieg über Dortmund niedergegangen - Experten gehen davon aus, dass rund 10.000 Blindgänger nicht explodiert sind. Jedes Jahr fallen etwa 50 von ihnen bei Bauprojekten auf und werden entschärft. Bevor das der Fall ist, sorgen die nötigen Untersuchungen aber gelegentlich für langwierige Sperrungen im Straßenverkehr.

So ist das seit einigen Wochen auf der Möllerbrücke der Fall, weil auf einem benachbarten Privatgrundstück gearbeitet wird. Bevor eine Terrasse für eine Bäckerei am Rewe-Markt entstehen kann, muss eine mögliche Blindgänger-Gefahr abgeklärt werden.

Geisterbaustelle auf der Möllerbrücke: Für den Autoverkehr war in Richtung B1 zeitweise nur noch halb so viel Platz.
Geisterbaustelle auf der Möllerbrücke: Für den Autoverkehr war in Richtung B1 zeitweise nur noch halb so viel Platz. © Kevin Kindel

Besonders groß ist der Aufwand für so eine Untersuchung seit Monaten in der östlichen Innenstadt. An der Einmündung Voßkuhle/Defdahl müsse man die Sondierung speziell planen und koordinieren, sagt Stadtsprecherin Alexandra Schürmann. Die Arbeiten ziehen sich schon so lange hin, dass die Baugrube völlig zugewachsen ist.

Bei Bohrungen sei eine Anomalie im Boden festgestellt worden. Um genau festzustellen, was sich dort im Boden befindet, müsse man die Stelle aufgraben. Zur Abstützung des Erdreiches sollen Brunnenringe von oben in die Baugrube eingesetzt werden.

An der Voßkuhle hat sich so lange nichts an der Baugrube getan, dass inzwischen massenweise Unkraut sprießt.
An der Voßkuhle hat sich so lange nichts an der Baugrube getan, dass inzwischen massenweise Unkraut sprießt. © Kevin Kindel

Das Problem dabei: Versorgungs-, Telefon- und Internetleitungen müssen erst vom Verdachtspunkt weggelegt werden. Für Strom, Gas und Wasser war das im Juli schon erledigt, die Telekom habe die entsprechenden Arbeiten erst beauftragt. „Im Anschluss an die Telekom muss ein weiteres Telekommunikationsunternehmen ebenfalls noch eine Leitung umlegen“, so Schürmann. Erst dann könne man sich den Bombenverdacht genau ansehen.

Noch deutlich aufwendiger ist die laufende Sondierung an der Auffahrt von der Märkischen Straße zur B1. Bereits Ende Mai haben die Experten dort die ersten Arbeiten vorgenommen. Mehr als zwei Monate lang war die Auffahrt gesperrt, jetzt ist nur noch eine der beiden Spuren beeinträchtigt.

„Enorme Kosten“ bei Kabelverlegung

„Unmittelbar über der zu untersuchenden Anomalie befinden sich circa 15 Stromkabel und mehrere Telekommunikationsleitungen“, sagt Alexandra Schürmann. Sie so zu verlegen wie an der Voßkuhle wäre „mit enormen Kosten verbunden“, so die Stadtsprecherin. Also hat sich das Tiefbauamt eine ungewöhnliche Alternative überlegt.

Im „bergmännischen Vortrieb“ wird der Verdachtspunkt untersucht. Das heißt, dass man auf einem Nachbargrundstück einen etwa fünf Meter tiefen Schacht mit etwa vier mal vier Metern Fläche buddelt. „Von diesem Schacht wird dann horizontal ein Tunnel in Richtung der Anomalie gegraben.“

Spezialfirma ist nötig

Weil das nur spezialisierte Firmen können, müsse die Stadtverwaltung eine gesonderte Ausschreibung erstellen. Aktuell werde eine „labortechnische Bodenuntersuchung“ durchgeführt, um die Voraussetzungen für die nötigen Arbeiten zu ermitteln.

Die Auffahrt von der Märkischen Straße zur B1 ist seit Monaten nur eingeschränkt nutzbar.
Die Auffahrt von der Märkischen Straße zur B1 ist seit Monaten nur eingeschränkt nutzbar. © Kevin Kindel

Dieser Vorgang sei extrem selten, sagt auch Dr. Henner Sandhäger von der Bezirksregierung, die für die Sondierungen zuständig ist. Sein Analyse-Team bekomme wöchentlich bis zu zehn Datensätze aus dem ganzen Regierungsbezirk Arnsberg, um sie zu untersuchen.

Verfahren mit Magnetismus

Anhand von Luftbildern aus dem Krieg wird zuerst der mögliche Einschlagspunkt einer Bombe ermittelt. In einem Radius von sechs Metern um diesen Punkt werde das Gelände in der Regel untersucht. Zuerst werden geomagnetische Messgeräte über die Oberfläche geführt - diese können aber nur bis etwa drei Meter Tiefe anzeigen, ob verdächtige Gegenstände im Boden liegen.

Bomben-Blindgänger können jedoch bis zu 8 Meter tief liegen, sagt Sandhäger. Also werden die Messgeräte in einem nächsten Schritt in Bohrlöcher abgelassen. In der Regel seien 37 Bohrungen pro Verdachtsgebiet nötig. Wenn auch damit keine eindeutige Aussage zu treffen ist, sei „die Aufgrabung als letztes Mittel unumgänglich“.

Dreiköpfiges Team analysiert

Der Regierungsbezirk Arnsberg reicht von Bochum und Hamm bis an die NRW-Grenze zu Hessen. Für die Messdaten-Interpretation ist Sandhäger Teil eines dreiköpfigen Teams: Normalerweise könne man die Analyse-Ergebnisse nach einem Arbeitstag rausschicken.

Wenn das betroffene Gebiet ganz einfach zugänglich ist, sei entsprechend schnell bekannt, ob die Stelle aufgegraben werden muss oder nicht. Häufig seien es aber die vorbereitenden Maßnahmen, um die betroffene Stelle zu erreichen, die für Verzögerungen sorgen. So wie an der Voßkuhle oder der B1.

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