L821-Sperrung stürzt Fleischerei in Überlebenskampf „Es ist wie abgeschnitten“

L821-Sperrung in Wasserkurl stürzt Fleischerei in Überlebenskampf
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Die Fleischerei Demarczyk gehört zu den Traditionsbetrieben in Kamen und vor allem in Methler. An der Germaniastraße 35 wird selbst geschlachtet, und die kesselfrische Fleischwurst ist ein Renner. Die Nachfrage nach den schlachtfrischen Produkten ist in den vergangenen Tagen allerdings dramatisch zurückgegangen. Kein hausgemachtes Problem, sondern verursacht durch die Sperrung an der Wasserkurler Straße.

„Seitdem die die Baustelle da ist, ist es hier wie abgeschnitten“, klagt Jürgen Demarczyk. Der 56-jährige Fleischermeister zählt täglich 30 bis 35 Kunden weniger, die sich mit frischem Speck, Fleischsalat oder Sauerkraut versorgen. Das ist für den Fleischereibetrieb existenzbedrohend. „Bei der Bank stehe ich bis hier oben im Sumpf“, sagt Demarczyk und hebt die flache Hand bis zum Hals.

Claudia Demarczyk hält nach Kunden Ausschau. Vor allem aus Unna, vor allem Afferde und Umgebung, scheuten die Kunden den durch die Vollsperrung verursachten Umweg.
Claudia Demarczyk hält nach Kunden Ausschau. Vor allem aus Unna, darunter Afferde und Umgebung, scheuten die Kunden den durch die Vollsperrung verursachten Umweg. © Stefan Milk

Eine Handwerksfamilie, wie sie im Buche steht

Familie Demarczyk ist eine Handwerksfamilie, wie sie im Buche steht. Seit 1906 versorgt der Fleischereibetrieb Methler und Umgebung mit frischen Produkten. Jürgen Demarczyk führt den Betrieb in vierter Generation seit 2001 – elf Mitarbeiter beschäftigt er an dem Standort. Das Fleisch stammt ausschließlich aus der Nachbarschaft, beispielsweise von den Höfen Löddemann und Wulhorst in Methler oder Wedell in Kamen. „Der weitest entfernte Hof liegt in Pelkum“, berichtet Demarczyk, für den sowohl Nachhaltigkeit als auch Qualität wichtig sind.

Ebenso wichtig wird für ihn jetzt vor allem eines: Das Überleben in Zeiten der Dauerbaustelle. Für den Einzelhändler ist unbegreiflich, warum die Sperrung ausgerechnet jetzt erfolgen musste. In einer Zeit, die für ihn eigentlich die meisten Umsätze bringt. „April, Mai und Juni sind unsere wichtigsten Monate. Da sind Feiertage, Kommunionen und Konfirmationen. Das Geld, das wir jetzt verdienen müssen, bildet das Polster fürs ganze Jahr.“

Jürgen Demarczyk in der Kühlhalle mit frisch geschlachteten Schweinen. „Die Qualität ist einfach anders, als wenn ich das Fleisch woanders her kommen lasse.“
Jürgen Demarczyk in der Kühlhalle mit frisch geschlachteten Schweinen. „Die Qualität ist einfach anders, als wenn ich das Fleisch woanders her kommen lasse.“ © Stefan Milk

Brücke soll noch etwa zwei Monate lang gesperrt sein

Noch etwa zwei Monate lang soll die Landesstraße 821 in Höhe der Körne in beide Fahrtrichtungen gesperrt sein, weil die marode Brücke, 1926 erbaut, dringenden Sanierungsbedarf hat. Zahlreiche Bürger beklagten sich in unserer Redaktion, weil sie dort kaum Bautätigkeit registrieren. In Kombination mit einer Sperrung der Wickeder Straße in Husen/Kurl ergeben sich teilweise noch weitere Umwege für die Betroffenen.

Mittlerweile hat sich die Politik eingeschaltet. Die SPD-Fraktion schrieb einen kritischen Brief an das Landesbauamt Straßen NRW. Sprecherin Nadia Leihs verneinte die Frage unserer Redaktion, dass auf der Baustelle womöglich zu wenig gearbeitet würde. „Die Arbeiten haben vor drei Wochen begonnen und liegen im Zeitplan. Verschiedene Arbeitsschritte sind bereits fertiggestellt, unter anderem die Abdichtung, die sich zwischen dem Asphalt der Fahrbahn und dem Beton des Überbaus der Brücke befindet, und der Einbau von zwei sich darüber befindlichen Gussasphaltschichten.“

Jürgen Demarczyk vor dem Räucherofen seines Urgroßvaters, der täglich in Betrieb ist. Der 56-Jährige ist leidenschaftlicher Fleischermeister. „So etwas macht kaum ein Metzger mehr.“
Jürgen Demarczyk vor dem Räucherofen seines Urgroßvaters, der täglich in Betrieb ist. Der 56-Jährige ist leidenschaftlicher Fleischermeister. „So etwas macht kaum ein Metzger mehr.“ © Stefan Milk

Kein Verständnis dafür, dass so wenig Bautätigkeit zu sehen ist

Jürgen Demarcyk hat trotzdem kein Verständnis dafür, dass so wenig Bautätigkeit zu sehen ist. „Man sieht keinen Spaten, keinen Bagger. Es wäre schön, wenn es das schnell weiter gehen würde – und vor allem schneller fertig wird.“ Denn der Kundenschwund ist für den Fleischermeister räumlich genau zu fixieren. All jene die südlich der Brückenbaustelle wohnen, würden den Umweg kaum ein zweites Mal fahren. „Sie berichteten von fast einer halben Stunde Fahrt mit Wegen bis 16 Kilometern statt einmal über die Brücke zu fahren.“ Claudia Demarczyk ergänzt: „Und manche, die uns erreicht haben, sind dann überfordert, wieder zurück zu finden.“

Im Überlebenskampf will der Betrieb den Kunden jetzt buchstäblich entgegen kommen, indem er seinen Lieferservice ausbaut. Zwei Mal wöchentlich, vermutlich dienstags und donnerstags, wird die Ware an jene frisch geliefert, die unter Tel. 02307/30474 bestellen. Damit die kesselfrische Fleischwurst auch frisch ankommt. Demarczyk: „Manche machen bei uns schon Großeinkäufe, um die Waren einzufrieren. Aber das kann auch keine Dauerlösung sein.“

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