Wer lange nach dem richtigen Grundstück in Dortmund gesucht hat und in diesem Jahr fündig wurde, musste sein Bauvorhaben aufgrund der in die Höhe schnellenden Zinsen und der Baukostensteigerungen neu kalkulieren. Etliche Bauprojekte wurden schon ganz abgesagt.
„Die Nachfrage nach Baufinanzierungen ist bundesweit eingebrochen“, stellt Dirk Schaufelberger, Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Dortmund, im Gespräch mit unserer Redaktion fest. Um 70 bis 80 Prozent sei das Neugeschäft mit Immobiliendarlehen in Deutschland zurückgegangen. So hart sei man glücklicherweise selbst nicht betroffen. „Wir registrieren nur einen Rückgang um 40 Prozent, weil wir zu Jahresbeginn einen starken Vorlauf hatten. Im November aber ist die Zahl der Baufinanzierungen im Vergleich zum ersten Halbjahr um 50 Prozent zurückgegangen“, so Schaufelberger.
Der Angriff Russlands auf die Ukraine habe alles verändert. Inflation, Preis- und Zinsanstieg sorgen für Nervosität und Zurückhaltung auf dem Immobilienmarkt. Etliche Projekte, die erst im Planungsstadium waren, wurden auf Eis gelegt, musste man bei der Sparkasse feststellen.
Neubauten nicht zu realisieren
Glücklicherweise konnte eines der größten Wohnungsbauprojekte in der Dortmunder Innenstadt, das Kaiserquartier an Kaiser- und Klönnestraße, in diesem Herbst weitgehend unbeeinflusst von den Kostensteigerungen fertiggestellt werden. Aktuell wäre ein solches oder ein vergleichbares Vorhaben finanziell aber nicht vorstellbar. „Würde man nach den derzeitigen Bedingungen auf dem Markt Wohnungen realisieren“, sagt der Kaiserquartier-Investor Eric Schmidt, „müsste man Mieten nehmen, die für Dortmund unbezahlbar sind.“
„Es gibt einen dringenden Bedarf vor allem im sozialen Wohnungsbau. Aber angesichts der derzeitigen Kosten sind Neubauten nicht zu realisieren. Die möglichen Mieteinnahmen reichen nicht, um die Finanzierungskosten zu decken“, sagt dazu auch Dirk Schaufelberger. Folglich sei das Vorhaben der Ampel-Koalition in Berlin, jährlich 400.000 Wohnungen in Deutschland zu bauen, gescheitert. „Mit Ach und Krach werden in diesem Jahr 200.000 Wohnungen fertig.“

Aber nicht nur Investoren, sondern auch und gerade private Bauherren entscheiden sich derzeit gegen einen Immobilienerwerb. „Die Finanzierbarkeit ist häufig nicht mehr gegeben“, so der Sparkassen-Chef. Seit Jahresbeginn haben sich beispielsweise die Zinsen für zehnjährige Immobilienkredite auf rund vier Prozent mehr als vervierfacht. „Bei den monatlichen Raten macht das oft Hunderte Euro aus. So einen Zinsanstieg gab es noch nie. Das Tempo, mit dem die Europäische Zentralbank den Leitzins angehoben hat, führt zu Veränderungen und tut weh“, sagt Dirk Schaufelberger.
Strengere Prüfungen
Hinzu komme, dass man wegen der hohen Inflation Anträge auf Immobilienkredite auch strenger prüfen müsse und beispielsweise höhere Lebenshaltungskosten bei Verbrauchern ansetze. „Das führt zusätzlich dazu, dass wir Baufinanzierungen ablehnen müssen und Immobilienträume platzen“, so Dirk Schaufelberger.
Baufinanzierungen sind für deutsche Banken generell ein äußerst wichtiges Geschäft. Bei der Sparkasse Dortmund haben private Immobiliendarlehen einen großen Anteil im Kreditbuch. Jahrelang ist das Volumen gewachsen, jetzt aber scheinen die Boom-Jahre vorbei zu sein.
Ausgebremst ist aber nicht nur das Neugeschäft. Immer mehr Immobilienbesitzer kommen wegen der gestiegenen Lebenshaltungskosten gerade in Nöte - sowohl die, die zwar zu Niedrigzinsen, aber sehr knapp kalkuliert finanziert haben, als auch die, die jetzt Anschlussverträge mit einem höheren Zinssatz abschließen müssen.
„Es gibt eine starke Nachfrage nach Tilgungs- und Ratenaussetzung. Das hatten wir zu Beginn der Corona-Pandemie befürchtet, aber da ist es ausgeblieben. Jetzt kommt es vermehrt zu finanziellen Engpässen“, sagt Dirk Schaufelberger.
Turbo für alternative Energien
Krisenphänomene bringen oft aber auch besondere Trends hervor oder beschleunigen Entwicklungen. Der Sparkassen-Chef stellt fest, dass die aktuelle Energiekrise in einer Hinsicht einen ganz positiven Effekt hat. „Der Energieengpass“, so sagt er, „wird zum Turbobooster für alternative Energien - so wie es Corona für die Digitalisierung wurde.“
Dass das so ist, zeigt ihm die enorm gestiegene Kreditnachfrage für energetische Sanierungen. „Der Wunsch nach Photovoltaikanlagen zur Gewinnung von Sonnenenergie wächst, da ja die Wirtschaftlichkeit von erneuerbaren Energien gerade rasant zunimmt“, sagt Dirk Schaufelberger. Die Sparkasse werde darauf reagieren und im Immobilienbereich einen Nachhaltigkeitsmanager beschäftigen, der Kunden rundum zum Thema energieeffizientes Sanieren berät.
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