Das letzte Jahr läuft: Höchstens knapp elf Monate noch ist die Kaufland-Filiale an der Heimbrügge in Dortmund-Mengede geöffnet. Dann ist Schluss. 72 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verlieren ihren Arbeitsplatz. Die Dienstälteste unter ihnen arbeitet sei 1987 an der Heimbrügge. Über all die Betriebsübergänge, zuletzt von Real zu Kaufland, behielt sie ihre Anstellung.
Kaufland schließt die Filiale nach eigenen Angaben wegen mangelnder Wirtschaftlichkeit. Das Betriebsergebnis habe sich in den vergangenen Jahren negativ entwickelt, hieß es im Oktober 2023 auf Anfrage unserer Redaktion. Der Betriebsrat zog in der Folge die Mengeder Rechtsanwältin Jenna Gerlinger als Sachverständige hinzu.
Ihr Ziel: Möglichst viele der 72 Beschäftigten der Filiale sollen in eine Weiterbeschäftigung zu kommen. Dass das bei Kaufland schwieriger ist als bei anderen Ketten, zeichnete sich sehr schnell ab. Grund dafür ist eine verzweigte Struktur des Kaufland-Konzerns. Die insgesamt mehr als 700 Kaufland-Filialen sind in rund 50 Vertriebsfirmen strukturiert.

Die Mengeder Filiale gehört zur Kaufland Vertrieb Gamma GmbH. Die nächstgelegene zugehörige Filiale ist in Bocholt. Alle 14 weiteren sind in Süddeutschland. Ein Versetzen von Mengeder Mitarbeitern in eine der nahegelegenen Kaufland Filialen in Dortmund oder Castrop-Rauxel ist nicht ohne weiteres möglich, weil sie formal den Arbeitgeber wechseln.
Ende Januar begannen Verhandlungen des Mengeder Betriebsrats, des Gesamtbetriebsrats mit der Kaufland Vertrieb Gamma – auch über Möglichkeiten der Weiterbeschäftigung in einem Schwesterunternehmen. „Es muss eine Möglichkeit geben, dass man unternehmensübergreifend versetzt“, hatte Andreas Stepanek, der Vorsitzende des Gesamtbetriebsrates, gehofft.
Die Hoffnung zerstob. Immerhin: „Die Verhandlungen sind abgeschlossen, es gibt einen Sozialplan“, erklärt Jenna Gerlinger am Montag (22.4.) im Gespräch mit unserer Redaktion. Alle 72 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erhalten von Kaufland „aufgrund der rechtlichen Gesamtsituation“ eine ordentliche Kündigung.
50 Mitarbeiter ohne Job
Nur ein Teil der Mengeder Angestellten habe Angebote für einen Wechsel in eine nahegelegene Filiale erhalten, berichtet die Arbeitsrechtlerin. Sieben hätten von ihnen hätten sich entsprechend beworben und einen neuen Vertrag in einer der Kaufland-Schwestergesellschaften erhalten. Damit verzichten sie gleichzeitig auf eine Abfindung.
Weniger als zehn Beschäftigte der Mengeder Filiale gehen 2025 in Rente, rechnet Jenna Gerlinger vor. Hinzu komme eine kleine Anzahl Langzeiterkrankter. Im Ergebnis verlieren demnach rund 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihre Arbeit. „Das ist die Realität“, sagt die Anwältin. Sie klingt ernüchtert.
Die Verhandlungen habe sie als dennoch konstruktiv erlebt. Das eher grundsätzliche Ergebnis einer Neubeschäftigung in den Schwesterunternehmen sei zwar gut. Es habe aber die Gefahr geborgen, die Zahl der Stellen und die Auswahl der Mitarbeiter unternehmensseitig zu steuern.

Derweil sende Kaufland im Markt-Radio der Mengeder Filiale seine Stellenausschreibungen und werbe für Mitarbeiter. Eine geradezu groteske Situation in den Ohren der noch Beschäftigen. „Wieso kann man die Menschen hier nicht nehmen, sondern sucht nach Leuten?“, fragt die Anwältin.
Jenna Gerlingers Mission ist mit Abschluss des Sozialplans noch nicht beendet. Kaufland habe bis zum Tag des Schließens der Filiale eine Fürsorgepflicht. „Das heißt auch, ist noch genügend Personal da, um den Betrieb aufrechtzuerhalten“, erklärt die Sachverständige des Betriebsrats. „Was ist, wenn die sieben Mitarbeiter schon in ihre neuen Filialen wechseln?“
Auch hinsichtlich der Versorgung mit Waren müsse der Zustand der Filiale aufrechterhalten werden. „Aufgabe des Betriebsrates ist es, das zu überwachen.“ Noch eines ist ihr wichtig: Der Sozialplan beinhalte das Schließungsdatum 31. März 2025. Damit schütze er die Arbeitnehmer. „Ob die Filiale dann noch offen ist oder nicht, ist davon losgelöst“, betont Jenna Gerlinger.
Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel erschien ursprünglich am 27. April 2024.