Nebel-Austern und dekonstruiertes Snickers: Die Sterne-Küche des Iuma im Test

© Niels Hofmann

Nebel-Austern und dekonstruiertes Snickers: Die Sterne-Küche des Iuma im Test

rnSerie „Dortmunds Tour der Sterne“

Dortmund hat seit diesem Jahr drei neue Sternerestaurants - eines davon liegt in Kirchhörde: Das Iuma versteht sich als asiatisches Fusion-Restaurant. Wie schmeckt es dort? Wir haben es getestet.

von Tom Thelen

Dortmund

, 16.01.2022, 17:55 Uhr / Lesedauer: 3 min

Die Geschichte der fernöstlichen Küche in Deutschland ist eine Geschichte der Missverständnisse. Lange verblieb die Wahrnehmung irgendwie unscharf zwischen Ente süß-sauer und koreanischem Feuerfleisch, zwischen Chicken Chop Suey, Tom Yam und Lachs-Nigiri stecken. In den Küchen daheim wurde mit Zitronengras und Fischsauce vergeblich nach Absolution gesucht.

Diese Lage hat sich in den letzten Jahren gebessert, längst gibt es Restaurants, die authentisch agieren, manchmal erfolgreich.

SERIE

Dortmunds Tour der Sterne

So viele Sterneköche wie dieses Jahr hatte Dortmund noch nie: Gleich vier Restaurants stehen im aktuellen „Guide Michelin“. Wir testen sie in unserer Serie „Dortmunds Tour der Sterne“.

Das Iuma, im März 2021 mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet, fällt heraus aus diesem Schwarz-Weiß-Schema. Es versteht sich als „asiatische Küche“, ist aber alles andere als eine Verkörperung der reinen Lehre. Hier entsteht unter den Händen von Chefkoch Pierre Beckerling eine kreative Fusion kulinarischen Weltwissens im Geiste der japanischen Küche.

„Starten wir mit einem Glas Wasser?“ fragt zunächst René Sampaio, demnächst zertifizierter Sommelier und einer der drei Zeremonienmeister des Abends. Das Iuma ist das Gourmet-Schwester-Restaurant des Vida, beide betrieben von Sternekoch Michael Dyllong mit Partner Chiro De Luca.

Im Iuma kann man den Köchen in ihrer offenen Küche beim Kochen zusehen-

Im Iuma kann man den Köchen in ihrer offenen Küche beim Kochen zusehen- © Tom Thelen

Klar, dass hier in Sachen Design und Konzept wahrlich nichts dem Zufall überlassen wurde. Lederbänke, Design-Tapete, ausgeklügeltes Lichtkonzept, edler Holzboden, exzellente elektronische Musik an der Hörgrenze, die offene Show-Küche, gestärkte weiße Tischwäsche, schickes Besteck, lockere Ansprache.

Alles durchdacht, ohne aufgesetzt zu wirken. Die Mehrzahl der Gäste trägt Sneaker, mancher ist genauso dicht am Oberarm tätowiert wie der Chefkoch. Sterneküche der neuen 20er.

Edles Interieur.

Edles Interieur. © Niels Hofmann

Das Team beeindruckt sofort. Beckerling, Sampaio und Koch Roy Wilk funktionieren wie eine gut geölte Maschine. Jeder serviert mal, jeder Handgriff sitzt, keine Hektik. Ist das schon diese berühmte asiatische Gelassenheit?

Japanisches Street-Food trifft Trüffel

Der Gruß aus der Küche kommt als Quintett. Ein Happen der Gelbschwanzmakrele Hamachi ganz klassisch trifft auf etwas, was als vegetarischer Döner annonciert wird, daneben ein Hirschschinken, serviert an einem Tannenzapfen.

Der Knaller: Takoyako mal anders. Das runde Straßen-Futter-Bällchen aus Osaka, das dort zumeist mit Oktopus zubereitet wird, gibt es in Dortmund mit Roter Bete und Trüffel. Kann man machen, kann man sehr gut machen.

Apero im IUMA

Apero im IUMA © Tom Thelen

Beim ersten Gang „Auster mit Blumenkohl, Buttermilch, Perilla“ offenbart sich dann weiter das Prinzip der Küche. Es sieht nicht mehr aus wie das Produkt, schmeckt aber besser und anders und doch wiedererkennbar.

Jetzt lesen

„Das ist ja gar nicht glibberig“, frohlockt der Nebentisch ob der Abwesenheit der typischen Konsistenz der Meeresfrucht. Tatsächlich ist die hochklassige Gillardeau No. 2 Auster in verschiedenen Texturen bis hin zur Sphäre zu finden.

Der Clou: das aufgefangene Meerwasser aus der Auster wird, zu Kügelchen gefroren, Trockeneis-nebelig auf den Teller gegeben, was beim Schmelzen quasi eine authentische Meeresbrise verursacht. Was für ein Effekt!

So sieht eine Auster aus im IUMA. Die weißen Kügelchen sind gefrorenes Meerwasser.

So sieht eine Auster aus im IUMA. Die weißen Kügelchen sind gefrorenes Meerwasser.

Gang Nummer zwei: „Wagyu Beef, unreife Papaya, Erdnuss, Thai Basilikum“. Drei unter Holzkohle angegrillte und eingelegte Tranchen des Kult-Fleisches auf einem traditionellen Salat, der naturgemäß irritiert: Für unreifes Obst gehe ich doch nicht in ein Sternerestaurant. Grüne Bananen gibt es auch beim Discounter.

Doch hier handelt es sich um Papaya mit etwas Biss, in Richtung Kraut. Tolle Aromatik, viele Nuancen. Show-Effekt: Aus dem Roastbeef hat man Jerky (Trockenfleisch) gemacht, das final noch über den Salat gerieben wird. Na klar, warum auch nicht? Dazu ein leicht bis gut gekühlter (!) Pinot Noir. Wie schon gesagt, der Gast lernt hier dazu. Nebenbei auch über die möglichen Konsistenzen von Erdnüssen.

Wagyu-Beef aus den USA, Darunter, nicht zu sehen, unreife Papaya.

Wagyu-Beef aus den USA, Darunter, nicht zu sehen, unreife Papaya. © Tom Thelen

Weiter geht es mit einem Fischgang. Black Cod ist ein Kabeljau-artiger Fisch, der hierher aus Norwegen kommt und die Küche eingeladen hat schwarzzusehen. Schwarzwurzel und schwarzer japanischer Senf gesellen sich zum weißen Fisch, irgendwo unten kommt noch eine Hollandaise zum Vorschein. Kochen nach Farben.

Jetzt lesen

Dazu ein Brut Nature von Volker Raumland, dem Großmeister deutscher Sektkultur, den dieser aus 2015er Trauben für Tochter Katharina gemacht hat. Black Metal mit Schampus, der Gast hat den Eindruck, dass die Musik gerade etwas lauter wird.

Black Coed mit "ein wenig" Kaviar obenauf.

Black Coed mit "ein wenig" Kaviar obenauf. © Tom Thelen

Reh aus dem Sauerland und dekonstruiertes Snickers

Der Hauptgang: „Reh, Roter Curry, Pakchoi, Berberitze“. Das zarte Fleisch aus dem Sauerland thront auf einem Salat, eine sehr, sehr besonderer Jus umspielt den Spaß, darin ein, zwei Tröpfchen Petersilienöl, obenauf „hier im Sommer überall wachsende“ Berberitzen, dazu ein recht leichter, doch stämmiger portugiesischer Douro mit mehr Salz als Tannin, sagenhaft.

Das Rehlein aus dem Sauerland

Das Rehlein aus dem Sauerland © Tom Thelen

Wieder ganz zurück vom Asientrip ist der Gast dann beim Dessertgang „Dortmunder Honig, Milky Oolong, Apfel, Creme fraiche“. Den Honig vom befreundeten Imker gibt es hier als Schaum, als Kuchen, als Süßungsmittel, als Chip. Immer genial, Spaß dazu macht die trockene (!) Spätlese von Schloss Lieser, Thomas Haag, von der Mosel. René Sampaio beweist da Händchen.

Allerlei aus Dortmunder Honig zum Dessert

Allerlei aus Dortmunder Honig zum Dessert © Tom Thelen

Final dann Taiyaki, was in Japan bedeutet, dass in einem Teig in Fischform Süßigkeiten serviert werden. So einfach geht es hier natürlich nicht. Es gibt Teig in Fischform, lecker saftig. Dazu aber noch zwei Schälchen, die Nüsschen, Schoko, Nougat und so enthalten, der Service verrät, was dann geschmeckt wird: dekonstruiertes Snickers.

Dekonstruiertes Snickers. Leicht zu merken.

Dekonstruiertes Snickers. Leicht zu merken. © Tom Thelen

Fazit:

Das Iuma ist etwas für Genießer, die sich gerne auch einmal auf ungewöhnliches Terrain begeben. Das Ambiente mag Ehrfurcht einflößend edel sein, Schwellenangst ist aber völlig unangebracht. Ein Erlebnis.

Gegessen wurde das 5-Gang-Menü für 98 Euro mit der Weinbegleitung für 62 Euro.

ÜBERSICHTSSEITE

Alles rund um Genuss in und um Dortmund

Auf unserer Übersichtsseite „Genussecke“ versammeln wir Alles rund um Neueröffnungen und kulinarischen Geheimtipps in und um Dortmund. Hier geht es zu allen Artikeln.
Lesen Sie jetzt