„Ich werde dafür sorgen, dass das bis in den letzten Winkel der Verwaltung so geregelt wird, dass so etwas nicht wieder geschehen kann“ – diesen Satz hatte der damalige Dortmunder Oberbürgermeister Ullrich Sierau gesagt, als 2013 bekannt wurde, dass eine Mitarbeiterin der Bezirksverwaltungsstelle Hombruch 400.000 Euro veruntreut hatte.
Bekanntlich ist Sierau nicht mehr Oberbürgermeister, aber zehn Jahre später gibt es einen weiteren Fall – nicht von Veruntreuung, aber von Vorteilsannahme im Amt. Dieses Mal im Jugendamt. Der Fall liegt einige Monate zurück, wurde aber jetzt erst öffentlich bekannt.
Tatverdächtig ist ein Mitarbeiter auf unterer Leitungsebene, der neben seinem Job bei der Stadtverwaltung einen Online-Shop als Partner eines großen Direktvertriebs betreibt. Unter anderem verkauft er teure technische Geräte.
Hohe Provisionen eingestrichen
Nach Informationen dieser Redaktion soll der Mann die Leitungen von städtischen Jugendeinrichtungen per Mail aufgefordert haben, Fördergelder aus dem „Aktionsprogramm Aufholen nach Corona“ zu beantragen.
Um den bildungspolitischen und sozialen Folgen von Covid-19 zu begegnen, haben der Bund und das Land NRW Dortmund insgesamt rund 9,7 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, die bis Ende 2022 ausgegeben werden mussten. Viele Einrichtungen sollen diesen Geldtopf nicht ausgeschöpft haben.
Der Tatverdächtige soll dann die Einrichtungsleitungen gedrängt haben, aus diesem Geldtopf Dinge bei seinem Online-Shop zu bestellen. Und: Er selbst soll dafür hohe Provisionen bis zu 50 Prozent des Kaufpreises eingestrichen haben.
Der Beschuldigte ist unserer Redaktion namentlich bekannt. Um eine Stellungnahme gebeten, wollte der Mann sich nicht äußern. Er verwies auf das Presseamt der Stadt.
„Hinweise auf Auffälligkeiten“
Dort hatte die Redaktion bereits in der vergangenen Woche um Auskunft gebeten - und wurde letztlich am Mittwoch (12.4.) zunächst auf nächste Woche vertröstet mit dem Argument, es sei Urlaubszeit und es müsse „die Rückkehr jener Kollegen mit genauen Kenntnissen des Falles abgewartet werden, um eine sachgerechte Antwort geben zu können“.
Auf Nachhaken gab Stadtsprecher Frank Bußmann schließlich dieses Statement ab: „Die Stadt Dortmund bestätigt, dass sich durch interne Kontrollsysteme Hinweise auf Auffälligkeiten in Beschaffungsvorgängen des Jugendamtes ergeben haben. Erste Maßnahmen wurden bereits ergriffen. Die Vorgänge unterliegen aktuell weiterhin der Prüfung.“
Anzeige hat die Stadt offenbar noch nicht erstattet: Bei der Polizei und der Staatsanwaltschaft lag bis Donnerstag (6.4.) keine Anzeige vor. Vorteilsannahme im öffentlichen Dienst ist eine strafbare Handlung, die mit einer Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren (oder fünf Jahre bei Bestechlichkeit) geahndet werden kann.
Abmahnungen
Die Einrichtungsleiter, die beim Online-Shop des Mannes für Fördergelder Produkte bestellt haben, sollen eine Abmahnung bekommen haben. Der Mann selbst arbeitet aktuell nicht. Unklar ist, ob er Überstunden abfeiert, von denen er noch viele beanspruchen soll, oder ob er vom Dienst freigestellt ist. Unklar ist auch, wie hoch der mögliche Schaden letztendlich ist. Zu all diesen Fragen konnte sich die Stadt noch nicht äußern - obwohl der Fall Monate zurückliegt.
Die vollständige Aufklärung wird am Ende Aufgabe der städtischen Rechnungsprüfer sein, wenn es nicht sogar die Revisoren waren, die den Fall aufgedeckt haben.
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