
© Foto: Schütze / Verfremdung: Klose
Sierau droht Landes- und Bundespolitikern mit harten Worten
Kolumne Klare Kante
Es war 12 Uhr mittags. So etwas wie High Noon, als Oberbürgermeister Sierau sprachlich entgleiste und in Krawall-Manier Bundes- und Landespolitikern drohte. Unsere Autorin meint: Das geht zu weit.
Die Pressekonferenz dienstags um 12 Uhr nach der Sitzung des Verwaltungsvorstands ist so etwas wie ein Ritual. Oberbürgermeister Ullrich Sierau berichtet von Entscheidungen, die die Führungsriege der Verwaltung getroffen oder für die Politik vorbereitet hat.
Oftmals erläutert Sierau dabei ausführlich, wie sich die Dinge aus seiner Sicht darstellen, häufig auch die, die von außerhalb kommen oder eben nicht kommen, etwa wenn es darum geht, dass das Land – und zuweilen der Bund – die Kommunen finanziell hängen lässt. Immer wieder kritisiert der OB, dass Entscheidungen auf höherer Ebene getroffen werden, die die Kommunen ausbaden müssen – ohne sie vorher nach ihrer Meinung gefragt zu haben.
Krawalle in Stuttgart
Da mag Ullrich Sierau durchaus in der Sache recht haben – doch was er am Dienstag (23.6.) innerhalb einer Minute losließ, ging zu weit. In mafia-artiger (oder wahlweise Ghetto-)Manier drohte er öffentlich den Verantwortlichen auf Landes- und Bundesebene – zu sehen im Video-Stream unserer Redaktion, aber auch auf Facebook gestreamt von der Stadtverwaltung selbst.
Hintergrund waren die Krawalle in Stuttgart, auf die Sierau kurz einging. „Wir erleben ja zunehmend, dass sich gerade auf der kommunalen Ebene Situationen zuspitzen“, so der OB. „Das, was am letzten Wochenende in Stuttgart passiert ist, wird ja jetzt genau analysiert, ist aber auch Ausdruck der Tatsache, dass sich in den gegebenen Situationen die Zustände verschärfen, und das führt dann auch zu so was.“
Ein ganz schlechtes Vorbild
Beim nächsten Satz hebt Sierau die Stimme: „Und dann müssen sich jetzt mal die Herren und Damen auf den verschiedenen Ebenen fragen lassen, ob ihnen das egal ist, oder ob sie endlich auch mal Verantwortung übernehmen wollen. Mein Eindruck, ihnen ist es egal, weil sie glauben, dass wir nicht wissen, wo sie wohnen. Aber das ist herauszubekommen.“
Was soll das? Soll das jemand von den „Herren und Damen“ ernst nehmen? Will Ullrich John Wayne Sierau selbst vorbeikommen und ihnen eine verpassen? Ein ganz schlechtes Vorbild, wenn man beim Limbo des Sagbaren mitmischt. Ich weiß, wo du wohnst - in dieser Art versuchen auch Kriminelle, Polizisten einzuschüchtern. Das ist das sprachliche Niveau von Krawallmachern.
Laut und unberechenbar
Wenn Sierau wütend ist, wird es schon mal laut und unberechenbar, zumal wenn die Nerven blank liegen in diesen Tagen von Corona, Karstadt und Kaufhof. Trotzdem sollte er Zornesausbrüche besser in seinem Amtszimmer belassen - und nicht noch ins Internet ausstrahlen lassen. Das ist eines OBs nicht würdig.
Demokratie funktioniert nicht mit Drohungen gegen Entscheidungsträger. Sollte sie jedenfalls nicht. Das sollte gerade ein Oberbürgermeister wissen, der selbst schon von unerwünschten Besuchern vor der eigenen Haustür heimgesucht wurde.
Stellvertretende Leiterin der Dortmunder Stadtredaktion - Seit April 1983 Redakteurin in der Dortmunder Stadtredaktion der Ruhr Nachrichten. Dort zuständig unter anderem für Kommunalpolitik. 1981 Magisterabschluss an der Universität Bochum (Anglistik, Amerikanistik, Romanistik).
