Auf die Suche nach dem perfekten Partner setzt Christopher Frisch auch auf Dating-Apps.

© Deborah Grothe

Schwul im Jahr 2021: „Der war einfach nur angewidert“

rnSingles in Dortmund

Die Suche nach einem Partner ist für viele nicht einfach – noch schwieriger kann es werden, wenn man schwul ist. Ein Dortmunder über Internet-Dates, Diskriminierung - und Intoleranz in der er eigenen Community.

von Deborah Grothe

Dortmund

, 01.11.2021, 11:40 Uhr / Lesedauer: 3 min

„Ich kann nicht einfach jemanden auf der Straße anquatschen und auf einen Kaffee einladen“, sagt Christopher Frisch (Name von der Redaktion geändert). „Da ist das Risiko nicht nur, dass der mich nicht gut findet. Sondern auch, dass der Kerl homophob ist.“

Solche Probleme kennt nach Meinung des 25-Jährigen wohl jeder Homosexuelle, egal ob schwul oder lesbisch. Insgesamt empfindet der Dortmunder seine Heimatstadt aber trotzdem als vergleichsweise progressiv.

„Gesellschaft erzieht einen, nicht offen schwul zu sein“

Denn auch, wenn wenn er niemand sei, dem man seine sexuelle Orientierung direkt anmerken würde – grundsätzlich könne er schon offen schwul durch die Stadt laufen. Aber dann gäbe es eben auch mal negative Reaktionen. „Klar werden alle immer offener. Aber insgesamt erzieht einen die Gesellschaft auch heute noch eher dazu, nicht offen schwul zu sein.“

Jetzt lesen

Denn noch immer gibt es Beleidigungen wie „du Schwuchtel“; und Sätze wie „Es darf ja jeder schwul sein, ich will das nur nicht auf der Straße sehen“, kennt der Student nur zu gut. Das höre er nicht nur von der Generation Fünfzig plus, sondern auch von Jüngeren – die diskriminierende Einstellung scheint also nicht so einfach aus den Köpfen der Menschen zu verschwinden.

Angewiderte Blicke beim Date

Auch bei Dates mit anderen Männern begegnet Frisch immer mal wieder die Ablehnung von Außenstehenden – öfter im Kleinen als im Großen. Als er unlängst, Ende Oktober, mit einem anderen Mann untergehakt durch Münster lief, war selbst das einem Hetero-Paar offenbar schon zu viel Nähe in der Öffentlichkeit.

Das Paar hätte zwar nichts gesagt, die beiden Männer aber unverhohlen angestarrt und sich immer wieder zu ihnen umgedreht. „Und den Blick werde ich nicht vergessen“, sagt Frisch. „Der war einfach nur angewidert.“

Auf die unangenehme Situation haben er und seine Verabredung mit Lachen reagiert. „Aber sein wir ehrlich: Der Stachel sitzt.“ Humor als Bewältigungsstrategie halt.

Durch Corona in die digitale Welt

Sein Date – das hat Christopher Frisch über Tinder kennengelernt. Denn mit Corona hat sich seine Partnersuche stark in die Online-Welt verlagert. Zuvor hat er vor allem über „Freunde von Freunden“ Männer kennengelernt. Szene-Clubs oder Cafés waren noch nie sein Ding.

„Ich gehe nicht gerne feiern und diese Clubs sind mir schnell zu viel“, erklärt er. Er stehe auch nicht so auf Party-Biester und Club-Machos. „Ich mag eher die Unauffälligeren. Die Nerds, die Bücherwürmer.“

Denn auch, wenn es nicht seine Priorität Nummer eins ist: Frisch wünscht sich einen Partner. Für Zweisamkeit, Vertrauen, Verlässlichkeit. Zum Essen gehen im Mu-Kii und einem anschließenden Spaziergang um den Phoenix-See. Zum Reden bis Sonnenuntergang.

Jetzt lesen

Aber jemanden zu finden, empfindet er als schwierig. „Gays haben weniger potenzielle Partner zur Auswahl als Heteros und im Alltag auch weniger Chance, jemanden einfach erstmal kennenzulernen.“ Das sei immer so, aber durch Corona eben nochmal krasser geworden.

Intoleranz auch in der Community

Also greift Christopher Frisch auf Dating-Apps zurück - „ungern und aus der Not“, wie er sagt. Denn dort weht ein rauer Wind. „Es ist krass, wie intolerant die Gay-Community manchmal ist“, sagt er – und klingt das erste Mal in unserem Gespräch wütend.

Frisch berichtet von seinen Erfahrungen und Beobachtungen auf Tinder, Grinder (einer Dating-App für schwule und bisexuelle Männer) und Co. Berichtet von Bodyshaming. Diskriminierung. Beleidigungen. Alles innerhalb der Schwulen-Szene. „Ich check das einfach nicht“, sagt er. „Gerade, wenn die Welt gegen einen ist, sollte man doch zusammenstehen.“

Schön wär‘s. „Kannst du mal deine hässliche Kevin-Brille absetzen“ , musste Frisch schon in seinem Chatverlauf lesen. Und auch, dass er nicht muskulös genug sei, hat er schon vor den Kopf geknallt bekommen.

Dass sowas in den Apps nahezu normal sei, dass User in ihre Profil Sätze wie „suche keine Schwarzen“ schreiben: Frisch frustrieren diese offene Abwertungen. „Gerade Gays sollten doch wissen wie es ist, niedergemacht zu werden. Und es besser machen.“

Auch schon online verliebt

Das sind die dunklen Seiten des digitalen Datings. Denen zum Trotz hat Frisch auch viele positive Erfahrungen in der Online-Welt gemacht. „Meinen ersten Freund habe ich online kennengelernt“, erzählt er. Lange haben sich die beiden geschrieben, bis es zu einem ersten Treffen kam – und funkte. Bis 2019 waren die beiden ein Paar.

Jetzt lesen

Seitdem ist Christopher Frisch wieder Single. Und hatte in der Zeit auch gute Online-Dates. Die Kerle, die er über Apps kennengelernt und getroffen hat, kann er jedoch „fast an einer Hand“ abzählen. Die ernste Beziehung, die Frisch sich wünscht, ist daraus aber nicht entstanden.

Jetzt wo es wieder möglich ist, möchte Frisch wieder mehr über Freunde auf Partnersuche gehen – und sein Glück weniger in der digitalen, sondern in der echten Welt versuchen.

Leben und Lieben

LESEN SIE MEHR ÜBER SINGLES UND BEZIEHUNGSTHEMEN

Auf der Übersichtsseite „Leben und Lieben“ unserer Zeitungsportale finden Sie Themen rund um Singles, Beziehungen und Liebe Ruhr Nachrichten / Hellweger Anzeiger
Schlagworte: