Das Dachgeschoss wird ausgebaut. Eine Genehmigung dafür einzuholen, wird „vergessen“. Typischer Fall von Schwarzbau. Ein Grund, Angst vor den strengen Ordnungsbehörden zu haben? Früher vielleicht. Heute eher nicht.
Schwarzbau-Kontrolleure muss kaum noch jemand fürchten. Es sei denn, man stellt sich extrem dumm an oder hat sich mit den Nachbarn verkracht. Dann kann es üblen Ärger geben.
„Ja, das hätte er besser nicht getan“, sagt Ludger Deimel. Er ist Chef des Bauordnungsamtes in Dortmund und damit unter anderem zuständig für „Schwarzbauten“ aller Art. Jetzt erinnert er im Gespräch mit unserer Redaktion an den wohl spektakulärsten Fall von Schwarzbau der vergangenen Jahrzehnte.

Der nahm im Mai 2019 seinen Anfang. Seinerzeit beschwerte sich ein Mann, der in einer Wohnung im Gewerbegebiet Dorstfed-West lebte, beim Bauordnungsamt. Der Lärm der Veranstaltungshalle „Gala Eventhalle“ in der Nähe seiner Wohnung sei unzumutbar, beklagte sich der Mann. Das, sagt Deimel, hätte er im eigenen Interesse besser sein gelassen.
„Der hat hier seine Beschwerde wiederholt und mit Vehemenz vorgetragen, dass wir quasi gezwungen waren, uns das anzuschauen. Und dann haben wir gründlich geschaut. Wenn man sich so etwas anguckt, dann muss man aus Gründen der Rechtssicherheit und Gleichbehandlung richtig gucken“, sagt Deimel.
Das Ergebnis: Das Gewerbegebiet Dorstfeld-West ist – wie der Name schon sagt – ein Gewerbe- und kein Wohngebiet. Wohnen ist dort – konkret in den Straßen Auf dem Brümmer und Iggelhorst – nur erlaubt, sofern es sich um Betriebswohnungen handelt. Also etwa für den Hausmeister oder einen anderen Mitarbeiter einer Firma. Ansonsten sind Wohnungen dort illegal. Schwarzbauten also.
Einer beschwert sich und alle Nachbarn müssen umziehen
„Als wir uns das genau angeschaut haben, haben wir tatsächlich 30, 40 Aufgriffe gehabt. Also Leute, die da nicht wohnen durften“, sagt Deimel. Teilweise hätten sie dort seit 10 oder 20 Jahren gelebt. Anfangs sei das bei dem ein oder anderen noch in Ordnung gewesen, weil sie dort arbeiteten und daher die Betriebswohnung legal nutzen durften. Aber sobald die Rente beginnt, muss man ausziehen.
In 18 Fällen wehrten sich die Bewohner, ihre Wohnungen verlassen zu müssen, zogen vor Gericht. Und verloren, auch vor dem Oberverwaltungsgericht. Im Frühling 2021 zog der letzte Bewohner aus.
Heute werden die „illegalen“ Wohnungen wieder gewerblich genutzt. Und das alles nur, weil sich ein illegal dort lebender Bewohner über Lärm beschwerte, den ein Unternehmen dort völlig zu Recht verursachen durfte. Frage an Ludger Deimel: „Lebt der Mann noch?“ Deimel lacht. „Ja, der lebt noch.“
Und dann war da noch der einige Jahre zurückliegende Fall, als auf einem Grabeland-Grundstück in der Kuithanstraße jemand wohl etwas falsch verstanden hatte. Eine kleine Gartenhütte hätte er dort errichten dürfen, aber er baute gleich ein richtiges Wohnhaus. „Das war jenseits aller Toleranzgrenzen. Das musste er abreißen“, sagt Deimel.
Nachträgliche Genehmigungen ohne Bußgeld
So krasse Geschichten seien wirklich Einzelfälle, sagt Deimel. Im Regelfall sei das Thema Schwarzbauten längst nicht mehr so brisant, wie es einmal gewesen sein mag. Das habe verschiedene Gründe, sagt Deimel und nennt vier:
1. Dass beispielsweise für den Ausbau eines Dachgeschosses keine Baugenehmigung vorliege, falle oft erst auf, wenn etwa ein Mehrfamilienhaus zu Eigentumswohnungen umgestaltet werde. „Dann stellt man fest, dass es für die Dachgeschosswohnung keine Baugenehmigung gibt. Es war also irgendwann illegal ausgebaut worden.“
Aber auch das sei in der Regel kein großes Malheur, sagt Deimel: „Wenn es materiell rechtlich genehmigungsfähig ist, also beispielsweise die Statik stimmt und ein zweiter Fluchtweg vorhanden ist, dann müssen wir das genehmigen.“ Darauf gebe es einen Anspruch.
Man müsse in diesen Fällen einer nachträglichen Genehmigung die zwei- oder dreifache Gebühr bezahlen, aber mit einem Bußgeld müsse niemand rechnen: „Ja, es gibt eine lange Liste mit Bußgeldern, die wir verhängen dürfen. Das haben wir in den vergangenen Jahren auch ein paar Mal gemacht, die Gerichte haben uns dann aber zurückgepfiffen, weil die Richter oft argumentieren: So schlimm war der Verstoß doch nicht.“
Rechtliche Vorgaben sind deutlich lockerer geworden
2. Die rechtlichen Vorgaben durch die Bauordnung des Landes seien lange nicht mehr so restriktiv wie einst. „Wir bekommen immer mehr genehmigungsfreie Anlagen – die Bauordnung des Landes sieht das so vor. Außerdem steigt die Zahl der Fälle, die wir im vereinfachten Verfahren bearbeiten können, wo wir also lange nicht mehr so intensiv prüfen müssen, wie das vor 10 oder 20 Jahren erforderlich war.“
In der Tat. Wer in den Paragrafen 62 der nordrhein-westfälischen Bauordnung schaut, wofür man alles keine Genehmigung einer Behörde mehr benötigt, der wird erstaunt sein. Nur einige Beispiele (etwas vereinfacht):
1. Gebäude bis zu 75 Kubikmeter Brutto-Rauminhalt ohne Aufenthaltsräume, Ställe, Toiletten oder Feuerstätten, im Außenbereich nur, wenn sie einem land- oder forstwirtschaftlichen und weder Verkaufs- noch Ausstellungszwecken dienen.
2. Garagen einschließlich überdachter Stellplätze mit einer mittleren Wandhöhe bis zu 3 m und einer Brutto-Grundfläche bis zu insgesamt 30 Quadratmetern, außer im Außenbereich,
3. Gebäude bis zu 4 m Firsthöhe, die nur zum vorübergehenden Schutz von Pflanzen und Tieren bestimmt sind und die einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb dienen,
4. Gewächshäuser ohne Verkaufsstätten mit einer Firsthöhe bis zu 5 m und nicht mehr als 1 600 Quadratmetren Grundfläche
5. Terrassenüberdachungen mit einer Fläche bis zu 30 m² und einer Tiefe bis zu 4,50 m, Balkonverglasungen sowie Balkonüberdachungen bis 30 m² Grundfläche, Wintergärten bis 30 m² Brutto-Grundfläche.
3. Wenn ein Gebäude oder eine Nutzung heute in dieser Form nicht mehr erlaubt sei, heiße das noch lange nicht, dass hier ein Schwarzbau oder eine Schwarznutzung vorliege, sagt Deimel: „Selbst wenn ein Gebäude beim Bau vor 20 Jahren genehmigungspflichtig gewesen wäre, müssen wir die gesamte rechtliche Historie bis heute nachvollziehen, da sich das Recht immer wieder verändert. Manchmal werden alte Regelungen sogar wieder in Kraft gesetzt oder umgekehrt. Und wenn wir dann feststellen, dass es vor 10 oder 15 Jahren eine Zeit gab, in der der Bau genehmigungsfähig gewesen wäre, dann haben wir keine Chance mehr.“ Deshalb sei es auch so schwierig, etwa anhand von Luftbildern einen Schwarzbau zu identifizieren.
„Der beste Baukontrolleur ist der Nachbar“
4. „Der beste Baukontrolleur der Bauaufsicht ist der Nachbar“, sagt Deimel. „Wenn irgendwo etwas wirklich Dramatisches geschieht, dann bekommen die Nachbarn das schon mit. Da kann ich mich drauf verlassen, da braucht man keinen Baukontrolleur und keine Drohne.“
Man gehe jedem Hinweis nach, sagt Deimel: „Aber die Hinweisgeber müssen schon Ross und Reiter nennen. Bei anonymen Hinweisen sind wir sehr skeptisch.“
Wenn man dann tatsächlich feststelle, dass jemand etwa eine Garage einen Meter zu lang gebaut habe, heiße das noch lange nicht, dass hier die Abrissbirne zum Einsatz kommen muss. „In solche Fällen müssen wir abwägen: Ist es im öffentlichen Interesse oder aus planungsrechtlichen Gründen geboten, dass wir als Verwaltung dagegen einschreiten? Wenn das nicht der Fall ist, weisen wir den Nachbarn darauf hin, dass er seinen Nachbarn zivilrechtlich verklagen kann.“
Übrigens: Das Thema Schottergärten im Baugebiet Hohenbuschei fällt auch in die Zuständigkeit von Ludger Deimel. Der Bebauungsplan verbiete dort Schottergärten. Wer dennoch Schotterbeete anlegt, fabriziert also auch letztlich einen Schwarzbau. 220 solcher Fälle entdeckten die Kontrolleure von der Bauaufsicht im Bereich Hohenbuschei. Die Flächen müssten jetzt umgebaut und begrünt werden. Das löse nicht gerade Begeisterung bei den Betroffenen aus, sagt Deimel und: „Das ist richtig viel Aufwand, weil Sie jeden einzelnen Verstoß zu einem eigenen Verfahren machen müssen und Freunde machen Sie sich damit nicht. Das ist kein Spaß.“