Ein paar Holzkisten, ein wenig Plastikobst, Bücher, Wecker und einen Globus natürlich – dann noch eine Tafel mit der Aufschrift „Schulkind 2024“: Der Aufbau des Schulfotografen ist bereit, die Kinder der Holte-Grundschule werden fotografiert. Jedes Kind ein paar Minuten, dann die Klassen als Gruppe.
Schließlich erhalten die Eltern einen Zugangscode, mit dem sie im Online-Shop des Fotografen auf die Bilder ihres Kindes zugreifen können. Wenn der Blick jedoch auf die Preise fällt, zeigen sich viele Eltern unangenehm überrascht. Fast 60 Euro für alle 10 Bilder, aber nicht in schöner Mappe, sondern nur als digitaler Download. Dabei gibt es schon Rabatt, denn ein einzelnes Bild kostet als Download fast 10 Euro, ein ausgedrucktes Foto startet bei knapp 4 Euro.
Natürlich gibt es auch die schönen Mappen mit Portraits oder Klebebildern, Fototassen oder Leinwände zu kaufen. Aber sind die Preise nicht etwas hoch für das bisschen Knipsen? Es sind über 100 Erstklässler an der Holte-Grundschule. Kauft jede Familie zehn Digitalbilder, müsste der Fotograf doch in wenigen Stunden über 6000 Euro verdienen. Für viele Eltern klingt das nach Ausbeutung, und schnelles Geld. Aber wie ist die Arbeit eines Schulfotografen wirklich?
Der Schulfotograf, der an der Holte-Grundschule tätig war, lehnte ein Gespräch mit unserer Redaktion ab. Für seine Arbeit nutzt er einen Online-Shop von fotograf.de. Das Shop-System ist speziell für Kita- und Schulfotografie entworfen und soll dem Fotografen 50 Prozent der Büroarbeit ersparen, wie es auf der Webseite heißt. Auf Anfrage äußerte sich der Betreiber nicht.
Weniger Arbeit durch Online-Shops
Auf der Webseite wirbt fotograf.de jedoch mit viel Service für die Fotografen: Lädt jemand Fotos hoch, erstellt das System automatisch die Bildergalerien der Kinder im Shop. Mit den Zugangscodes gelangen die Eltern dann datenschutzrechtlich einwandfrei zu ihren Bildern. Shop, Bestellungen, Produktion, Zahlungsabwicklung: vieles davon übernimmt der Anbieter für den Fotografen. Dafür muss der Fotograf jedoch je nach gebuchtem Modell einen gewissen Prozentsatz des Bestellwerts als Servicegebühr an fotograf.de zahlen.
Für Schulfotografen, die monatlich über 10.000 Euro netto verdienen, bietet das Portal sogar individuelle Konditionen an. Abermals klingt es so, als müsste man als Schulfotograf zwar ein wenig Provision zahlen, aber dann könnte man mit wenig Aufwand viel Geld verdienen. Aber ist das wirklich so?

Nadja Moutevelidis aus Lütgendortmund ist selbst als Fotografin in Kitas und Schulen unterwegs: unter der Marke „Fotografie Zuckersüß“. „Ein Fotograf, der gerade anfängt, wird keine 10.000 Euro im Monat verdienen“, sagt die 48-Jährige. „Auch mit langer Berufserfahrung sind das nur wenige, die das schaffen.“ Das hat aus ihrer Sicht mehrere Gründe.
Um überhaupt als Schulfotograf Geld verdienen zu können, muss man den Kunden erstmal erreichen. „Der Markt der Schulfotografie ist sehr stark umkämpft. Da kommt man nicht einfach so rein“, sagt Moutevelidis. Zum einen gebe es große Fotografen-Ketten, die bei der Kundenwerbung sehr hartnäckig sind und mit sehr günstigen Preisen viele Aufträge bekommen. Manche Fotografen versuchen, die Schulen per Brief oder Telefon von ihren Angeboten zu überzeugen. Das funktioniere aber kaum, sagt Moutevelidis.
Früher über Spenden
Auch Martina Röhr, Schulleiterin der Holte-Grundschule, erzählt: „Wenn Fotografen bei uns anrufen, würgen wir sie direkt ab und sagen, dass wir einen festen Fotografen haben, mit dem wir zusammenarbeiten.“ Es habe früher Fotografen gegeben, die sehr aufdringlich waren und über eine Spende an den Förderverein an Aufträge gelangen wollten. Das sei heutzutage aber nicht mehr erlaubt.
Den jetzigen Fotografen habe ihnen eine andere Schule empfohlen. Über eine Empfehlung von Eltern oder Lehrern einen Auftrag zu bekommen, ist aus Sicht von Nadja Moutevelidis eher die Regel. Gleichzeitig gibt sie zu bedenken, dass die Schulfotografie ein Saisongeschäft ist. Kurz nach der Einschulung sei das Interesse groß und danach nur sporadisch vorhanden. „Hat man vielleicht drei, vier gute Monate gehabt, muss man aber zwölf Monate davon leben und sich das Geld einteilen, weil im Rest des Jahres einfach weniger passiert.“
Mit Schulfotos viel Geld zu verdienen, setzt ebenso voraus, dass viele Eltern sie kaufen. Gerade ein Blick auf die Preisliste schreckt manche Eltern davon ab. Daher rät Moutevelidis dazu, die Preise direkt im Einwilligungsschreiben an die Eltern transparent zu machen. Aber warum ist denn nun ein digitales Bild teurer als ein gedrucktes?
Das digitale Bild bietet einen Mehrwert, den ein gedrucktes nicht mit sich bringt. Die 48-Jährige erklärt: „Die Eltern haben die Möglichkeit, das Foto zu vervielfältigen oder in verschiedenen Formaten und Größen drucken zu lassen – auch auf Kissen oder Tassen. Sie verarbeiten es in Fotobüchern oder posten es in sozialen Medien.“ Rechtlich entspreche ein digitaler Download einem einfachen Nutzungsrecht, das die Eltern erwerben.
Es braucht körperliche Fitness
Prüft man die Angebote von Schulfotografen im Internet, fallen jedoch preisliche Unterschiede auf. Bei manchen kostet ein digitales Bild 5 Euro, bei anderen 10 Euro. Wie individuell legen Schulfotografen also ihre Preise fest? Schwer zu sagen, findet Nadja Moutevelidis. „Jeder Fotograf steht für sich. Man weiß nicht, ob er ein Studio hat, Angestellter ist oder Freiberufler.“ Welche Ausgaben ein Fotograf hat, wie viel Erfahrung, Ausrüstung oder Service er mitbringt und welcher Aufwand dahinter steht, sei sehr unterschiedlich. Eine Profiausrüstung kann aber schnell mehrere Tausend Euro kosten.
Und es geht auch nicht nur um weitere Ausgaben, die ein Fotograf zum Beispiel für einen eigenen Online-Shop oder Fotodrucker tätigen muss. Gerade der Aufwand, der hinter den Schulfotos steckt, werde aus Sicht der Lütgendortmunder Fotografin meist unterschätzt: „Man sollte körperlich fit sein, weil es mit 45 Minuten pro Schuleinheit schon ein strammes Programm ist. Es sind meist 25 bis 29 Kinder pro Klasse und alle sind wuselig im Kopf.“ Die Kinder zu fotografieren, zu animieren, dabei Lichtverhältnisse abzuwägen und vieles mehr, sei anspruchsvoll.
Aber auch die nachfolgenden Arbeiten sind zu berücksichtigen. „Vor Ort entstehen mehrere tausend Bilder. Die müssen auf den Computer übertragen, gesichtet und nachbearbeitet werden“, sagt Moutevelidis. „Es geht nicht nur um die Zeit, die man vor Ort ist, sondern auch um die Zeit am Computer.“
Gleichzeitig sei es entscheidend, wie der Fotograf betriebswirtschaftlich arbeitet. Während manche Fotografen die Fotos nur feinjustieren und erst nach dem Kauf nachbearbeiten, bietet Moutevelidis die Fotos bereits fertig bearbeitet an. „Ich gehe dabei das Risiko rein, dass ich vielleicht alle zehn bearbeitet habe und es wird nur eins gekauft.“
Auf der einen Seite steht die Arbeit des Fotografen, auf der anderen Seite der Mehrwert, den Familien mit einem heruntergeladenen Bild gewinnen. „So gesehen sind 10 Euro für ein digitales Bild am Ende eigentlich nicht viel“, sagt Nadja Moutevelidis.
Für die Eltern, die ihre Kinder beim Aufwachsen begleiten, haben Schulfotos vor allem einen emotionalen Wert. Wenn private Fotos in der Hektik der Einschulung nicht ganz so schön werden, sind Fotos vom Schulfotografen eine Option, sagt Nadja Moutevelidis. „Gerade für sozial schwache Familien, die keine große Summe für ein eigenes Fotoshooting haben, ist der Schulfotograf oft die einzige Möglichkeit, für wenig Geld an ein professionelles Foto von ihrem Kind zu gelangen.“
Ob Schulfotografie nun harte Arbeit oder schnelles Geld bedeutet, liegt letztlich im Auge des Betrachters. Dass die Familien aber am Ende mit ihren Fotos eine schöne Erinnerung erhalten, ist entscheidend.