„Schönreden tut’s nicht. Die Tat ziert den Mann.“ Richard Süper lebte, was andere predigten

Von Dirk Berger
„Schönreden tut’s nicht. Die Tat ziert den Mann.“ - Nachruf auf Richard Süper
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Wo bleibt das Gute im Kleinen in Zeiten, da das Schlechte im Großen überhandzunehmen droht? Richard Süper hätte eine Antwort darauf gewusst. Eine, die seines Lehrmeisters im Geiste, Adolph Kolping, entsprochen hätte. Der sagte einmal: „Was man im Großen nicht erreichen kann, soll man im Kleinen nicht unversucht lassen.“ Im Kleinen hat Süper, der am 4. Dezember 2023 im Alter von 84 Jahren gestorben ist, alles versucht, um ein christliches Füreinander zu etablieren. Seine Antwort wäre gewesen: Verzag nicht, mach einfach weiter.

Das Kolpingwerk, von Adolph Kolping 1850 in Köln als katholischer Sozialverband gegründet und über 200.000 Mitglieder stark, hat in Richard Süper einen lokalen Vertreter verloren, der tief im Glauben war. „Er hat den Glauben gelebt“, erinnert sich seine Frau Hannegret, „aber nicht durch regelmäßigen Kirchgang.“ Der langjährige Vorsitzende der Kolping-Familie Dortmund Zentral konnte der Obrigkeit mitunter nicht recht folgen.

„Er war immer toleranter als die Kirchenpolitik, was zum Beispiel Homosexualität und Zölibat anbelangt“, meint seine Tochter Anke, „er war kritisch.“ So haben sich die Eltern in den 60er Jahren auch kennengelernt. „Ich habe mich bei einer Kolping-Veranstaltung über den Vortrag eines Pastors aufgeregt“, so Hannegret, „daraufhin hat mich Richard angesprochen und ins Kino zu ‚My Fair Lady‘ eingeladen.“ Das hat ihm gefallen.

Den Glauben leben

Den Glauben leben: Bei Richard Süper konnte das heißen, morgens zu Hause am Wochenende vor lauter guter Laune Gebete auf Latein zu repetieren oder sie zu singen – in auskömmlicher Länge und nicht immer zur Freude der Familie. Den Glauben mit Aktion zu verbinden aber war seine eigentliche Art, das Christentum in die Welt zu tragen. Ob als Vorsitzender des Kolping Sozial- und Entwicklungshilfe e.V. oder als Aktiver für die Weltgesellschaft des Kolpingwerks: Immer hat er zugesehen, dass es anderen besser gehen sollte.

„Er hat den Glauben gelebt“, sagt Hannegret Süper (l.) über ihren verstorbenen Ehemann Richard.
„Er hat den Glauben gelebt“, sagt Hannegret Süper (l.) über ihren verstorbenen Ehemann Richard. © Privat

Das konnten die Obdachlosen im Dortmunder Gast-Haus sein oder Kaffeebauern in Mexiko. Er veranstaltete Sonderverkäufe, fuhr mit auf den Lkw bei Altkleidersammlungen und leerte Altpapiercontainer, verhandelte mit den Wiederverwertern, holte das Geld zusammen, das in soziale Projekte floss. „Mein Vater hatte viele religiöse Bezüge“, erinnert sich seine zweite Tochter Sabine, „vor allem aber einen praktisch religiösen…“

Ein Charmebolzen

Er dürfte ihn von seinen Eltern mitbekommen haben. Der Sohn eines Schuhmachers vom Kleinen Borsigplatz ging schon 1945 als Sechsjähriger mit seinem Vater zur Ruine des von Bomben zerstörten Kolpinghauses an der Silberstraße, um Steine zu picken. Er war Ministrant in der Dreifaltigkeitskirche und im Vincenzheim und wurde 1956 als Kolpingbruder aufgenommen.

Seine Fähigkeiten waren gefragt. Süper konnte kommunizieren und organisieren. „Er war ein Charmebolzen“, so Anke Süper, „es haben ihn viele Leute gerne unterstützt.“ Er konnte Nähe aufbauen – zum Nächsten und Übernächsten. Besonders in Erinnerung geblieben ist sein Einsatz für bessere Lebensbedingungen mexikanischer Kaffeebauern.

Grundlage dafür ist der fair gehandelte und nachhaltig angebaute Tatico-Kaffee, für dessen Vertrieb er sich einsetzte. „Zuletzt über seine Kräfte hinaus“, so die Dortmunder Kolpingschwester Gisela Bitterschulte. Süper hielt Vorträge, warb in Vereinen und Schulen, „seine Aufrichtigkeit war seine Stärke, man konnte ihm anmerken, dass er total dahinterstand“.

Der Verkauf und Vertrieb von fair gehandeltem Kaffee war ein Herzensprojekt von Richard Süper (Mitte).
Der Verkauf und Vertrieb von fair gehandeltem Kaffee war ein Herzensprojekt von Richard Süper (Mitte). © Privat

„Richard stieg zur Not auch mit einem Einkaufs-Trolley in die Straßenbahn und lieferte den Kaffee privat aus“, so Hannegret Süper. Er baute zu jeder sich bietenden Gelegenheit, auf Straßenfesten oder Kirchentreppen seinen Tapeziertisch auf, um Tatico zu verkaufen. Fiel mal eine Sendung für ein Café aus, weil die Post nicht rechtzeitig lieferte, musste man ihn nur anrufen.

Süper stieg in den Keller und brachte so viel, dass das Geschäft über den Tag kam. In einem Jahr verkaufte allein er, den Hackenporsche hinter sich herziehend, den Tapeziertisch immer wieder aufbauend, Paket für Paket fast eine Tonne Tatico. Immerhin 2000 Pakete.

„Wer die Menschen gewinnen will, muss sein Herz zum Pfand geben“, sagte Adolph Kolping.

Mit Glaube - und einer gewissen Penetranz

Man sieht gewissermaßen Klaus Langen durchs Handy lächeln, wenn man mit ihm über Süper spricht, der mit dem Medebacher Kaffeeröster das Tatico-Projekt Mitte der 90er Jahre aus der Taufe hob. „Wort und Tat gehen ja manchmal auseinander“, sagt er, „bei Richard aber nicht. Er hat dafür gesorgt, dass gleich Umsatz ´reinkam.“ 40, 50 Tonnen jährlich seien später geröstet worden, „und wir als kleine Rösterei wären ohne ihn heute nicht da, wo wir sind“.

Er habe das Projekt aus tiefem Glauben heraus nach vorne gebracht. Und das durchaus mit einer gewissen Penetranz. Langen lacht. Und auch der Mengeder Pastor Hubert Werning erinnert sich an einen „hervorragenden, liebevollen Menschen. Mit ihm zusammenzuarbeiten war eine große Bereicherung für mich“.

Der Industriekaufmann Richard Süper, Abteilung Verkauf warmgewalzte Flacherzeugnisse bei der Hoesch Westfalenhütte, bleibt auch seiner Mit-Hoeschianerin Gerda Mannel in guter Erinnerung. „Ein prima Kollege, offen und lustig“, stellt sie fest, „wir haben uns viel über Glaubenssachen unterhalten. Ich evangelisch, er katholisch, aber das spielte keine Rolle.“ Man ist sozusagen Christ zuerst als Mensch – und nicht als Verkörperung einer bestimmten Lehre.

Um die 2000 Pakete Tatico-Kaffee verkaufte Richard Süper im Jahr.
Um die 2000 Pakete Tatico-Kaffee verkaufte Richard Süper im Jahr. © Privat

Die besondere Nähe zu Adolph Kolping aber blieb. Und so reiste er zu dessen Seligsprechung am 27. Oktober 1991 nach Rom, wo er bei einer Audienz im Petersdom Papst Johannes Paul II. nahekam. Es blieb ein besonderer Moment für ihn, erinnert sich Hannegret Süper.

Ein allerdings anders besonderer Moment war ihm im Oktober 2023 anzumerken, als sich die Kolping Familie Dortmund Zentral auflöste. „Es kam einfach keiner mehr nach“, so Hannegret Süper, „das hat ihn sehr getroffen.“ Aber einmal Kolping, immer Kolping. Richard Süper setzte sich nach wie vor ein. „Ich habe allerdings schon gemerkt, dass seine Kräfte schwanden“, sagt sie.

Ein letzter tiefer Blick

Sechs Wochen vor seinem Tod machte sich Süper noch mal auf nach Medebach, auf ein Tässchen Kaffee und einen Plausch mit Klaus Langen. Auch dem Röster fiel auf, dass der Senior abgebaut hatte. „Ich habe Richards Besuch als Abschied empfunden“, sagt er im Nachhinein. Für ihn sei es der Abschied von einem Familienmitglied gewesen, „denn das war er für mich – und das bleibt er auch“.

Am 1. Dezember 2023 Jahres ging Richard Süper wie immer morgens zum Briefkasten, die Post holen. Er stürzte die Treppe hinunter, verletzte sich am Kopf und wurde ins Krankenhaus eingeliefert. „Wir haben uns angeschaut, es war ein letzter tiefer Blick“, erinnert sich Hannegret an den Abschied von ihrem Mann. Nach über 50 Jahren des Zusammenseins war beider Dankbarkeit gegenseitig. Richard Süper starb am 4. Dezember, dem Todestag von Adolph Kolping.

Noch ein Zitat des katholischen Priesters: „Schönreden tut’s nicht. Die Tat ziert den Mann.“ Gerade die Tat im Kleinen. Richard Süper hat das verstanden. Das mag den großen Schlechten egal sein. Aber immer hilft es den kleinen Guten.