In der Anne-Frank-Gesamtschule (AFG) in der Dortmunder Nordstadt hängen zahlreiche Zeichnungen und Plakate gegen Rassismus. Die Bürowände von Schulleiter Bernd Bruns sind mit farbenfrohen Leinwänden und Fotos behangen, überall steht und liegt bunter Schnickschnack.
Und eine große Darstellung vom Lebensweg der Anne Frank. „Damit ich immer weiß, warum ich hier bin“, sagt Schulleiter und Geschichtslehrer Bernd Bruns. Seit den 80er-Jahren trägt die Gesamtschule den Namen eines der berühmtesten Holocaust-Opfer.
„Anne Frank - und damit auch unsere Schule - repräsentiert Werte wie die freiheitlich-demokratische Grundordnung und Vielfältigkeit. Jeder kann hier genauso sein, wie er ist“, sagt Bruns mit Stolz. Gerade aktuell, angesichts des terroristischen Angriffs der Hamas auf Israel müsse man Flagge zeigen.
Kita in Sachsen-Anhalt
Offenbar sehen das nicht alle pädagogischen Einrichtungen so. Eine Kita in Sachsen-Anhalt will den Anne-Frank-Namen loswerden. Der Name sei zu politisch, das Holocaust-Thema zu schwer für Kleinkinder und ohnehin könnten viele Familien mit Migrationshintergrund nichts mit dem Namen anfangen.
Eltern und Erzieher plädieren für „Weltenentdecker“ als neuen Namen. Noch ist nichts entschieden, durch vielfache Kritik, unter anderem von jüdischen Vertretern, ist die Debatte noch nicht abgeschlossen. Was hält der AFG-Schulleiter von dieser möglichen Namensänderung?
Das falsche Signal
Bernd Bruns zeigt sich schockiert. Ein Name sei ein klares Statement, „wenn ich den Namen ablege, lege ich auch die Werte ab“, sagt er. Die Gründe für die Namensänderung könne er nicht nachvollziehen. Man dürfen sich einem Rechtsruck nicht hingeben. Außerdem gebe es sehr wohl kindgerechte Konzepte, die Kindern die Figur Anne Frank näher brächten.
Dass die Kita gerade jetzt über die Namensänderung nachdenkt, findet er problematisch. Immerhin gibt es seit dem Überfall der Hamas einen extremen Anstieg an antisemitischen Straftaten, auch in Dortmund. „Ich verstehe, warum Juden in Deutschland Angst haben“, sagt er. Eine Namensänderung sende ein falsches Signal.

An der Anne-Frank-Gesamtschule gebe es unter Schülerinnen und Schülern viel Zustimmung für die palästinensische Seite, auch und gerade aus Familien mit Migrationshintergrund. Gerade eine Einrichtung, die an ein jüdisches Holocaust-Opfer erinnert, stehe in einer besonderen Verantwortung. „Der Terrorangriff der Hamas ist schauderhaft. Es ist aber auch schauderhaft, dass Palästinenser sterben“, so der Schulleiter.
Auch in Deutschland müsse man die israelische Siedlungspolitik kritisch sehen dürfen. Gleichzeitig gebe es in Deutschland angesichts Millionen ermordeter Juden während des Zweiten Weltkriegs eine besondere Verpflichtung, Antisemitismus zu verhindern. „Mit dieser Aussage können die Schüler gut leben“, so Bruns.
Gerade weil manche Schüler zu Hause eine einseitige Perspektive auf den Konflikt im Nahost lernen würde, müsse man die Kinder mit ihren Gedanken und Gefühlen ernst nehmen und sie im Diskurs mitnehmen. „Hier ist es egal, ob man Moslem, Buddhist oder Christ ist. Wir leben unsere Grundwerte“, sagt Bernd Bruns mit Nachdruck.
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