Rund 3000 Menschen bei Pro-Palästina-Demos in Dortmund Mehrere Verstöße gegen Auflagen

Rund 3000 Menschen bei Pro-Palästina-Demos in Dortmund: Mehrere Verstöße gegen Auflagen
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Es waren wohl die Erfahrungen der Kollegen aus anderen deutschen Städten, die die Dortmunder Polizei veranlassten, sich gut auf diesen Tag vorzubereiten. Schon im Vorfeld der drei pro-palästinensischen Demos am Wochenende hatte die Polizei sich ausführlich dazu geäußert.

„Gegen Israel und generell gegen jüdisches Leben gerichtete Aggressionen und Anstachelungen zu Hass und Gewalt lässt die Polizei nicht zu“, ließ sich Polizeipräsident Gregor Lange in einer Pressemitteilung vom Donnerstag (26.10.) zitieren. Zu dem Zwecke habe man allen drei Anmeldern der Demos „beschränkende Verfügungen“ übermittelt, die oben genanntes verhindern sollten.

Die erste der drei Versammlungen fand am Freitagabend (27.10.) auf der Katharinentreppe statt. Rund 40 Personen versammelten sich Plakaten, Palästina-Flaggen und weißen, mit Kunstblut verschmierten T-Shirts, um nach eigenen Angaben einen „stillen Protest für die Kinderrechte in Gaza“ abzuhalten.

Route sensibel ausgewählt

Die Polizei fertigte eine Strafanzeige, da auf einem Plakat von einem „Genozid“ in Gaza gesprochen worden sei. Gegen eine Person wurde Anzeige wegen des „Verdachts der Billigung von Straftaten“ gestellt.

Das Wort „Genozid“ hatte auch im Vorfeld der größten der drei Demos für Konflikte gesorgt. Die Versammlung der „palästinensischen Allianz im Westen“, die am Samstag (28.10.) um 14 Uhr mit rund 2500 Teilnehmern auf dem Platz der Deutschen Einheit startete, war zunächst unter dem Motto „Stoppt den Genozid in Gaza“ angemeldet worden, das hatte die Polizei verboten. Auch verbot man dem Anmelder, die Demonstration auf dem Platz von Netanya, der Dortmunds gleichnamiger Partnerstadt in Israel gewidmet ist, zu starten.

Bei der Route habe die Polizei außerdem darauf geachtet, dass sie nach Möglichkeit nicht an historisch bedeutsamen Orten mit Bezug zu jüdischem Leben vorbeiführe, sagte Polizeisprecher Peter Bandermann. Das sei nur in einem Fall nicht gelungen.

Viele Auflagen durch die Polizei

Für die Demo an sich verhängte die Polizei zudem zahlreiche Auflagen, unter anderem war das Mitbringen von Israel- oder Hamas-Fahnen verboten. Mit ersterem wollte man verhindern, dass Israel-Fahnen beschmutzt oder gar verbrannt werden.

Auch mehrere Banner mussten während der Demo, die vom Platz der Deutschen Einheit rechts über den Wall zum Friedensplatz zog, wieder eingerollt werden, weil auf ihnen von „Genozid“ oder „Kindermörder Israel“ zu lesen war. Vereinzelt kam es immer wieder zu Ausrufen oder Darstellungen mit antisemitischen Bezügen.

Insgesamt waren im Vorfeld zehn Parolen verboten worden, die etwa Israel das Existenzrecht absprechen oder einen Völkermord unterstellen.

Die Polizei begleitete den Aufzug mit vielen Einsatzkräften.
Die Polizei begleitete den Aufzug mit vielen Einsatzkräften. © Lukas Wittland

Auf einem Banner waren auch Worte zu lesen, die implizit Israel für den Angriff auf das Al-Alhi-Krankenhaus in Gaza verantwortlich machten und die deutsche Regierung dafür scharf angingen. Für den Angriff am 17. Oktober, bei dem Hunderte Menschen ums Leben kamen, machen sich die Hamas und Israel gegenseitig verantwortlich. Laut Medienberichten ist der Verantwortliche des Angriffs derzeit noch völlig unklar.

Ein Redner auf einem Lautsprecherwagen sprach während einer Zwischenkundgebung auf dem Willy-Brandt-Platz davon, dass Israel die „Endlösung der Palästina-Frage“ plane. Es ist ein Bezug zur „Endlösung der Judenfrage“, die im Nationalsozialismus von Hitler als Umschreibung der massenhaften Judenvernichtung im Holocaust genutzt wurde.

Mehr als 20 Symbole verboten

Mehr als 20 Symbole mit „Nähe oder Bezug zu Terrorismus“ durften nicht gezeigt werden. Auch mithilfe von Dolmetschern würde man sehr genau darauf achten, dass weder diese Parolen gerufen noch die Symbole gezeigt werden, hatte Polizeisprecher Peter Bandermann vor der Demonstration mitgeteilt. Dafür habe man auch den Anmelder und die von ihm eingesetzten Ordner in die Verantwortung gezogen.

Die Polizei hatte während der Demo „einige Verstöße“ gegen die Auflagen registriert. Sie ist deshalb immer wieder gestoppt worden, durfte aber weiterziehen. Die Verstöße wurden strafrechtlich geprüft und dann gegebenenfalls Ermittlungsverfahren eingeleitet, sagte Polizeisprecher Torsten Sziesze, nachdem die Demonstration am Friedensplatz aufgelöst worden war. „Das Fazit ist, dass wir unterm Strich von einem weitestgehend störungsfreien und vor allem gewaltfreien Verlauf sprechen können“, sagte Sziesze. In einer Pressemitteilung erklärte sie später, im Nachgang insgesamt sechs Strafverfahren eingeleitet zu haben.

Organisator zeigte sich zufrieden

Aus Sicht des Organisators Hisham Hammad, Vorsitzender der palästinensischen Gemeinde in Dortmund, ist die Demonstration „sehr gut“ verlaufen. „Sie hat unsere Erwartungen, was die Anzahl der Teilnehmer, aber auch, was die Disziplin anging, übertroffen. Bis auf wenige Abweichungen lief alles gut.“ Man wollte mit der Versammlung darauf aufmerksam machen, dass die Menschen in Gaza mit Brot und Wasser versorgt werden müssen.

Hisham Hammad hatte vor der Demonstration auf die Auflagen aufmerksam gemacht und während und nach der Demonstration immer wieder mäßigend auf Teilnehmende eingewirkt.
Hisham Hammad hatte vor der Demonstration auf die Auflagen aufmerksam gemacht und während und nach der Demonstration immer wieder mäßigend auf Teilnehmende eingewirkt. © Lukas Wittland

Entsprechend der pro-palästinensischen Haltung der Demonstration wurde vor allem die palästinensische Sichtweise auf den Konflikt betont. Der Terror der Hamas wurde dabei bis auf einzelne Ausnahmen außen vor gelassen, teil aber auch relativiert. „Widerstand ist kein Terrorismus“, war etwa auf Englisch auf einem Schild zu lesen.

Es gab auch Kritik an der Haltung der Bundesregierung zum Krieg. „Deutschland finanziert, Israel bombardiert“, skandierten die Teilnehmenden. Ein Redner mahnte aber auch, dass man Kritik am Staat Israel nicht mit dem Judentum an sich gleichsetzen dürfe.

Kurze Zeit nach der großen Kundgebung startete am Dortmunder U eine kleinere Versammlung der Furkan-Bewegung, einer religiösen Gemeinschaft, die vom Verfassungsschutz als islamistisch und demokratiefeindlich eingestuft wird. Auch hier war die Polizei mit starken Kräften vor Ort, um Straftaten zu verhindern, zudem galten auch hier starke Auflagen.

In den Redebeiträgen dieser Demo mit 320 Teilnehmern war der Ton deutlich rauer. Zunächst sprach ein Redner von „Massakern“ der israelischen Regierung, das unterband die Polizei daraufhin. Auch wurde implizit wieder ein vermeintlicher Genozid durch Israel thematisiert sowie Bezüge zur Nazi-Zeit hergestellt, die die Situation der Juden im Nationalsozialismus mit jener der Palästinenser heute gleichsetzten.

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