
© Natascha Jaschinski
Marlon Küchenmeister (22) testet sein Riesenrad in Dortmunder Wohngebiet
Schaustellerfamilie
Es zieht verwunderte wie neugierige Blicke auf sich. Mitten in einem Dortmunder Wohngebiet steht ein Riesenrad. Ab und an dreht es sich auch, abends leuchtet es. Mitfahren kann keiner. Noch nicht.
Es taucht ganz plötzlich auf: Wer von der A40 in Dortmund-Kley abfährt und über den Alten Hellweg Richtung Marten unterwegs ist, sieht im Augenwinkel schräg gegenüber der Dekra-Akademie unvermittelt: ein Riesenrad. Es steht direkt neben Mietshäusern der Hohbrinkstraße, von Weitem ist nur der obere Teil des Fahrgeschäfts zu sehen.
Eine Kirmes gibt es in Marten aber nicht. Was also macht das Riesenrad mitten im Wohngebiet? Die Erklärung ist einfach wie logisch: Seine Besitzer wohnen und arbeiten dort: die Schausteller-Cousins Marlon und Sebastian Küchenmeister. Und so wie beispielsweise ein Dachdecker Schindeln auf seinem Betriebsgelände lagert, so „lagert“ eine Schaustellerfamilie auch schon mal ein Riesenrad.

Und plötzlich steht ein Riesenrad hinterm Haus: Das Gelände der Küchenmeisters grenzt an Mietshäuser in Dortmund-Marten. © Natascha Jaschinski
Riesenrad kostet weit über eine Million Euro
Das Riesenrad ist ganz neu im Fuhrpark der Familie. Erst im Dezember habe man sich entschieden, es zu kaufen, sagt Marlon Küchenmeister. „Mein Cousin und ich machen seit Jahren viel zusammen.“ Nun gehört ihnen gemeinsam das Fahrgeschäft. Eine Großinvestition. „Weit über eine Million Euro“ müsse man schon zahlen für so eine Attraktion, sagt Küchenmeister.
Und auch die Logistik hinter dem Kauf ist aufwendig: Im Februar hat ein Tross bestehend aus mehreren Lkw das Riesenrad beim Hersteller in Italien abgeholt. Zwei Techniker der Firma kamen mit nach Marten und haben den Küchenmeisters gezeigt, wie das Riesenrad aufzubauen ist. Marlon Küchenmeister: „Jetzt kann ich es auch selbst.“

38 Meter hoch ist das Riesenrad an seinem höchsten Punkt. © Natascha Jaschinski
TÜV hat alles abgenommen
Der 22-Jährige ist sichtlich stolz auf das riesige Fahrgeschäft. Bisher gebe es in Deutschland nur ein weiteres Rad dieses Typs, sagt er. TÜV-Prüfer seien mittlerweile nach Marten gekommen und haben die Kirmes-Attraktion abgenommen. Auch sie seien „begeistert“ gewesen vom „White wheel“, so der Name des Rads.
Und der ist Programm: Das 38 Meter hohe Riesenrad wirkt für ein Kirmesgeschäft ungewöhnlich nackt. Das ist gewollt. Ein bisschen beklebt werden sollen die 24 Gondeln zwar noch, auch das Kassenhäuschen werde noch lackiert, aber insgesamt soll alles sehr weiß bleiben, „ganz modern“ sein.
Das habe auch damit zu tun, wie man das Riesenrad einsetzen wolle. Mit Corona lägen zwei „Katastrophen-Jahre“ hinter Schaustellern, sagt Küchenmeister. Alle wünschten sich zwar, dass es wieder so richtig losgehe mit Kirmes und Jahrmärkten. Aber ob es klappe, sei ungewiss. Nun ruhen die Hoffnungen der Küchenmeisters zusätzlich auch auf „White wheel“. „Manche Fahrgeschäfte brauchen eine Kirmes, den Trubel, weil sie sonst nicht funktionieren“, erklärt Küchenmeister. Doch so ein Riesenrad habe ein anderes Potenzial: „Es kann auch allein stehen, an einem See, an einem Fluss.“ Und Geld einspielen abseits der großen Feste.
Eine Gondel auch für Kinderwagen
Daher werde es dezenter gehalten. Und es ist familientauglich und wetterunabhängig mit seinen komplett geschlossenen Gondeln. Küchenmeister: „Das gibt ein ganz anderes Sicherheitsgefühl“. In eine der Gondeln kann auch ein Kinderwagen mitgenommen werden.

Anders als bei vielen anderen Kirmes-Riesenrädern sind die Gondeln geschlossen. © Natascha Jaschinski
Wo das „White wheel“ zuerst eingesetzt wird, ist laut Küchenmeister noch unklar. Die Stellplätze für große Kirmessen würden weit im Voraus vergeben, da komme das Rad so schnell nicht unter. Bis ein Ort gefunden wird, steht das Rad weiterhin in Marten. Mitten im Wohngebiet.
Ist fürs Journalistik-Studium vor 20 Jahren nach Dortmund gezogen und hat danach jahrelang in der Nachrichtenredaktion gearbeitet. Lebt schon lange im Dortmunder Westen und freut sich, hier und in Castrop-Rauxel auch journalistisch unterwegs zu sein.
