Der Reitsport scheint ein Geheimrezept für ein gesundes, langes Leben zu sein. Zumindest bei Karl Hunscheidt ist das wohl so. Denn der 89-Jährige war fast sein ganzes Leben lang aktiver Reiter und ist auch im hohen Alter noch sehr fit. Zwar reitet er inzwischen nicht mehr, doch Mitglied im Reit- und Fahrverein Bodelschwingh ist er weiterhin. „Der Verein ist mein Ein und Alles“, betont er.
100-jähriges Bestehen feiert der RFV Bodelschwingh dieser Tage. Karl Hunscheidt prägte einen Großteil der Vereinsgeschichte aktiv mit. Seit 76 Jahren ist er Mitglied, inzwischen ist er Ehrenvorsitzender und für den amtierenden 1. Vorsitzenden Christian Elling oftmals ein wichtiger Ratgeber. „Wenn man nicht weiß, wo man herkommt, weiß man auch nicht, wo man hin soll“, sagt Elling. Die Vereinshistorie zu wahren und für die Zukunft daraus zu lernen ist ihm sehr wichtig.
Erste Reithalle war Geschenk
Am 24. September 1924 gründeten Reiterinnen und Reiter aus der Umbegung von Schloss Bodelschwingh den Reit- und Fahrverein. Den Stadtteilnamen und das Schloss trägt der Verein bis heute im Namen beziehungsweise im Vereinswappen, obwohl er seit einigen Jahren gar nicht mehr in Bodelschwingh ansässig ist.
Seit 2012 nutzen die Reiterinnen und Reiter die Anlage der Familie Rohleder in Holthausen. „Unsere Reithalle in Bodelschwingh hatten ziemlich Schaden genommen, wir konnten eine Reparatur aber finanziell nicht stemmen“, erklärt Hunscheidt den Umzug nach Holthausen.
In Bodelschwingh fand der Reitunterricht zunächst unter freiem Himmel statt, die erste Reithalle entstand erst 1927. „Geheimrat Kirchdorff hat dem Verein damals eine demontierte Fabrikhalle geschenkt“, wissen Elling und Hunscheidt aus Aufzeichnungen. „Die musste aber erst noch aus Gelsenkirchen geholt werden, mit Pferdefuhrwerken.“

Ein paar schöne Jahre erlebten die Reiterinnen und Reiter in der Halle, gewannen im März 1936 sogar das Westfalenturnier. Im Zweiten Weltkrieg kam das Vereinsleben aber völlig zum Erliegen. Der gesamte Vorstand musste in den Krieg, auch einige Pferde zogen mit. Wie in so vielen Dortmunder Vereinen sind auch im RFV Bodelschwingh diese Jahre die dunkelsten.
Nach Kriegsende wurden der Verein recht schnell wieder aufgebaut. Im Oktober 1947 lud der damalige Vorsitzende Wilhelm Holthaus zur Mitgliederversammlung, der Wiederbeginn wurde beschlossen, die Reithalle wieder hergerichtet. Dabei half auch schon Karl Hunscheidt mit. „Während des Krieges diente die Halle als Lager und Unterstellplatz für Fahrzeuge, da mussten wir erstmal alles wieder herrichten“, erzählt er.
Vielseitiger Reiter
Vereinsmitglied Otto Schulte-Frohlinde kaufte die Halle und das Grundstück ein Jahr später schließlich auf und engagierte zudem einige Reitlehrer. „Der hatte Geld und gute Pferde“, erinnert sich Hunscheidt. „Davon habe ich sehr profitiert.“
Karl Hunscheidts Familie züchtete auf dem Hof in Marten - der heute zum reinen Wohnhaus umgebaut ist und in dem Karl Hunscheidt und seine Frau Christa immer noch wohnen - zwar auch eigene Pferde. Mit denen von Schulte-Frohlinde nahm er aber an vielen Turnieren teil und war recht erfolgreich, wie die vielen Schleifen, Pokale und Urkunde belegen. Ob Springreiten, Dressur, Gelände - Karl Hunscheidt war auf keine Disziplin festgelegt. „Solche vielseitigen Reiter gibt es heute kaum noch“, bedauert Chrsitian Elling.

Bei den Erinnerungen an diese Zeiten gerät Karl Hunscheidt ins Schwärmen, sein Blick schweift bei der Frage nach den für ihn besonderen Pferden ab, als würde er sie noch einmal vor sich sehen. „Sambesi, My Lord und Scheich, das waren meine Herzenspferde“, sagt er. Letzteres war sogar sein eigenes, ein schöner Schimmel.
Ein besonderes Turniererlebnis mag der 89-Jährige hingegen nicht hervorheben. „Alle Turniere waren interessant, ob ich gewonnen habe oder nicht.“ Und dann erzählt er doch, wie er auf der Castroper Rennbahn einmal mit „Sambesi“ gegen sein eigenes Pferd antrat, einen Westfalen, der von einem guten Freund geritten wurde. „Ich wurde Vierter, mein Freund Zweiter“, erzählt er lachend.
Auch in den Westfalenhallen war Karl Hunscheidt dabei, wenn auch nur als Begleitung von Otto Schulte-Frohlinde: „Ich habe die Mähnen seiner Pferde eingeflochten und die Pferde abgeritten.“
Kreismeister 1974 und 2023
Otto Schulte-Frohlinde wurde auch international bekannt und verlegte seinen Stall 1959 nach Hamburg. Für die Halle und den Reitplatz musste der Verein die Kosten fortan selber tragen. „Wir konnten aber eigene Vereinspferde anschaffen und mit Heinz Trippe auch einen Reitlehrer engagieren“, zeigt sich Hunscheidt stolz.
1974 gewannen die Bodelschwingher sogar die Kreismeisterschaft. Ein Erfolg, den der Verein erst fast 50 Jahre später bei den letztjährigen Meisterschaften erneut feiern konnte. Zwischenzeitlich, im Jahr 1994, freuten sich die Reiterinnen und Reiter aber über den Sieg bei den Stadtmeisterschaften.
Auch eine Voltigierabteilung baute der Verein in den 70er Jahren auf, die mit den Pferden „Sabine“ und später „Dicki“ ebenfalls recht erfolgreich war. Ende der 80er Jahre wurde erneut eine Volti-Gruppe mit „Charly“ und „Bootsman“ gegründet. Inzwischen bietet der RFV Bodelschwingh Voltigieren aber nicht mehr an, sondern hat sich rein auf Springreiten und Dressur verlegt.

Von seinem Zuhause in Marten fuhr Karl Hunscheidt zunächst mit dem Fahrrad und später mit dem Moped regelmäßig zum Training nach Bodelschwingh. „Im Sommer bin ich mit meinem Pferd auch hingeritten“, erzählt er und lächelt bei der Erinnerung daran.
Ab 1979 gab er als einer von drei Reitlehrern im Verein auch selbst Unterricht. Etwa zur selben Zeit entstand im Schlosspark ein Reitplatz, auf dem der Verein 1982 nach fast 20 Jahren wieder ein eigenes Reit- und Springturnier ausrichtete.
Neben seiner Vereinstätigkeit als aktives Mitglied und Reitlehrer arbeitete Karl Hunscheidt in seiner nunmehr 76 Jahre währenden Mitgliedschaft auch im Vorstand mit: Von 1984 bis 2006 war er 2. Vorsitzender, von 2006 bis 2015 1. Vorsitzender. Auf einem Pferd reiten sehen hat ihn auch Christian Elling noch, der seit zehn Jahren Mitglied und seit zwei Jahren Vorsitzender ist.

Das Reiten und auch der Verein sind bei den Hunscheidts Familiensache: „Mein Sohn hat Reiten gelernt, meine Enkeltochter reitet auch und ist auch im Mitglied im RFV Bodelschwingh“, erzählt er.
„Neben der Familie Hunscheidt sind auch die Familien Kremerskothen, Menken und Heiermann bzw. Liedtke seit den frühen Anfängen Pfeiler unserer Vereinshistorie“, ist es Christian Elling wichtig zu betonen. Doch so lange wie Karl Hunscheidt ist niemand sonst Mitglied im Verein.
Auch Christa Hunscheidt wurde und wird in die Vereinsarbeit eingebunden: Wenn der RFV Bodelschwingh am Wochenende zum Dressurturnier zum Stall Rohleder einlädt, kommen Karl und Christa Hunscheidt selbstverständlich auch. „Und meine Frau backt wieder einen Kuchen“, sagt Karl Hunscheidt schmunzelnd.
100-jähriges Jubiläum mit Dressurturnier
Vom 27. bis 29. September lädt der RFV Bodelschwingh täglich ab 8:30 Uhr zum Dressurturnier am Stall Rohleder, Am Hausacker 5, 44339 Dortmund-Holthausen.
Das Dressurturnier bietet Reitsport mit Prüfungen in den Klassen E bis M. Erwartet werden über 300 Reiterinnen und Reiter.
Der Eintritt ist frei.