Makaberes Gewinnspiel bei Rettungsdienst aus Dortmund Unnaer Mitarbeiter führen „Todesliste“

Rettungsdienst-Mitarbeiter in Königsborn führen „Todesliste“
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Eine unscheinbare Strichliste auf dem Whiteboard der Wache in Unna-Königsborn sorgt beim Reinoldus Rettungsdienst für große Bestürzung. Mitarbeiter haben ein makaberes Gewinnspiel ausgetragen. Das Unternehmen reagiert mit drastischen Konsequenzen.

„Todesliste“ im Rettungsdienst: Wanderpokal für die meisten Toten

Hinter den Namen und Strichen auf der Tafel verbirgt sich eine „Todesliste“. Für jeden Toten in einem 24-Stunden-Dienst gebe es einen Strich auf der Liste, sagt ein ehemaliger Mitarbeiter des Rettungsdienstes im Gespräch mit der Redaktion. Am Ende bekomme derjenige Mitarbeiter mit den meisten Toten einen Wanderpokal. „Die Liste war mir schon lange ein Dorn im Auge“, sagt der Mann, der seinen Namen nicht veröffentlicht wissen will.

Der damalige Mitarbeiter kam nach eigenen Angaben in der Regel in anderen Wachen des Rettungsdienstes zum Einsatz, habe bei seinen wenigen Einsätzen in Königsborn aber von der Existenz der Liste erfahren. Die Mitarbeiter vor Ort seien mit der Liste über das Ziel hinausgeschossen, sagt er. „Das haben die Menschen in Königsborn nicht verdient.“

Kollegen reagieren „bestürzt und erschüttert“

Seit dem 9. Dezember ist die Existenz der Liste auch der Unternehmensführung bekannt, bestätigt auf Nachfrage Reinoldus Gesellschafter Peter Schroeter. Unternehmensleitung und Kollegen hätten „bestürzt und erschüttert“ reagiert.

„Der Vorfall wiegt in unseren Augen, sowohl in moralischer als auch in ethischer Hinsicht, derart schwer, dass wir uns entschlossen haben, hier offen und transparent in der gebotenen Eile zu reagieren“, sagt Peter Schroeter. Die Unternehmensleitung habe nach Bekanntwerden der Liste sofort die weiteren Kollegen über die Existenz informiert.

Als „Blacklist“ tituliert

Die Mitarbeiter der Königsborner Wache hätten diese als „Blacklist“ geführt. Es seien die Namen von Mitarbeitern aufgeführt worden, welche an Einsätzen mit „letalem Ausgang“ beteiligt waren.

Weder sei die Strichliste auf dem Whiteboard als solche tituliert worden, noch habe man sie „in Kontext zu deren ‚Nutzen‘“ setzen können, sagt Peter Schroeter. Es habe keinerlei Bezug zu Einsätzen oder Patienten gegeben.

Einsatzfahrzeuge des Rettungsdienstes von Reinoldus stehen vor der Wache am Markt in Unna-Königsborn.
Der Reinoldus Rettungsdienst ist im Jahr 2021 innerhalb von Königsborn umgezogen. Rettungseinsätze starten seitdem vom ehemaligen Café "Zur Alten Post" aus. © Dirk Becker (Archiv)

„Erst durch einen direkten Hinweis eines Kollegen zeichnete sich ein entsprechendes Bild für die Unternehmensführung ab, die eine sofortige Interaktion auslöste“, erklärt Schroeter. Den Begriff „Todesliste“ habe er in der internen Kommunikation gewählt, um „sämtlichen Beteiligten die Brisanz des Themas und dessen Ernsthaftigkeit sowie Sensibilität zu verdeutlichen, über dessen Tragweite einige Mitarbeitende sich offensichtlich nicht bewusst waren“, sagt Peter Schroeter.

Bei Nachforschungen in der Rettungswache habe er auch den „Wanderpokal“ entdeckt und gesichert. Darauf habe es eine Gravur aus dem Jahr 2023 gegeben. Ob diese Praktik auch schon in den Jahren zuvor stattgefunden habe, könne er nicht sagen, so Schroeter. Initiator der Liste soll ein ehemaliger Mitarbeiter sein. Beendet worden ist die Praktik nach dessen Ausscheiden offenbar nicht.

Reinoldus leitet arbeitsrechtliche Schritte ein

Das Unternehmen habe unter Einbeziehung des Betriebsrats arbeitsrechtliche Schritte eingeleitet, auch Gespräche mit den Mitarbeitern seien unverzüglich geführt worden. „Es ist uns ein wichtiges Anliegen, klarzustellen, dass solche Verhaltensweisen nicht die Norm in unserem Unternehmen sind und nicht toleriert werden“, sagt Peter Schroeter. In anderen Standorten des Unternehmens gebe es keine Listen.

Der Leiter der Rettungswache und sein Stellvertreter sind demnach von ihren Führungsaufgaben entbunden worden. Beide seien zudem von ihrer Position im Betriebsrat des Unternehmens zurückgetreten. „Sie haben eine Abmahnung erhalten“, sagt Peter Schroeter. Die übrigen Beteiligten seien ermahnt worden.

„Mikrokosmos Königsborn zerlegt“

Die Leitung der Königsborner Wache wurde dem Allgemeinen Leiter Rettungsdienst unterstellt. „Den Mikrokosmos Königsborn haben wir zerlegt“, sagt Peter Schroeter. Die Mitarbeiter sollen jetzt in verschiedenen Wachen in Holzwickede, Unna und Fröndenberg eingesetzt werden. Die Wache in Königsborn werde durch andere Teams besetzt.

Das Führen der Liste sei von den Mitarbeitern unter anderem mit der Bewältigung von entsprechenden Einsätzen erklärt worden. Eine böse Absicht habe keiner der Beteiligten gehabt, sagt Peter Schroeter. Das bestätigt auch der ehemalige Mitarbeiter, der sich an unsere Redaktion gewandt hat: „Menschen absichtlich sterben lassen – niemals“, sagt er mit Blick auf die einstigen Kollegen.

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Reinoldus Rettungsdienst

Die Rettungsdienst Reinoldus gGmbH ist ein privater Dienstleister. Das Unternehmen bietet neben dem Rettungswesen auch Krankentransporte, einen Sanitätsdienst und Katastrophenschutz an.

Seit 2020 ist Reinoldus als Rettungsdienstleister im Kreis Unna tätig. Aktuell plant das Unternehmen seinen Hauptsitz von Dortmund nach Bergkamen zu verlegen.