Thorsten Eustrup vom Reisebüro Köhler hofft, dass nach dem Konjunkturpaket echte Hilfen der Bundesregierung für die Reisebranche folgen werden. © Eustrup
Coronavirus
Reisebüro-Chef zum Konjunkturpaket: „Das allein rettet die Branche nicht“
Die Bundesregierung hat sich am Mittwoch (3.6.) auf ein milliardenschweres Corona-Konjunkturpaket geeinigt. Auch die Reisebranche soll davon profitieren. Doch der Jubel in Dortmund bleibt aus.
Die Corona-Krise trifft die Touristik-Branche hart. Seit Monaten bangen Inhaber von Reisebüros um ihre Existenz. Einnahmen haben sie mangels Buchungen schon lange keine mehr, stattdessen müssen sie auch noch die Provisionen stornierter Reisen zurückzahlen.
„Für unsere Branche ist es schon lange nicht mehr 5 vor 12, sondern längst halb eins“, sagt Thorsten Eustrup, Inhaber des Reisebüros Köhler in Lütgendortmund, am späten Donnerstagnachmittag (4.6.). Hinter ihm liegt ein anstrengender Arbeitstag. Wie immer in den vergangenen Wochen stand auch heute sein Telefon nicht still. Besorgte Kunden wollten ihre Reisen stornieren oder mahnten ungeduldig ihre Rückzahlungen an.
„Nicht mehr als eine Überbrückungshilfe“
Auch das am Mittwochabend beschlossene Konjunkturpaket des Bundes, das mit 130 Milliarden Euro die angeschlagene Wirtschaft wiederbeleben soll, kann die Stimmung von Thorsten Eustrup nicht wirklich heben. „Mehr als eine Überbrückungshilfe ist das leider nicht. Das allein rettet unsere Branche nicht.“
Denn ähnlich wie die NRW-Soforthilfe sieht das Konjunkturpaket in seinem Fall vor, dass er für sein Unternehmen mit fünf Mitarbeitern einen Erstattungsbetrag von 9000 Euro für die Monate Juni bis August erhalten wird. „Damit kann ich einen Teil meiner Fixkosten wie Strom und Miete deckeln, Einnahmen habe ich dadurch keine. Und meine Mitarbeiter kann ich damit auch nicht aus der Kurzarbeit zurückholen“, erklärt Eustrup.
Antragsberechtigt sind Unternehmen, deren Umsatz Corona-bedingt in April und Mai 2020 um mindestens 60 Prozent gegenüber April und Mai 2019 zurückgegangen ist und deren Umsatzrückgänge in den Monaten Juni bis August 2020 um mindestens 50 Prozent fortdauern. Thorsten Eustrup erfüllt mit seinem Tui Travel Star-Reisebüro an der Limbecker Straße die Kriterien.
„In den vergangenen drei Monaten habe ich fünf Reisen für insgesamt 20.000 Euro verkauft, davon bleiben für uns rund 2000 Euro“, rechnet Eustrup vor. Geplant seien die Reisen im Oktober und in der Weihnachtszeit. „Ob die wirklich stattfinden, steht ja auch noch in den Sternen.“ Möglich seien auch kostenlose Stornierungen 14 Tage vor Reiseantritt.
„Die Leute wollen nicht verreisen und schon gar nicht fliegen“
Auch von der Aufhebung der Reisewarnung für die meisten europäischen Staaten ab dem 15. Juni und der Senkung der Mehrwertsteuer von 19 auf 16 Prozent erwartet Thorsten Eustrup keine spürbare Besserung. „Die Leute wollen nicht verreisen und schon gar nicht fliegen. Weil sie zu große Einschränkungen während ihres Urlaubs befürchten und weil sie Angst vor den Folgen einer möglichen Corona-Infizierung haben.“
Viele seiner Kollegen seien enttäuscht vom Konjunkturpaket, sagt Eustrup, er persönlich habe zu diesem Zeitpunkt nicht mehr erwartet. „Aber auf Bundesebene sind weitere Rettungsmaßnahmen für unsere Branche im Gespräch und die müssen vor der Sommerpause kommen“, fordert Eustrup und spielt damit auf den Reise-Rettungsfonds an. Dahinter verbirgt sich unter anderem ein Kreditfonds, der für Veranstalter die Kunden-Geldrückzahlungen und die entgangenen Provisionen der Reisebüros ausgleichen soll. „Jede Woche wächst die Existenzangst, das ist psychisch extrem belastend“, so Eustrup.
Solidarität der Stammkunden ist beeindruckend
Kraft gebe ihm unter anderem die Solidarität seiner Stammkunden. „Sie bringen mir Nervennahrung wie Süßigkeiten und Wein und versuchen mich aufzubauen. Und im nächsten Jahr werden sie auch wieder Reisen buchen, da bin ich mir sicher.“ Solange werde er auf jeden Fall durchhalten, betont Thorsten Eustrup, und bis dahin den Lebensunterhalt für sich und seine Familie notfalls weiterhin von privaten Rücklagen bestreiten. „Zum Aufgeben bin ich definitiv noch zu jung“, so der 43-Jährige.
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