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Reaktionen auf Berliner Volksentscheid: „Enteignung bringt keine Wohnungen“
Bezahlbares Wohnen
Das Ja in Berlin zur Enteignung großer, privater Wohnungskonzerne hat Strahlkraft - und löst auch in Dortmund Reaktionen aus. Wie bleibt das Wohnen bezahlbar?
Zeitgleich mit den Wahlen zu Bundestag und Abgeordnetenhaus wurde in Berlin am Sonntag auch über den Volksentscheid „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ abgestimmt. Eine Mehrheit von 56,4 Prozent der Wählerinnen und Wähler stimmte für die Enteignung großer Wohnungskonzerne.
Der Berliner Senat wird mit dem Volksentscheid aufgefordert, „alle Maßnahmen einzuleiten, die zur Überführung von Immobilien sowie Grund und Boden in Gemeineigentum“ erforderlich sind. Konkret sollen alle „Unternehmen mit Gewinnerzielungsabsicht, gleich welcher Rechtsform“, die mehr als 3000 Wohnungen in der Hauptstadt besitzen, enteignet werden.

Franz-Bernd Große-Wilde ist Vorstandschef der Spar- und Bauverein eG Dortmund und Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Dortmunder Wohnungsunternehmen. „Ich denke, eine gesunde Mischung auf dem Wohnungsmarkt ist durchaus gut“, sagt er. © (Archiv) Frauke Schumann
Betroffen wären demnach unter anderem Deutsche Wohnen und Vonovia. Genossenschaften und Unternehmen in öffentlicher Hand - in Dortmund sind das zum Beispiel der Spar- und Bauverein oder die Dogewo 21 - sind ausgenommen.
Dennoch: „Dieses Ergebnis hat eine Ausstrahlwirkung auf ganz Deutschland - auch auf Dortmund“, sagt Franz-Bernd Große-Wilde. Er ist nicht nur Vorstandschef des genossenschaftlichen Spar- und Bauvereins, sondern auch Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Dortmunder Wohnungsunternehmen.
Keine Enteignungen befürchtet
Zwar fürchte er nun keine Enteignungen, sagt Franz-Bernd Große-Wilde, aber die Politik werde sich viel mit dem Thema „Bezahlbares Wohnen“ beschäftigen müssen: „Der Entscheid löst einen größeren Handlungsdruck aus.“
Dogewo21-Geschäftsführer Klaus Graniki kommentiert das Urteil mit der Aussage: „Durch Enteignung entstehen keine neuen Wohnungen.“
Umstritten ist, ob Enteignungen überhaupt verfassungskonform sind. Auf jeden Fall ist das Ergebnis des Volksentscheids nicht bindend. Der Berliner Senat ist nicht verpflichtet, ein entsprechendes Gesetz zur Enteignung auszuarbeiten.
„Eine Vergesellschaftung führt aus meiner Sicht in der Regel nicht zu positiven Effekten“, sagt Franz-Bernd Große-Wilde. „Ich denke“, ergänzt er, „eine gesunde Mischung auf dem Wohnungsmarkt ist durchaus gut. Börsennotierte Unternehmen wie Vonovia sind große Bestandhalter am Markt, stehen im Wettbewerb und gehen auch Selbstverpflichtungen ein.“
Vonovia-Chef möchte ein „Miteinander statt Konfrontation“
Er sagt das als Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Dortmunder Wohnungsunternehmen, in der neben anderen auch Vonovia, Vivawest Wohnen, die LEG Wohnen NRW, der Spar- und Bauverein und auch die Dogewo 21 vertreten sind. „Die Arbeitsgemeinschaft zeichnet sich durch einen guten Mix aus Unternehmen aus, die sich austauschen und für gute Rahmenbedingungen sorgen“, so Franz-Bernd Große-Wilde.
Vonovia-Chef Rolf Buch erklärte am Montag (27.9.) zum Berliner Volksentscheid, dass Enteignungen die vielfältigen Herausforderungen auf dem Berliner Wohnungsmarkt nicht lösen würden. „Wir brauchen deutlich mehr Miteinander statt Konfrontation“, sagte er.
Und für Dortmund weist Vonovia-Sprecherin Bettina Benner auf Anfrage unserer Redaktion darauf hin, dass es dieses Miteinander schon vielfach in der Stadt gebe. Ein gelungenes Beispiel für eine ganzheitliche, sozialverträgliche Modernisierung gebe es in Westerfilde.
Vonovia verweist auf ein Härtefallmanagement
„Hier wohnt knapp jeder Siebte in einer Vonovia-Wohnung, das Wohnungsunternehmen besitzt hier rund 1000 Wohneinheiten. Nach einer umfassenden Quartiersentwicklung“, sagt Bettina Benner, „können nun 110 Wohnungen preisgebunden angeboten werden. Die preisgebundene Miete liegt bei 5,60 Euro pro Quadratmeter.“
Vonovia vermietet in Dortmund rund 20.000 Wohnungen. Rund 60 Prozent davon wurden nach Angaben des Unternehmens seit 2012 modernisiert. Über 7800 Wohnungen, so heißt es, wurden energetisch optimiert. „Dadurch“, so Bettina Benner, „konnte das Klima bereits um mehr als 10.500 Tonnen CO2 entlastet werden“.
Natürlich bedeute eine Modernisierung auch eine Mieterhöhung. Vonovia habe in Dortmund seit 2018 mehr als 177 Millionen Euro investiert. „Aber“, sagt Bettina Benner, „unser eigenes Härtefallmanagement kümmert sich immer um gemeinsame Lösungen“.
Mieterverein Dortmund: „Vonovia nicht verhandlungsbereit“
Die Durchschnittsmiete bei Vonovia in Dortmund, so die Sprecherin, liege aktuell bei 6,42 Euro pro Quadratmeter. Sie sagt: „Wir wollen, dass sich auch unsere Mieterinnen und Mieter, die älter als 70 Jahre sind, keine Existenzsorgen aufgrund steigender Mieten machen müssen. Erst recht wollen wir nicht, dass sie ihr Zuhause bei uns verlieren.“

Das Wohnungsunternehmen Vonovia vermietet in Dortmund 20.000 Wohnungen. Während der Vorstandschef Rolf Buch auf ein Miteinander statt auf Konfrontation im Wohnungsmarkt setzen möchte, sieht man beim Mieterverein in zentralen Fragen wenig Kompromissbereitschaft. © Peter Wulle
Für Tobias Scholz vom Mieterverein Dortmund hört sich das alles schön an - aber er erlebt Vonovia auch anders. „Das Unternehmen ist zwar gesprächsbereit, aber aktuell bei zentralen Konflikten nicht verhandlungsbereit“, sagt er. Für Mieter in der Vonovia-Siedlung am Bahnhof Tierpark streitet der Mieterverein seit Monaten darum, wie Vonovia die Kosten einer Modernisierung als Mieterhöhung umlegen darf.
„Vonovia erzielt durch Modernisierungen ihrer Bestände bundesweit jährlich Mieterhöhungen im Millionenbereich. Die im Rahmen der Modernisierungsmieterhöhungen sehr häufig zu geringen Abzüge für Instandsetzungen widersprechen dem Gesetz. Am Bahnhof Tierpark war Vonovia nicht einmal zu Musterprozessen zur Klärung der Rechtsfragen bereit. Der Konzern setzt darauf, dass die Mieter vor dem Immobilienriesen kapitulieren. Ein ‚Miteinander‘ sieht anders aus“, so Tobias Scholz.
LEG fordert bessere Rahmenbedingungen für Investitionen
Mit der LEG konnten in letzter Zeit bei Auseinandersetzungen zu Modernisierungen erfreulicherweise akzeptable Kompromisse verhandelt werden, sagt der Mieter-Vertreter. Beim Thema Modernisierungen insgesamt müsse die Bundesregierung Mieter im Mietrecht aber einfach besser vor hohen Mieterhöhungen schützen.
Einig ist er sich mit der LEG, dass es für bezahlbare energetische Modernisierungen im Bestand, mit denen CO2 eingespart wird, bessere staatliche Fördermittel braucht. LEG-Sprecher Mischa Lenz sagt es so: „Wir brauchen mehr Investitionen in den Klimaschutz im Gebäudesektor.“ Staatliches Geld werde also benötigt, damit es für Mieter und Hauseigentümer nicht zu teuer wird.
Auch für die Mieter in den rund 14.000 LEG-Wohnungen in Dortmund ist das Wohnen in den vergangenen Jahren ohnehin schon teurer geworden. Lag die Miete 2016 im Schnitt bei 4,90 Euro/qm, so liegt sie jetzt bei 5,69 Euro/qm. „Wir bieten unseren Dortmunder Mietern damit aber weiterhin bezahlbare Mieten“, so Mischa Lenz.
Nach mehreren Stationen in Redaktionen rund um Dortmund bin ich seit dem 1. Juni 2015 in der Stadtredaktion Dortmund tätig. Als gebürtigem Dortmunder liegt mir die Stadt am Herzen. Hier interessieren mich nicht nur der Fußball, sondern auch die Kultur und die Wirtschaft. Seit dem 1. April 2020 arbeite ich in der Stadtredaktion als Wirtschaftsredakteur. In meiner Freizeit treibe ich gern Sport: Laufen, Mountainbike-Fahren, Tischtennis, Badminton. Außerdem bin ich Jazz-Fan, höre aber gerne auch Rockmusik (Springsteen, Clapton, Santana etc.).
